Kritik:
Die Angst vor einem möglichen Dritten Weltkrieg, der mit Atomwaffen die gesamte Erde unbewohnbar machen könnte, ist auch in der Realität nicht immer gänzlich von der Hand zu weisen. Basierend auf den Romanen von Dmitri Alexejewitsch Gluchowski erleben wir in „Metro Exodus“, dem nunmehr dritten Teil der Reihe, ein Szenario, in dem genau das eingetroffen ist: Das Überleben auf (oder unter) der Erde nach einem verheerenden Atomkrieg.
Spielerische Freiheit an der Oberfläche
Die Waffe im Anschlag und die Gasmaske mitsamt Filter stets bereit geht es nun also – nachdem wir in den Vorgängern vor allem in den Schlauchleveln der dunklen Metro unterwegs waren – endlich an die Oberfläche, wo wir auf frei begehbaren Karten gegen Monster und Menschen kämpfen und durchaus ein bisschen mehr Freiheiten haben, wie wir vorgehen möchten. Der Spielmechanik tut das in den meisten Fällen durchaus gut, haben wir dadurch immerhin die freie Wahl zwischen offensivem Kampf, defensivem Ausweichen und unentdecktem Vorgehen. In vier Kapiteln geht es dabei nicht nur an unterschiedliche, sehr abwechslungsreiche Orte, sondern wir bekommen als Spieler auch einen auflockernden Mix aus offener Welt und linearen Indoor-Leveln geboten, die sicherlich nichts für schwache Nerven sind.
(Manchmal) auch für Klaustrophobiker
Klar ist dabei allerdings auch: Ganz so gruselig wie noch die beiden Vorgänger ist „Metro Exodus“ dieses Mal nicht ausgefallen, zumal es gerade in den offenen Bereichen durchaus auch etwas heller, weniger beengend zu geht. Insgesamt hat der dritte Teil nun nicht mehr diesen stark beklemmenden Aspekt, den die Vorgänger noch hatten, als wir uns zwischen den engen Mauern der Moskauer Metro fortbewegen mussten, während an jeder Ecke ein Monster lauern konnte. Das ist vor allem für jene Spieler gut, die sich nicht ganz so gerne erschreckend und gruseln möchten. Unterdessen sollen wir auf solch starke Momente aber trotzdem nicht verzichten müssen, wenn uns „Metro Exodus“ etwa in von Monstern belagerte Eisenbahnhallen schickt, durch staubige Bunker voller Spinnen wandern lässt oder im ein oder anderen Moment sogar doch in eine neue Metro eintauchen lässt. Die Spieldynamik funktioniert dank dieser Mischung allerdings deutlich besser, ohne dass Fans der düsteren Momente auf ihre Lieblinsaspekte verzichten müssen.
Mehr Stealth außerhalb der Metro
Dass die Neuausrichtung des Spiels allerdings hervorragende Möglichkeiten mitbringt, bemerken wir dann spätestens im dritten Kapitel, wenn es in ein dschungelartiges Tal geht, wo ganz besondere Kreaturen auf uns warten. Wenn wir da durch die finstere Nacht laufen und von mutierten Riesenbären und zahlreichen Wölfen erschreckt werden, entwickelt „Metro Exodus“ eine besonders starke Atmosphäre, durch die das Spiel vielleicht jetzt schon zu einem der großen Highlights in diesem Jahr geworden sein dürfte. Eine gute Figur machen dabei aber auch die bewusst eingebauten Stealth-Einlagen, in denen wir auf beeindruckenden Baumhauskomplexen gegen einheimische Piraten kämpfen müssen und dabei deutliche Vorteile haben, wenn wir mit einer Armbrust bewaffnet, möglichst lautlos und unentdeckt vorgehen können. Gerade Stealth-Gamern schafft „Metro Exodus“ damit richtige Anreize, diese Vorgehensweise nahezulegen – auch wenn zu keinem Zeitpunkt ein echter Zwang besteht, unentdeckt statt frontal vorgehen zu müssen.
