Den Auftakt machte dabei Alienare, die inzwischen auch schon fast 10 Jahre hinter sich haben, obwohl Sänger Tim Schulschenk sicherlich noch nicht ganz diesen optischen Eindruck macht. Jugendlich geblieben bringen die mit ihrem mitreißenden Synthpop frischen Wind in die Gothicszene: Plötzlich sind neongrüne Krawatten und Mitmach-Aktionen an der Tagesordnung. Genau das aber braucht die Gothic-Szene, die gefühlt immer älter wird, vielleicht sogar: Die neuen, jüngeren Fans, die durch “Newcomer” und frische Ideen in die Szene gelockt werden. Dass die Fanbase längst beachtlich ist, durfte Alienare bei diesem Jubiläumsfest beweisen.
Mono Inc.-Sänger Martin Engler beim Jubiläumskonzert
Ihre Nachfolger Soulbound, die gleich im Anschluss die Bühne betraten, hatten zwar keinen ganz so weiten Weg, dafür aber ein echtes Kontrastprogramm im Gepäck. Die Bielefelder um Sänger Johannes Stecker waren wohl die einzige richtige Metal-Band an diesem Abend und lieferten im Vergleich zu “Alienare” ein regelrechtes Geschrei und Geschredder auf der Bühne ab. Das Publikum wusste das zu schätzen und fand schnell Gefallen an den härteren Gitarrenriffs. Selbst dann, wenn Stecker es sich nicht nehmen ließ, auf der Bühne auch ernsthaftere Themen anzusprechen und etwa über seine Erfahrungen mit Depressionen zu sprechen. Das sorgt dann zwar nicht ganz so sehr für Geburtstags-Partystimmung, gehört aber zum obligatorischen Inhalt der Band. Spannender war dann schon der Auftritt von Thomas Pukrop, der als Geiger mit seiner Band Mythemia auf Tour ist: Der versteckte sich mit seinen Rastas nämlich im Publikum, wurde von Stecker dann aber doch erwischt und durfte einen der Soulbound-Songs mitsingen. Da bekommen sogar die Bands kleine Fanboy-Momente.
Weiterhin hart dann bei der kroatischen Rockband Manntra, die extra den weiten Weg aus Kroatien auf sich genommen haben, um bei der Geburtstagsparty von Mono Inc. mit dabei zu sein. Die beiden Bands verbindet schließlich bereits eine längere Vergangenheit: Noch vor wenigen Jahren war Manntra nämlich als Support auf der Headliner-Tour von Mono Inc. mit am Start. Kein Wunder also, dass das Amphitheater Gelsenkirchen bei ihrem Auftritt zugleich die erste Gelegenheit hatte, die Flammenwerfer zu testen. “Manntra” heizten dem Publikum mit lodernden Flammen nämlich gewaltig ein und sorgten so für die richtige Stimmung.
Dass es sich um einen Abend der Kontraste handelte, wurde dann aber auch mit Eisfabrik ziemlich schnell erneut klar. Mit der Future Pop-Band kehrten die elektronischen Klänge zurück auf die Bühne. Vor allem aber konnte auch das Bühnenbild schnell Eindruck schinden: Rohre, roboterartige Stative und futuristische Arbeitspulte wurden auf die Bühne gestellt, um dem Namen der Band gerecht zu werden: Die Band nämlich stellt sich mit weißen Schnee-Overalls auf die Bühne, präsentiert ihre hübsche Fabrikeinrichtung und hat als einzige Band an diesem Jubiläumsabend sogar richtigen Kunstschnee zu bieten. Damit wurde der Auftritt schnell zu einer Besonderheit.
Alienare bei der Autogrammstunde
Wobei man dann auch schnell merkt, dass mit aufsteigender Bekanntheit der Bands, auch der Aufwand auf der Bühne immer mehr stieg. So gehört es schließlich auch bei Tanzwut, dessen Sänger “Teufel” stilecht mit zu Teufelshörnern hochgestylten Haaren die Bühne betritt, zum Konzept, mit optisch eindrucksvollen Gewandungen und Accessoires zu ihrem Auftritt zu erscheinen. Mit einer Lederweste im Endzeit-Look und rot-schwarzer Kampfbemalung sieht dann auch das Blasen der riesigen Hörner gleich wesentlich eindrucksvoller aus. Auch das Puppenspiel “Theatrum Diaboli”, mit dem Tanzwut nebenbei ebenfalls auf Puppentheater-Tour ist, darf bei einem der Songs natürlich auf der Bühne nicht fehlen. Puppentheater für Erwachsene, das von Teufel und Dämonen erzählt eben – und bei diesem Konzert auch einmal musikalisch umgesetzt wurde.
