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  • Unter schwarzer Flagge: Goths auf Ausflug mit Lord of the Lost
    18. Oktober 2023 | 23:34

    Wenn Goths auf einen Ausflug gehen, dann ist der Anblick für Außenstehende eine echte Besonderheit. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr fuhren ca. 1300 schwarz gekleidete Menschen mit dem Partyschiff MS Rheinenergie von Köln nach Königswinter, um dabei nicht nur den goldenen Herbst zu genießen, sondern auch einige hochkarätige Bands der Szene live zu erleben. Bildet sich da erst einmal morgens um 11 Uhr die lange Einlassschlange direkt vor der berühmten Kölner Hohenzollernbrücke, ist die Neugierde bei Passanten schnell da. Der Goth, der sich sonst eher in einer Nische bewegt, muss da öfter mal die neugierigen Fragen der vorbeilaufenden Schaulustigen beantworten, die wissen wollen, um was für eine Veranstaltung es sich denn handele. Und wenn auch die meisten Passanten mit der schwarzen Szene nicht ganz so viel anfangen können: Fällt der Name des diesjährigen Eurovision Song Contest-Teilnehmer Lord of the Lost, wissen die meisten dann doch, worum es geht. Endlich: Eine Band der schwarzen Szene, die auch der Mainstream kennt! Das ändert jedoch nichts daran, dass Unter schwarzer Flagge eher ein szeneinternes Familientreffen ist. Das “Klassentreffen des Amphi Festivals”, wie es Sänger Chris Harms von Lord of the Lost so passend ausdrückte.

    Bevor es dann am Samstag, dem 14. Oktober 2023 endgültig los ging, musste das Familientreffen aber wirklich erst einmal zelebriert werden. Für eine kleine Panoramafahrt rund um den Kölner Dom, war schließlich eine Stunde Zeit, ehe die erste Band die Bühne betrat. Für die “Goths auf Ausflug” die perfekte Gelegenheit, erst einmal die Freunde zu begrüßen (schließlich kennt man sich in der kleinen Szene), es sich auf dem Oberdeck gemütlich zu machen und das erste erfrischende Weißbier zu genießen. Mit dem Wetter hatten die Fans nämlich Glück: Ein goldener Herbsttag versprach zwar kühles, aber sonniges Wetter und lud zur Mittagsstunde sogar dazu ein, auf dem Oberdeck im Freien die Aussicht zu genießen. Hat das Schiff dann erst einmal abgelegt und macht sich zur Wende in Richtung Königswinter bereit, werden die Schaulustigen, die von der Hohenzollernbrücke herab den zur Pommesgabel geformten Metal-Gruß schicken und jedes Mal vom Anblick der zahlreichen schwarzen Menschen beeindruckt sind, mit dem obligatorischen heftigen Horn des Schiffes begrüßt. Ein Ritual, das bereits seit Jahren zu dem Event dazu gehört. Nun kann es losgehen.

    Unter schwarzer Flagge
    Heldmaschine überrascht mit Akustik-Gitarre

    Keine Stunde später verziehen sich die Goths dann auch schon auf die beiden wärmeren Unterdecks. Da nämlich wartet die Bühne darauf, dass endlich die ersten Bands auftreten können. Auf zwei Etagen haben hier alle 1300 Besucher hervorragende Sicht, selbst wenn der Ausflug Unter schwarzer Flagge, wie an diesem Samstag, komplett ausverkauft ist. Die Freude und die Erwartungen sind groß, denn auch wenn die beliebte Gothic-Rockband Unzucht wegen Krankheit leider absagen musste, sind hier doch namhafte Bands des Gothic und der Neuen Deutschen Härte am Start. Harte Gitarrenriffs versprach schließlich auch schon der erste Act: Heldmaschine, die erst vor kurzem noch mit ihrer Rammstein-Coverband Völkerball auf Tour waren, dürfen die Bühne betreten und das Publikum ordentlich einheizen. Erst in einem ungewöhnlichen Outfit mit LED-Gesichtsmasken sorgen die schon für einen kleinen Augenschmaus. Klar wird schnell: Die Teilnehmer/-innen der Schifffahrt haben Bock. Es dauert nur ein paar Songs, da beginnen die Mitreisenden bereits so heftig an zu hüpfen, dass die MS Rheinenergie bei voller Fahrt zu wippen beginnt – was für einen Katamaran dieser Größe natürlich kein Problem darstellt. Das Megafon wird ausgepackt, die obligatorischen Heldmaschine-Geldscheine ins Publikum geworfen und irgendwann sogar die große Überraschung: Sänger Rene Anlauff schnappt sich die Akustik-Gitarre und spielt plötzlich einen der Songs sogar in akustischer Version. Bei “Unter schwarzer Flagge” gibt es immer wieder die ein oder andere Überraschung, die man so von Festivals nicht kennt.

