Kritik:
In den 90iger Jahren waren sie richtig beliebt und konnten ihre Bestzeiten auf dem deutschen Markt genießen: Die beliebten Wirtschaftssimulationen, in denen wir Produktionsketten erschließen und wichtige Transportrouten errichten mussten. Einst herausragende Spiele wir „Railroad Tycoon“ oder „Der Industriegigant“ wurden von den Fans gefeiert und geradezu gesuchtet. Nachdem es um das Genre allerdings lange Zeit etwas ruhiger war, erlebt es mittlerweile sein Comeback.
Europa und Amerika
Und da knüpft man an die Erfolge der alten Klassiker auch endlich an, wenn man einmal mehr ähnlich komplexe Industrien simuliert und den Spieler vor echte Herausforderungen setzt. Genauso wie einst in den alten Vorbildern bekommt es der Genrefan dieses Mal nämlich mit gleich zwei vollständigen Einzelspielerkampagnen zu tun, die vor allem in den klassischen City Buildern heutzutage leider häufig fehlen. Daran erkennt man dann auch, dass „Transport Fever“ im deutschsprachigen Raum entwickelt wurde und speziell auf die Interessen der hiesigen Spieler zugeschnitten ist. In zwei insgesamt knapp vierzig Stunden Spielzeit umfassenden Kampagnen dürfen wir uns nämlich an vierzehn abwechslungsreiche Missionen wagen, die auf zwei verschiedene Kontinente führt. Sowohl die Amerikakampagne, als auch das europäische Gegenstück kommen dabei mit sieben Szenarien daher.
Vom Wilden Westen bis nach Paris
Und die beiden Kampagnen unterscheiden sich dabei grundlegend, widmen sie sich doch vorwiegend der Geschichte des jeweiligen Kontinents und baut darauf interessante Aufgabenziele und Geschichten auf. Das wiederum hat nämlich tatsächlich Auswirkungen auf die Spielweise, etwa wenn wir auf amerikanischem Boden vorwiegend wirtschaftliche Probleme lösen müssen und etwa den begrenzten Rohstoff Öl transportieren sollen oder die Behörden bei ihrem Weltraumprogramm unterstützen müssen. Die eigentliche Schwierigkeit dabei: Nebenbei müssen wir auch noch Profit erwirtschaften – und das ist gerade mit den Hauptzielen nicht immer ganz so einfach. Häufiges Herumtüfteln und das Finden alternativer Profitmöglichkeiten sind mitunter unumgänglich, was „Transport Fever“ bis zur letzten Missionen spannend bleiben lässt.
Andererseits widmen wir uns auf europäischem Boden traditionell eher dem Passagierverkehr und müssen Hochgeschwindigkeitslinien zwischen zwei Großstädten schaffen oder den Linienflugverkehr zwischen Frankfurt und Hamburg ausbauen. Der Schwierigkeitsgrad steigt (mit wenigen Ausnahmen) währenddessen kontinuierlich, denn je höher die Betriebskosten, desto schwieriger der Profit – und dass Flugzeuge und Hochgeschwindigkeitszüge nicht gerade günstig sind, sollte jedem klar sein. Insgesamt gestaltet sich die zweite europäische Kampagne also wesentlich schwieriger, auch wenn jedes Szenario durchaus zu meistern ist. Im Test kam es aber mitunter auch mal vor, dass wir uns an einer Mission die Zähne ausgebissen haben und bis zu fünf Stunden dafür benötigten.
Transport ist alles
Das eigentliche Spielprinzip ähnelt dabei insbesondere dem Klassiker „Transport Tycoon“, bei dem wir ebenfalls mit Transporten Geld verdienen mussten. Und hier geht es wahrlich nur um den Transport: Firmen und Gebäude bauen dürfen wir – abgesehen von denen, die für den Transport notwendig sind – nämlich nicht. „Transport Fever“ verzichtet also darauf, den Wirtschaftspart mit einem City Builder zu verbinden, auch wenn wir hier und da ein paar Straßen verlegen dürfen. Die Herausforderung besteht letztendlich darin, die bestehenden industriellen Möglichkeiten zu nutzen, um damit als reines Logistikunternehmen Profit zu erwirtschaften. Und das, während in der Kampagne manchmal bestimmte Möglichkeiten unterbunden werden – denn mal dürfen wir keine Züge verwenden, mal keine Schiffe und ein weiteres Mal keine Flugzeuge. Grundsätzlich stehen aber sowohl Transportwege per Schiene, Schiff, Straße und Luft zur Verfügung. Die Wirtschaftssimulation deckt also alle interessanten Bereiche ab.