Taktische Planung
Damit das klappt bietet uns „Metro Exodus“ aber auch eine interessante Auswahl an Waffen, die wir zum Start eines jeden Kapitels an der Werkbank auswählen dürfen, wodurch das Spiel auch eine gewisse taktische Tiefe erhält. Werden wir eher auf aggressive Monster stoßen und müssen uns mit großen Geschützen verteidigen oder erwarten uns vorwiegend menschliche Gegner, die wir besser unentdeckt ausschalten, damit diese keinen Alarm auslösen können? Während etwa die Armbrust und das Luftdruckgewehr „Tihar“ ebenso lautlos ist, wie ein mit Schalldämpfer ausgestattetes Sturmgewehr, macht Schrotmunition mit ihrer Durchschlagkraft wiederum ziemlichen Lärm. Passende Modifikationen an den einzelnen Waffen sorgen unterdessen auch dafür, dass wir etwa das Sturmgewehr und andere Waffen immer wieder auf unsere individuellen Bedürfnisse anpassen können. Lieber ein Schalldämpfer oder doch ein langer Lauf für mehr Durchschlagskraft? Vielleicht auch lieber ein Nachtsichtvisier, um in der Dunkelheit sehen zu können oder kämpfen wir doch eher im Hellen und ziehen einen Vorteil durch einen roten Laser? „Metro Exodus“ gibt uns hier eine gewisse Entscheidungsfreiheit und nimmt den Spieler nicht an die Hand.
Hoher Realismus
Stattdessen setzt der Shooter lieber auf einen möglichst hohen Realismus, was sich auch dadurch auszeichnet, dass wir auf HUDs mit wichtigen Hinweisen gänzlich verzichten müssen. Hier findet sich weder ein Gesundheitsbalken, noch eine Minimap mit dem nächsten Zielort. Wer wissen möchte, wo er sein nächstes Missionsziel findet, muss dafür die Karte aus seinem Rucksack holen und sich ggf. die notierten Missionsziele manuell anschauen. Ein Kompass gibt dabei lediglich die grobe Richtung an, den Weg dorthin müssen wir jedoch stets selbst finden. Ähnliches gilt für die Strahlungsanzeige und den Luftfilter: Wann unsere Filter gewechselt werden muss, sehen wir etwa ebenfalls nicht durch ein HUD, sondern durch einen Timer an der Seite unseres linken Armes – wo sich schließlich ebenfalls ein Kompass und ein Geigerzähler befinden. Dadurch kommt schnell ein glaubwürdiges Gefühl auf, bei dem wir genauso agieren müssen, wie wir das in der Realität tun. Und genaus deshalb funktioniert „Metro Exodus“ als Shooter auch so ausgesprochen gut.
Survival ohne Nervfaktor
Interessant ist währenddessen, dass „Metro Exodus“ genau durch solche Gameplay-Inhalte ein paar Survival-Elemente erhält, dabei aber zu keinem Zeitpunkt den Spieler nervt. Per Crafting müssen wir an der Werkbank etwa Luftfilter und Medipaks zusammenbauen, unsere Waffen reinigen und Munition herstellen. Gerade durch die Luftfilter entsteht dabei jener Survival-Aspekt, denn sind die einmal vollständig aufgebraucht, wird unsere Spielfigur Artjom kurzerhand ersticken, sobald er sich außerhalb von atembarer Luft befindet. Wir müssen also immer daran denken, möglichst eine ausreichende Anzahl von Filtern dabei zu haben. Dafür verzichtet „Metro Exodus“ allerdings auf nervige Survival-Elemente wie Nahrung und Wasser, sodass wir nicht ständig nach Essen suchen müssen und folglich auch nicht mitten in einem Kampf Gefahr drohen zu verhungern. Bei unserem Test erschien uns dies als eine sehr gute Entscheidung für das Spieldesign, denn der Spieler verliert zu keinem Zeitpunkt den Fokus auf den Kernhandlung und den Shooter-Part.
Das Leben nach dem Fallout
Wasser – oder auch (alkoholische) Getränke – gibt es dafür bei den Interaktionsmöglichkeiten mit den NPCs, die mitunter eine wichtige Rolle in der Welt von „Metro Exodus“ spielen. Während wir also typisch russisch unseren Vodka mit unseren Kameraden trinken, schreitet auch die durchaus interessante Story immer weiter voran. Trotz des hohen Actionanteils steht dabei erstaunlicherweise der soziale Aspekt im Mittelpunkt – sowohl was die Gruppendynamik betrifft, als auch das Leben feindlicher NPCs. So treffen wir etwa auf religiöse Fanatiker, die Elektrizität für Dämonen halten ebenso, wie auf Kannibalen, die durch das Verspeisen von Menschen versuchen, die eigene Gruppe am Leben zu halten. Hin und wieder stellt „Metro Exodus“ also auch schwierige ethische Fragen, verurteilt dabei aber nur selten. „Wir sollten ihre Art zu Leben bewahren, so unsinnig sie uns auch erscheinen mag“, philosophiert Artjom schließlich über eine Gesellschaft, die es allen Widrigkeiten zum Trotz irgendwie geschafft hat, an der Oberfläche zu überleben und dabei schwere Entscheidungen treffen musste. Allerdings nichts desto trotz: Eine fast schon kitschige Lovestory darf nebenbei aber natürlich auch nicht fehlen.
