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  • Wave-Gotik-Treffen: 18.000 Goths trafen sich in Leipzig
    1. Juni 2024 | 00:41

    32 Jahre ist es her, dass das Wave-Gotik-Treffen, damals noch in kleinem Rahmen, zum ersten Mal zahlreiche Goths nach Leipzig lockte. Heute lockt das Event ganze 18.000 Menschen nach Leipzig und sorgte mit mehr als 15 Konzertbühnen erneut dafür, dass die große Vielfalt der schwarzen Szene auf ihre Kosten kam. Was sich seit damals verändert hat? Eigentlich nicht viel: Manche Besucher der ersten Stunde sind heute noch dabei, viele jüngere Goths gibt es auch – und einige bringen inzwischen sogar ihre Kinder mit auf das WGT. In all seinem Schwarz ist die Szene nämlich auch deutlich bunter geworden: Stilrichtungen kamen hinzu, neue Musikgenres, deutlich mehr Überschneidungen mit anderen Subkulturen. Aus Sicht des einen hat das die Szene “zu sehr verwässert”, die anderen erfreuen sich an einer nie da gewesenen Vielfalt, in der die Gothic-Szene heute nicht mehr in starren Mustern verharrt.

    Auf dem Viktorianischen Picknick am Freitag Nachmittag, das heute zu einem der zentralen Bestandteile des Wave-Gotik-Treffen gehört, wurde das besonders deutlich: Tausende Besucher treffen sich hier in einem Leipziger Park, um ihre aufwändigsten Outfits und Kleider zu präsentieren. Dass das nicht mehr nur Gothic ist, wird da schnell deutlich: Hier finden sich spektakuläre viktorianische Kleider, ebenso wie aufwändige Steampunk Outfits und so manche “Kostüme”, die schon ein wenig an Cosplay erinnern. “Keine echten Goths, nur Trittbrettfahrer, die zum Schaulaufen kommen”, mögen böse Stimmen sagen. Tatsächlich aber zeigt sich, dass die Interessenüberschneidungen immer größer werden. Der Goth von heute trägt das Schwarze auf dem Konzert, das Cosplay auf der Comic Con und das Steampunk Outfit auf dem Viktorianischen Picknick. Die Vielfalt wird deutlich. Der Zeitgeist des modernen Goths entspricht dem Gedanken der Diversity. Einer Subkultur, in der ihre Angehörigen Goths und Nerds zugleich sein dürfen. Und das auch zunehmend zelebrieren.

    Viktorianisches Picknick auf dem WGT
    Ein Besucher beim Viktorianischen Picknick

    Das wird auch auf den zahlreichen Konzerten des Wave-Gotik-Treffen deutlich, die sich auf die gesamte Stadt Leipzig verteilen. Was ist eigentlich Gothic? Was hört ein Goth heutzutage? Diese Frage lässt sich gar nicht mehr so leicht beantworten, denn die Antworten dürften selbst innerhalb der Szene vielfältig ausfallen. Die einen mögen den dunklen Rock, die anderen tanzen zu hartem Electro, wieder andere erfreuen sich an mittelalterlicher Musik oder Pagan Sounds. Selbst mit dem “Cholo Goth” von Prayers, einer Art Mischung aus Electro Wave und mexikanischem Oldschool Hip Hop, ist längst ein weiteres neues Genre entstanden, das auf dem WGT prompt eine Bühne bekam, um zu testen, wie dieser neuartige Stil beim Publikum ankommt. “Kontrovers” könnte man sicher sagen. Aber auch nicht weniger kontrovers, als etwa This Morn’ Omina, die im Täubchenthal eine Art Ritual Noise spielten – eine Mischung aus Pagan und hartem Elektro.

    Spannend zu sehen, wie sich die Szene teilweise je nach Genre auf die Locations aufteilt und sich auf dem WGT zeigt, dass sich innerhalb dieser schwarzen Szene nochmal ganz eigene Subkulturen entwickeln. Den “traditionellen” Goth zieht es immer wieder in den Felsenkeller, wo Bands aus Metal und Neue Deutsche Härte den sogenannten “schwarzen Mainstream” zelebrieren. Den Cybergoth mit seinen neonfarbenen Plastikhaaren findet man hingegen eher dort, wo harter Electro und Noise die Halle zum Beben bringen. Der EBMler im militärisch angehauchten schwarzen Hemd hört zwar auch Electro, mag es aber doch lieber etwas mehr Old School und trifft sich wieder in ganz eigenen Locations. Und selbst das Heidnische Dorf, der Mittelaltermarkt des WGT beweist, dass es sogar gar nicht immer schwarz sein muss, um sich der Szene doch ein wenig angehörig zu fühlen.

    Editors auf der Main Stage / Agra
    Editors begeisterten beim Mitternachtsspecial auf der Agra

    Die Besucher des WGT sind vereint in Schwarz und doch so vielfältig, wie kaum eine andere Szene. Für Schaulustige und Bewohner der Stadt Leipzig dadurch besonders spannend: Da es sich beim WGT um ein dezentrales Festival handelt, dessen Locations sich über die ganze Stadt verteilen, wird ganz Leipzig von Goths bevölkert. In jeder Seitenstraße, in jeder Gasse, an jeder Ecke: Überall Menschen in schwarz, in ihrer maximalen Vielfalt, wie sie die Szene zu bieten hat. Dabei zeigt sich die schwarze Szene auf dem Wave-Gotik-Treffen auch immer wieder als Safe Space für Szeneangehörige aller Art. Männer in Frauenkleidern sind hier ebenso wenig eine Besonderheit, wie schwarze Militäruniformen, auf denen Trans- und Regenbogenflaggen aufgenäht sind. Daran ändert auch der ein oder andere Vorwurf nichts, das WGT würde eine rechte Band buchen. Toleranz, Rücksicht und Freundlichkeit wird auf dem WGT groß geschrieben. Das zeigt sich auch darin, dass die Goths auch nachts um 2 Uhr nach der letzten Band und dem fünften Bier noch immer überaus friedlich sind.

    Am Ende kommen sie immer wieder sogar an einem zentralen Ort zusammen: Das alte Messegelände der Agra ist Dreh- und Angelpunkt des WGT. Es ist Main Stage, Campsite und Shopping Area in einem. Dort treten die ganz großen Bands der Szene auf: Während Editors, die mit ihrem Hit “Papillon” die schwarzen Discos eroberten, vor allem von vielen ausländischen Fans bejubelt wurden, bewies der Veranstalter mit der etwas fröhlicher angehauchten Electropop-Band Ladytron auch einen gewissen Mut. Auch “alte Hasen” der Szene, etwa die etwas blutigere Aggrotech-Band Agonoize durften die große Main Stage bespielen und mit The Beauty of Gemina kamen sogar hier die traditionelleren Goths auf ihre Kosten. Insgesamt aber zeichnet sich das WGT Jahr für Jahr dafür aus, auch all jenen Bands eine Bühne zu bieten, die auf den anderen Gothic-Festivals kaum berücksichtigt werden. Kleine Electro-Band wie Agnis aus Polen gehören da genauso dazu, wie Abu Nein aus Schweden oder die Future-Pop-Band Angels & Agony. Und genau mit dieser Mischung ist das WGT seit über 30 Jahren erfolgreich.

    Stimmgewalt in der schwarzen Schille
    Auch für Besucher ohne Bändchen gab es Programm: “Stimmgewalt” halfen mit Gothic a cappella beim Spendensammeln für den guten Zweck

    Fotos: Rene Daners