Komplexität der Produktionskette
Nach ein paar Tutorials, die uns die wesentlichen Basics erklären und den ersten ein bis zwei Startversuchen, haben wir dann allerdings auch den Dreh raus und dem ersten Erfolg – und somit auch einer großen Spielmotivation – steht nichts mehr im Wege. Grundsätzlich sinkt der Schwierigkeitsgrad anfänglich, sobald wir die Zusammenhänge der einzelnen Unternehmen und Produktionsketten verstanden haben. Fehlt etwa der Maschinenfabrik ein Endabnehmer, funktioniert plötzlich auch die restliche Produktionskette nicht mehr und die Eisenfabrik wird ihre Produktion mangels weiterem Bedarf einstellen. Und da liegt zugleich auch die eigentliche Herausforderung von „Transport Fever“: Im Laufe der Spielzeit werden die erforderlichen Produktionsketten immer größer und bestehen mitunter aus acht verschiedenen Fabriken, die unterschiedliche Materialien herstellen und benötigen. Und dieses auch vollständig in ausreichendem Umfang zu bedienen, stellt sich dann nicht immer als sehr leicht heraus.
Simulation einer Wirtschaft
Interessant ist dabei auch, dass „Transport Fever“ tatsächlich eine glaubwürdige Wirtschaft simuliert und dies eben nicht nur vortäuscht. Verschiedene Faktoren, wie etwa die Anzahl der Geschäftsgebäude und Einwohner beeinflussen letztendlich auch die Nachfrage nach bestimmten Produkten. Das wird spätestens beim Passagierverkehr dann auch deutlich: Beliefern wir eine benachbarte Stadt mit bestimmten Gütern, die in der anderen Stadt fehlen, erhöht das die Reisebereitschaft der Bewohner deutlich und die Anzahl der Fahrgäste wird erhöht. Gleichzeitig gestaltet sich auch die Simulation der Transportwege durchdacht, wenn etwa Buslinien benötigt werden, damit Fahrgäste auch den Bahnhof erreichen und sich bei Bedarf sogar passende Umstiegsmöglichkeiten suchen. Dasselbe auch bei Gütertransporten: Auch hier lässt sich der Lieferweg durchaus auf mehrere Linien und Fahrzeugtypen verteilen. Ein Wechseln zwischen Schiff und Zug und Lastwagen ist also durchaus möglich, denn „Transport Fever“ findet passende Wege vollautomatisch, sobald wir sie eingerichtet haben. In einer Zeit, in der „Sim City“ einst die Simulation gar nur vortäuscht, ist das sehr erfreulich und vorbildlich.
Schwächen beim Bau
Tatsächlich kann sich die Wegfindung allerdings auch als eine der Schwächen des Spiels herausstellen, wenn etwa das Bauen von neuen Strecken ein wenig fummelig erscheint. Das manuelle Bauen von Brücken mag nicht immer auf Anhieb funktionieren, eine zweigleisige Schienenroute lässt sich ebenfalls nicht bereits vorab einstellen und die Straßenbahn unterirdisch halten zu lassen, brauchen wir gar nicht erst versuchen. Es fehlen also durchaus einige Möglichkeiten, die den optimalen Streckenbau erleichtern würden. Zumal auch der Schienenverkehr nicht immer perfekt funktionieren mag, wenn eine mehrgleisige Strecke über Weichen verbunden ist. Warum Züge also manchmal eher unsinnige Wege suchen und Güter über riesige Umwege transportiert werden, sobald es mehrere Optionen gibt, bleibt doch manchmal fraglich. Über solche Kleinigkeiten kann man aber angesichts des ansonsten runden Spielerlebnisses schnell hinweg sehen.
