Kritik:
Inzwischen ist die grafisch vermutlich hübscheste Simulation auf dem gesamten Spielemarkt bereits seit einem Jahr erhältlich. Zu Beginn noch mit wenig Material auskommend, dürfen sich die Eisenbahnfans mittlerweile über ganze vier verfügbare Strecken freuen, die über den halben Globus führen: Ob Deutschland, Groß-Britannien oder bereits zum zweiten Mal in die Vereinigten Staaten.
Einmal um die Ecke
Die langjährigen Fans der Vorgängerspiels „Train Simulator“ werden die ein oder andere Route entlang des Northeast Corridors dabei vermutlich schon kennen. Wahlweise ging es dort schon vor Jahren von New York nach New Haven oder nach Philadelphia. Beide Strecken sind schließlich für den inzwischen in die Jahre gekommenen Vorgänger verfügbar und begeisterten ebenfalls mit einer Mischung aus Passagier- und Frachtverkehr. Bei Kennern dürfte die Enttäuschung aber zunächst recht groß sein: In der Variante für „Train Sim World“ kann der virtuelle Lokführer nämlich lediglich von New York Penn bis nach New Rochelle fahren – und bekommt damit eine Strecke geboten, die nicht einmal halb so lang ist, wie in den alten Versionen für den Train Simulator. Im direkten Vergleich entspricht das etwa der Strecke von Mönchengladbach nach Düsseldorf – nur, dass wir im „Northeast Corridor“ nicht einmal die Metropole New York verlassen.
Im Schneckentempo durch New York
Schade ist darüber hinaus natürlich auch, dass die neue Route mit einem ausgesprochen langsamen Abschnitt daher kommt. Denn während die Züge von Amtrak nach der Ausfahrt aus New York normalerweise damit beginnen, endlich zu beschleunigen, kommen wir in diesem Addon auf dem viel befahrenen Abschnitt lediglich auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 60 Meilen pro Stunde. Und das ist nun wirklich nicht gerade ein rasantes Fahrerlebnis, welches zudem auch nur für den Passagierverkehr gilt. In den Güterszenarien, die noch dazu wie aus dem alten Addon zur NRE 3GS-21B kopiert wirken, geht es meistens gar nur mit 10 bis 40 Meilen pro Stunde voran. Nicht verwunderlich wäre also, wenn der ein oder andere sich bei diesem Addon letztendlich also gelangweilt fühlt. Daran ändern auch die insgesamt sechs vorhandenen Szenarien nichts, von denen eines gar nur fehlerhaft spielbar ist. Die Signalschaltung müsste hier nämlich dringend überarbeitet werden.
Kein Acela in Sicht
Noch enttäuschender ist dann die Tatsache, dass auch das Rollmaterial längst nicht so umfangreich ausgefallen ist, dass man hier von einem realistischen Eisenbahnerlebnis sprechen könnte. Tatsächlich finden wir mit dem Amtrak ACS-64 und der CSX GP38-2 gerade einmal zwei Lokomotiven vor, die für gewöhnlich auf dieser Route unterwegs sind. Der Acela Express – für den die Strecke einst extra gebaut wurde – ist hingegen nicht Teil des Addons, um ihn dann – so mutmaßen wir jedenfalls – vermutlich später gesondert zu verkaufen. Bedenken wir dann, dass die GP38-2 praktisch 1:1 aus dem Hauptspiel übernommen wurde und es sich dabei nicht einmal um eine wirklich neue Lokomotive handelt, ist die Enttäuschung umso größer. Dafür entschädigt lediglich die hohe Vielfalt an abwechslungsreichen Güterwaggons, die zumindest die Zusammenstellung der Güterzüge glaubwürdig und realistisch erscheinen lässt.
Toilette für den Lokführer
Immerhin eines ist dem „Northeast Corridor“-Addon aber zumindest gelungen: Die Darstellung der vorhandenen, neuen Amtrak ACS-64 Lokomotive kann sich durchweg sehen lassen und macht einen überaus detaillierten Eindruck. Hier lässt sich nicht nur nahezu jeder Knopf bedienen, sondern selbst die beiden Displays im Führerstand sind vollständig bedienbar und verfügen über Live-Animationen. Noch dazu ist ein Betreten des Innenraumes der Lokomotive jederzeit möglich, sodass wir nicht nur zum Motorraum vordringen können, sondern zugleich sogar erfahren, dass die amerikanischen Lokomotiven offenbar über eine Toilette eigens für den Lokführer verfügen. Der eingefleischte Eisenbahnfan bekommt hier also immerhin einige spannende Details geboten, welche das Interesse an der ACS-64 auf Grund des technischen Aspekts steigern.
Wann wird denn endlich grün?
Bleibt also das Problem, dass der eigentlich beeindruckend aussehende „Train Sim World“ auch ein Jahr nach dem Release unter dem Strich noch immer nicht ausgereift ist. Im ersten Szenario etwa erkennen wir sehr gut, wie schlecht doch manches Mal die Signalanlagen funktionieren: So wird nicht immer registriert, ob die Strecke frei ist, das Signal schaltet sich nicht korrekt um und der Spieler steht folglich für immer und ewig an einem roten Signal. Oder aber einige mysteriöse Grafikfehler treten auf, die wir zuletzt bereits beim Addon „Great Western Express“ im Zusammenhang mit entgegenkommenden Zügen zu sehen bekamen und die ziemlich eindeutig am jeweiligen Strecken-Addon lagen. Warum also Dovetail Games auch beim inzwischen vierten Addon erneut dieselben Fehler einbaut, die es bereits früher einmal gab, bleibt ein absolutes Rätsel.
Skyline von New York
Eines muss man dem Addon aber definitiv lassen: Auf Grund der beeindruckenden Grafik des „Train Sim World“ kann natürlich auch die Kulisse von New York mehr als nur beeindrucken. Spätestens hier fällt der Unterschied zur damaligen alten „Train Simulator“-Route nämlich deutlich auf, wenn dicht besiedelte Häuserreihen den Hintergrund füllen oder spektakuläre Brücken über die Dächer der Stadt hinweg ragen. Und auch das Gleissystem macht einen insgesamt sehr komplexen Eindruck, wenn es etwa auf verschiedenen Höhen voran geht, originalgetreu nicht jedes Gleis mit Oberleitungen ausgestattet ist oder sich in der Nähe der großen Stationen plötzlich mehr als zehn Gleise gleichzeitig nebeneinander auftun. Somit ist auch „Northeast Corridor“ letztendlich also zumindest ein Augenschmaus für Eisenbahnfans. Mit Blick auf die „inneren Werte“ aber womöglich doch vorwiegend ein Grafikblender.
Fazit:
Trotz der beeindruckenden Darstellung der amerikanischen Metropole New York enttäuscht das neueste Addon „Northeast Corridor“ mit einer vergleichsweise geringen Streckenlänge, diversen Fehlern bei der Signalschaltung und einem fehlenden Acela Express.