Die letzte Band vor dem großen Jubiläumsauftrtitt von Mono Inc. wirkte dann beinahe zahm: Diary of Dreams kamen eher melodisch daher, entsprechen dem “klassischen Goth” dann aber wohl am ehesten. Mit inzwischen mehr als dreißig Jahren Bühnenerfahrung sind die aber eigentlich sogar schon älter, als Mono Inc. selbst. Kein Wunder, dass sie in gewisser Weise auch als “zweiter Headliner” des Abends durchgingen und da auch gleich ein bisschen länger auf die Bühne durften, als ihre zahlreichen Vorbands.
Drumherum gab es unterdessen noch weitaus mehr zu sehen: Während die Bands auf der Bühne ihr Bestes gaben, standen andere gerade nicht auftretende Acts am Autogrammstand und gingen auf Tuchfühlung mit den Fans. Der ein oder andere Plausch durfte da natürlich nicht fehlen und wer seine Platten, CDs, Shirts oder was auch am Merchandise-Stand sonst so anlächelte, unterschrieben haben wollte, bekam reichlich Gelegenheit dazu. Daneben kam unterdessen allerdings auch richtiges Festival-Feeling auf, wenn The Black House die Fans mit leckerem Guiness versorgte, ein Fischstand und eine vegane Burgerbude die für köstliche Spezialitäten sorgte und sich die ein oder andere Besonderheit hinter den oberen Rängen des Amphitheaters auch noch auf das Gelände verirrt hatte. Da kamen bei manchem Fan sogar ein bisschen Erinnerungen an das Blackfield Festival auf, ein Gothic-Festival, das bis 2015 ebenfalls im Amphitheater stattfand und auf dem Mono Inc. natürlich auch mehrfach zu Gast war.
Soulbound wissen die Nebelmaschine zu nutzen
Nun aber gegen 20:45 Uhr das große Highlight des Abends: Mono Inc., auf die ihre Fans schon den ganzen Nachmittag gewartet hatten, betraten endlich die große Bühne des Amphitheaters in Gelsenkirchen und stellen schnell unter Beweis, warum das hier ihr Jubiläumskonzert ist und warum sie hier heute als Headliner auf der Bühne stehen. Mit dem eindrucksvollen Gesang von Sänger Martin Engler und den schlagfertigen Fähigkeiten von Katha Mia am Schlagzeug lieferten Mono Inc. hier ein Konzert, das eigentlich längst reif für die großen Arenen des Landes wäre. An der Stelle aber ohnehin eine Besonderheit: Mono Inc. gehören nämlich zu den wenigen Bands des Landes, bei denen eine weibliche Schlagzeugerin mit an Bord ist und mit ihren geschorenen Haaren auf ihrem erhöhten Podest gebührend präsentiert wird. Mit dem hübschen schwarzen Kleid und den riesigen Rabenflügeln wird sie fast schon zum Mittelpunkt des Konzertes, bei dem Martin Engler selbst schon beinahe bescheiden daher kommt. Dabei besteht für Bescheidenheit eigentlich gar kein Grund: Sowohl mit einem kleinen Coversong von Iggy Pop als Akustikeinlage, als auch im spektakulären Gesangs-Duett mit Katha weiß die Band hier hervorragend abzuliefern.
Ein bisschen schade vielleicht, dass man die Anwesenheit der vorherigen Acts nicht ganz so sehr genutzt hat. Das Jubiläumskonzert wäre immerhin die perfekte Gelegenheit für einen oder mehrere gemeinsame Auftritte mit den anderen Bands gewesen. Mono Incs größter Hit “Children of the dark” hätte sich da sicherlich angeboten, um die Sänger von Alienare, Tanzwut und weiteren für eine gemeinsame Gesangseinlage mit auf die Bühne zu holen. Nichts desto trotz: Die Fans dürfen an diesem Abend auch ohne eine solche Zusammenarbeit mit zufriedenen Gesichtern nach Hause gegangen sein.
Für eingefleischte Fans von Mono Inc. steht das nächste Highlight allerdings ohnehin schon in den Startlöchern: Im Frühjahr 2024 geht die Band nämlich auf große Symphonic Tour – so etwa am 19. April 2024 in Köln. Wer bisher noch nicht von den Gesangstalenten der Band überzeugt ist, wird es spätestens dann wohl mit Sicherheit sein. Tickets dafür gibt es bei Eventim und den üblichen Vorverkaufsstellen.
Thomas Pukrop, Geiger der Band Mythemia singt gemeinsam mit Soulbound