Einfache Steuerung
Außerdem klappt die Einrichtung von Transportwegen ansonsten ja auch perfekt. Einfach zwei Stationen bauen – ob Lastwagenstation, Bahnhof, Hafen oder Flughafen -, beide Stationen im Linienmanager anklicken und schon sucht sich das Spiel den passenden Weg völlig von alleine und führt die Route auch problemlos aus. Sollen später einmal weitere Fahrzeuge hinzugefügt werden, kann man diese ebenso einfach aus dem Depot heraus einer Linie zuweisen. Einfacher könnte es wohl kaum gehen und gerade hier zeigen die Entwickler, dass sie von Benutzerfreundlichkeit durchaus etwas verstehen. Gleichzeitig ist „Transport Fever“ irgendwie minimalistisch, aber auch übersichtlich ausgefallen. Die wichtigsten Optionen, wie Finanzstatistiken, Objektbau, Fahrzeugkauf und wichtige Hinweise bleiben – aber ansonsten verzichtet man auf allzu viel Mikromanagement, das nicht erforderlich wäre. In einzelnen Fenstern hat man dann das Wesentliche stets schnell auf Abruf im Blick und niemand dürfte damit überfordert sein, seine Einnahmen im Auge zu behalten. So macht eine Wirtschaftssimulation Spaß.
Unbegrenzte Möglichkeiten
Interessant wird das auch dann, wenn wir die Kampagnen erst einmal hinter uns gelassen haben und uns endlich einmal im freien Spiel austoben können. In einem Sandboxmodus können wir dann vor uns hin spielen und versuchen, den maximalen Gewinn zu erwirtschaften. Und wenn wir dabei die gesamte Landkarte mit Schienen füllen wollen, ist das tatsächlich im Rahmen der Möglichkeiten, die der Spieler bei ausreichend Einnahmen schon bald haben wird. Da kann man seiner Fantasie tatsächlich mal freien Lauf lassen und vielleicht sogar ein richtig interessantes Eisenbahnnetz aufbauen. Den klassischen Modellbahnfan wird das sicherlich freuen, auch wenn er den Wirtschaftsteil noch als Extra oben drauf bekommt. Dass der Spieler dabei allerdings auch noch die Startparameter wie üblich frei festlegen kann, macht es besonders interessant. Zumal die Idee der prozentualen Berechnung der Map mittels Seeds sich einmal mehr als gute Idee herausstellt, wenn es darum geht, eine unbegrenzte Vielfalt an Maps bereitzustellen. Schade nur, dass dieses manchmal doch etwas zu sehr computergeneriert ausschauen.
Wie bei der echten Bahn
Ein weiterer spannender Aspekt dürfte für Eisenbahnfans übrigens die gute Mod-Fähigkeit sein. Gerade Spiele dieses Genres leben schließlich geradezu davon, dass andere Spieler und Hobbyentwickler eigene Objekte, Fahrzeuge oder Szenarien bauen, aus denen man dann seine eigene perfekte Eisenbahnwelt zusammenbastelt. Denn auch wenn die Lokomotiven und Waggons in passender DB-Lackierung größtenteils fehlen mögen, wird man in der Community schnell fündig und kann sogar den ICE, rote Doppelstockwagen oder gar die Berliner S-Bahn in das Spiel einfügen, um eine realitätsnahe Szenerie zu erschaffen. Entwickler und Publisher zeigen sich hierbei schon seit Jahren – und auch bereits beim Vorgängerspiel „Train Fever“ – als sehr offen und freundlich gegenüber der Moddingszene und schaffen die besten Voraussetzungen zur Erweiterung des Spiels. Das dürfte so manchem Genrefan also besonders gut gefallen.
Fazit:
Ein komplexe und spannende Wirtschaftssimulation in klassischer „Tycoon“-Manier, die mit zwei herausfordernden Kampagnen, einer langen Spielzeit und hoher Moddingfreundlichkeit überzeugen kann.