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    Titane

    Titane


    Land/Jahr:
    F 2021
    Genre:
    Fantasy
    Regie:
    Julia Ducournau
    Darsteller:
    Agathe Rousselle
    Vincent Lindon
    Garance Marillier
    Bertrand Bonello
    FSK:
    ab 16 Jahren
    Dauer:
    108 Minuten
    Kaufstart:
    27. Januar 2022
    Label:
    Koch Films

    In ihrer jungen Kindheit hat Alexia einiges durchmachen müssen: Bei einem Autounfall wurde sie so schwer verletzt, dass sich seitdem eine Metallplatte in ihrem Kopf befindet. Diese führte jedoch auch zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsveränderung, die sich auch heute im Erwachsenenalter noch auswirkt: Statt sich sexuell von anderen Menschen angezogen zu fühlen, hat Alexia eine Vorliebe für Autos entwickelt. In der Nacht, wenn die Besucher einer Automesse bereits nach Hause gefahren sind, lässt sie ihre Lust ungehemmt an den hübsch lackierten und aufgemotzten Karosserien der Ausstellungsstücke aus. Die unerwartete Schwangerschaft durch blankes Metall weckt zugleich jedoch eine überwältigende Mordlust in der jungen Frau. Nur die Zuneigung zu einer ebenfalls verlorenen Seele scheint ihr Verlangen nach Blut noch stillen zu können. Doch Alexia befindet sich längst auf der Flucht vor der Polizei…

    Nebenwirkungen einer Mechanophilie
    Titan – eine Substanz so wichtig für die Chirurgie und zugleich die Leidenschaften manches Liebhabers weckend. Mit der goldenen Palme, dem Hauptpreis des Filmfestival in Cannes ausgezeichnet, ist „Titane“ eine Charakterstudie der besonders seltsamen und manchmal auch verstörenden Art: Hauptfigur Alexia steht nicht auf Männer oder Frauen, sondern auf blankes, glatt poliertes Metall. Am liebsten jenem Metall von Autos. Je größer und aufgemotzter, umso mehr wird sie von den Gefährten erregt. Doch kaum eine Sexszene mit WTF-Momenten gezeigt, in der Alexia es mit einem röhrenden Cadillac treibt, kommt auch schon der wirklich verstörende, leicht absurde Part: Alexia wird schwanger – von einem Auto. Aus ihren Brüsten kommt keine Muttermilch, sondern Motorenöl und in ihrem immer weiter anwachsenden Bauch scheint auch kein ganz gewöhnliches Baby heranzuwachsen, sondern irgendetwas hartes, metallisches. Da macht nicht nur der Maskenbildner ganze Arbeit, sondern auch der Anblick einer nackten Frau, aus dessen Brüsten eine schwarze Flüssigkeit herabtropft, sorgt für staunende Blicke.

    Arthouse mit Provokation
    Gleichzeitig ist „Titane“ dabei weder Trash, noch ein Film, der es allen recht machen möchte: Was wir hier geboten bekommen, könnte man zweifelsohne als Filmkunst bezeichnen. Ganz weit entfernt vom Mainstream handelt es sich um jene Art von Streifen, die sich ins Genre des neuen Arthouse-Kinos einfügen ließen. Provozierend, ästhetisch außergewöhnlich – und doch mit einem gewissen psychologischen Tiefgang, den man sonst eher bei kleinen Kunst- und Nischenfilmen gewohnt ist. Das macht sich schnell auch darin bemerkbar, dass „Titane“ zwischen seiner ästhetischen Provokation gern mit Metaphern spielt. Alexia und ihre Neigung ist ein Sinnbild für eine orientierungslose Jugend, die ihre Vorlieben neu auszukundschaften versucht und dabei so manchen Tabubruch begeht. Eine Metapher für eine überforderte Generation, die zwischen Debatten über genderfluide und nichtbinäre Identitäten auf der Suche nach sich selbst ist.

    Genderpsychologie mit Tiefgang
    Dazu passt auch der weitere Verlauf, die zentrale Wendung des Films, die etwas langatmig erscheinen mag, aber bei genauerem Hinsehen doch einen tieferen Sinn ergibt: Nach ersten schönen Bildern, in denen sich halbnackte Personen gegenseitig erschlagen und dabei zunächst das Horror- und Actiongenre bedienen, schlägt „Titane“ einen ruhigeren, gemächlicheren Ton an. Alexia ist auf der Flucht – und dabei ganz und gar nicht in Eile. Ein Großteil der Geschichte des ungewöhnlichen Fantasyfilms macht das Aufeinandertreffen mit einem Familienvater aus, der vor zehn Jahren seinen Sohn verlor. Nichts ahnend, wie dieser wohl heute aussehen mag, verwandelt sich Alexia kurzerhand in eben diesen Jungen: In eine genderfluide, irgendwie nichtbinäre Person, die gleichzeitig schwanger ist und doch ihre weiblichen Merkmale vollständig verstecken kann. „Titane“ entwickelt sich dabei vom Thriller mehr zu einem Charakterdrama, bei dem zwei psychisch desorientierte Personen zueinander finden und sich gegenseitig zu neuer Stärke verhelfen.

    Ein beeindruckendes Langfilmdebüt
    Die große Entdeckung ist dabei vor allem Hauptdarstellerin Agathe Rousselle, die als selbst nichtbinäre Darstellerin hier ihr Spielfilmdebüt gibt und zugleich in ihrer außergewöhnlichen Rolle brilliert. Mit einem beeindruckenden Selbstbewusstsein hält sie hier ihren nackten Körper in die Kamera, scheut dabei nicht vor Makeln zurück und vergisst auch in intimsten Momenten, dass sie von einem Filmteam beobachtet wird. Schon die erste extasische Sexszene in einem Cadillac sorgt für eindrucksvolle Bilder. Mit einem irgendwie andersartigen schwangeren Körper, dem man jegliche Masken oder Effekte in keinster Weise ansieht und ihrem mysteriös-wortkargen Charakter zieht sie das Publikum sofort in ihren Bann. Der Zuschauer mag ihre fragwürdig erscheinenden Motive nicht immer so recht nachvollziehen, doch gerade damit sorgt Rousselle überhaupt erst für das große Interesse an ihrer Figur. Schließt scheint nichts in diesem Film wirklich normal. Jede Figur verhält sich so unkonventionell, dass nichts wirklich vorhersehbar ist. Und so bleibt dann auch das Interesse des Zuschauers lange aufrecht erhalten.

    Fazit:
    Arthouse-Kino mit ästhetischer Provokation: Der Gewinner vom Filmfestival in Cannes ist außergewöhnliche Filmkunst voller Metaphern über Gender-Identität, psychologischem Tiefgang und einer beeindruckenden Newcomerin in der Hauptrolle. Ein unvorhersehbarer Streifen mit zahlreichen WTF-Momenten, die Tabus brechen. Geheimtipp.

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