    In ähnlicher Härte ging es dann auch gleich weiter: Als Ersatz für Unzucht, haben nämlich Stahlmann spontan zwei Tage vor dem Event noch zugesagt und sind zugestiegen. Mit silber angemalten Gesichtern werden hier ähnlich heftig die Gitarren gespielt, wie zuvor bereits bei Heldmaschine. Fans des Genres der Neuen Deutschen Härte kamen da ganz besonders auf ihre Kosten. “Es ist schwer, eine andere Band zu akzeptieren”, stellte dabei Sänger Martin Soer fest und bedankte sich dafür, dass die Besucher/-innen dennoch so intensiv mitmachten. Und einen kleinen Trost gab es dann immerhin doch noch: Stahlmann und Unzucht sind nämlich recht eng befreundet. Eine gute Gelegenheit also, Daniel Schulz, den Sänger von “Unzucht” (und neuerdings auch “Oomph!”) einfach mal per Videocall anzurufen und live ein paar Grüße von ihm ausrichten zu lassen. Da lässt sich die Absage aus gesundheitlichen Gründen doch gleich ein bisschen besser verschmerzen. Mit leicht verspäteter Ankunft in Königswinter durften Stahlmann dann sogar noch ein paar Songs länger spielen, um den Reisenden die Zeit bis zum Anlegen etwas zu versüßen.

    Unter schwarzer Flagge
    Stahlmann mit obligatorischer silberner Gesichtsfarbe

    Kurz nach der Ankunft hatten die Besucher/-innen von Unter schwarzer Flagge dann etwa 3 Stunden Zeit, um sich Königswinter und die Umgebung anzuschauen. Das wurde vielfältig genutzt, denn für zahlreiche Freizeitaktivitäten gab es ordentliche Rabatte exklusiv für Unter schwarzer Flagge. Neulinge, die zum ersten Mal bei dem Event dabei waren, nutzen oftmals die Gelegenheit, um mit der Zahnradbahn auf den Drachenfels zu fahren, die wunderschöne Aussicht bis nach Bonn zu genießen und einen Blick auf das märchenhafte Schloss Drachenburg zu werfen. Andere wiederum nutzen die 50% Rabatt für das nah gelegene Siebengebirgsmuseum oder gingen mit ihren Freunden in eines der zahlreichen Restaurants in der Altstadt. Letzteres sorgt ohnehin immer wieder für ein wenig Staunen: Die Bewohner von Königswinter sind es schließlich immer noch nicht gewohnt, plötzlich von über tausend schwarz gekleideten Menschen überflutet zu werden. Ein Glück, sind Goths doch dafür bekannt, recht angenehme Mitmenschen zu sein.

    Pünktlich zur Dämmerung um 19:30 ging es dann auch schon wieder zurück in Richtung Köln. Auch dieses Mal: Während der Fahrt durften sich die Teilnehmer/-innen auf gleich zwei Konzerte freuen. Den Anfang machten dabei Erdling und sorgten auch gleich für eine kleine Premiere an diesem Tag: Die Dark Metal-Band trat nämlich als einziger Act mit einer weiblichen Gitarristin auf. Das hält sie allerdings nicht davon ab, genauso fette Gitarrenriffs abzuliefern, wie ihre beiden Vorgänger. Obwohl, vielleicht ein bisschen schon: Im Vergleich zu Stahlmann klingt Erdling dann doch ein wenig melodischer, insgesamt gesangslastiger. So manchem Fan gefällt “Erdling” daher umso besser, haben die Texte vor allem in den jüngsten Songs doch einen überraschenden Tiefgang bekommen.

    Unter schwarzer Flagge
    ESC-Teilnehmer Lord of the Lost zeigt seine volle Energie als Headliner

    Zum Abschluss dann der große Headliner, für den wohl die meisten Besucher/-innen an diesem Tag gekommen sind: Der diesjährige Eurovision Song Contest-Teilnehmer Lord of the Lost durfte in dem familiären Rahmen vor 1300 Menschen spielen – was angesichts der inzwischen Größe der Band sicherlich eine Besonderheit ist. Dabei stand der Auftritt beinahe ein bisschen auf der Kippe: In den Tagen zuvor musste Sänger Chris Harms noch diverse Konzerte absagen, weil er auf Grund einer Atemwegsinfektion an Stimmproblemen litt. Der Auftritt bei Unter schwarzer Flagge war demnach das erste Konzert, das er seitdem wieder gab. Und der nächste Schreck kam gleich zu Beginn immerhin auch dazu: Bei der Abfahrt in Köln fehlte das Merchandise der Band, weil diese sich offenbar so verspätete, dass sie in Königswinter nachträglich zusteigen musste. Allen Hürden zum Trotz: Die überraschend große Energie, die “Lord of the Lost” bei diesem Auftritt auf die Bühne brachte, wird dann wohl trotzdem viele der Besucher begeistert haben – und könnte selbst jene überzeugt haben, die bei “Lord of the Lost” bisher abgewunken haben. Womöglich handelte es sich um eines der besten Konzerte, die die Band jemals gab. Umschlungen von den Fans der eigenen Szene, in der sie groß wurden, ist ein solches Konzert eben doch noch etwas Besonderes.

    Gegen 23 Uhr legte das Schiff dann auch wieder in Köln an und entließ die zahlreichen glücklichen Fans in eine kühle Herbstnacht. Die meisten von ihnen werden bereits freudig ein Ticket für die nächste Edition im April zuhause haben. Am 20. April 2024 fährt die MS Rheinenergie nämlich erneut nach Königswinter und hat dann Bands wie Blutengel, Solar Fake, Solitary Experiments und Alienare an Bord. Im April also geht es auf die elektronischere Seite des Gothic. Weitere Infos und Tickets gibt es für 77 Euro unter usf-cruise.de