Zu zweit in den Kampf
Spannend kann die Interaktion mit anderen Figuren allerdings auch dann werden, wenn wir nicht alleine in der gefährlichen Welt von „Metro Exodus“ unterwegs sind, was tatsächlich mehrfach im Spiel vorkommt. Vor allem beim Kampf zu zweit, wenn wir von einem NPC schlagkräftig unterstützt werden, sorgt der Shooter nicht nur für ein paar Verschnaufpausen, sondern hat auch wichtige Dialoge und Smalltalk zu bieten, die den Figuren eine gewisse Tiefe verleihen, für die die Reise mit unserer modifizierten Dampflok allein, die während der Kapitel auch als mobile Einsatzbasis dient, nicht ausreichen würde. Der Spieler wird es dabei aber vermutlich schon ahnen: Irgendwann ist es mit der Unterstützung aber auch einmal vorbei und das ist ja bekanntlich meist in den schwierigsten Situationen der Fall. Aber ein guter Soldat kommt schließlich auch alleine in einer gefährlichen Welt voller Monster zurecht – genügend Waffen hat er ja dabei.
Die Macht der Geräusche
So gut der Kampf mit befreundeten NPCs funktionieren mag, so geschickt agiert allerdings auch die KI der Gegner. Mitunter kann es also passieren, dass wir von mehreren Seiten attakiert und flankiert werden, was den Kampf vor allem in einem Gebäude mit mehreren Ebenen durchaus anspruchsvoll, wenn auch nicht zu schwer machen kann. Die KI reagiert auf unsere Handlungen nämlich recht intelligent, was sich vor allem den Stealth-Momenten auch gut macht: Leuchten wir etwa unbedarft mit unserer Taschenlampe durch die Gegend oder machen einfach zu viele Geräusche beim Spazieren durch die Gänge, kann es dann vor allem bei menschlichen Gegnern tatsächlich passieren, dass diese uns bemerken, angreifen und sogar Verstärkung rufen. Und wer dann den Spielstand nicht laden möchte, wird sich mit dem offenen Konflikt zufrieden geben müssen. Ein paar Aussetzer, bei denen ein Gegner aber trotzdem nicht auf uns reagiert oder etwa in irgendeiner Tür stehen bleibt, ohne sich zu wehren, können in seltenen Fällen aber leider trotzdem vorkommen. Zum Glück sind solche Bugs allerdings nicht in so großer Häufigkeit vertreten, dass sie die Qualität des Spiels wirklich störend könnten.
Ein Augenschmaus
Abgerundet wird die Qualität des Spiels dann letztendlich noch durch eine hervorragende Grafik und insgesamt gut klingende deutsche Synchronsprecher. Während die neueste Generation der Nvidia-Grafikkarten dann sogar die aktuelle Raytracing-Technik nutzen kann, sodass Beleuchtungseffekte in „Metro Exodus“ besonders eindrucksvoll in Szene gesetzt werden, macht das Spiel allerdings auch ohne Raytracing bereits einen hervorragenden Eindruck. Ob das gruselige „Leuchten“ des Mondes in der Nacht mit all seinen Reflektierungen am Boden oder die langsam verringernde Intensität unserer Taschenlampe – dieses Spiel ist hinsichtlich seiner Beleuchtung sowohl bei Innen- als auch Außenleveln ein echter Augenschmaus. Plastisch wirkende Objekte, ansprechende Gesichtsanimationen und beeindruckende Wettereffekte tun dann ihr Übriges, um ein auch in technischer Hinsicht herausragendes Spiel abzuliefern, sodass „Metro Exodus“ seinen Vorgängern qualitativ in nichts nachsteht.
Fazit:
Die Auflockerung durch Außenlevels, die neuen taktischen Möglichkeiten und das freie Vorgehen sorgt für frischen Wind im „Metro“-Franchise. Unterdessen punktet „Metro Exodus“ aber weiterhin mit einer extrem dichten, düsteren Atmosphäre, einer technisch herausragenden Umsetzung und einen hohen Spannungsbogen. Vielleicht jetzt schon das Spiel des Jahres.