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    Life is strange

    Das Leben ist schon irgendwie seltsam, vor allem wenn man ein Eigenbrödler mit ganz speziellen Interessen ist. Die süße Maxine Caulfield kommt nach langer Zeit zurück an ihr Internat, das sich speziell auf die Förderung von Fotografie-Studenten spezialisiert hat. Ihr zugegebenermaßen ziemlich schräges Hobby: Das Schießen von Selfies mit einer täglich festgelegten Quote, um die gesamte Wand ihres Zimmers mit etlichen Polaroid-Fotos zu verschönern. Gerade weil sie ein recht zurückgezogener und ruhiger Mensch ist, hat sie allerdings nur einige wenige, dafür richtig gute Freunde. Kurz nach einem seltsamen Traum, verspürt sie das dringende Bedürfnis, die Schultoilette aufzusuchen und beobachtet eine schreckliche Tat. Eine ihrer Freundinnen würde dort von einem Mitschüler mit einer Pistole erschossen und stirbt noch vor Ort. Beim verzweifelten Versuch die Tat zu verhindern, macht sie eine alles verändernde Entdeckung: Sie ist in der Lage, einige Minuten in der Zeit zurückzureisen und kann den grausamen Mord verhindern. Von nun an wird sie ihre Gabe deutlich häufiger verwenden und zu ihrem eigenen Vorteil nutzen. Dumm nur, dass sie nicht weiß, wem sie sich in dieser Sache anvertrauen kann. Und dann wären da noch die düsteren Visionen, die ein schreckliches Ereignis in der nahen Zukunft voraussagen…

    Kritik:
    Menschen machen Fehler. Das gehört zum natürlichen Lauf der Dinge. Doch die meisten Menschen haben sich mindestens einmal in ihrem Leben gefragt: Was wäre wenn? Was wäre, wenn man die begangenen Fehler rückgängig machen kann, den Verlauf von Diskussionen und Ereignissen verändern, oder einfach nur eine schlechte Antwort in der Schule noch einmal mit der richtigen Antwort wiederholen könnte. Genau das kann die süße Max – und genau darin liegt der Grund, warum „Life is Strange“ dem Marktführer in Sachen Episodengames ordentlich Konkurrenz machen kann.

    Life is strange

    Zurück in die Vergangenheit
    Square Enix macht dabei etwas grundlegend anders, als die Konkurrenz von Telltale Games: Man setzt hier überhaupt nicht auf Action, etliche Videos oder gar Quicktime-Events. „Life isstrange“ enthält für das Episodengenre überraschend viel Spiel. Wir dürfen uns also völlig frei aus Verfolgerperspektive durch die jeweiligen Abschnitte der Welt bewegen, die vielen liebevoll eingefügten Gegenstände durchsuchen und in einer lebendigen Welt interagieren. Dabei bringt man ein besonders innovatives Feature ein: Die Reise in der Zeit. Durch Heben ihres Armes, bzw. durch einen Klick auf die rechte Maustaste, können wir nämlich jederzeit für einige Minuten in der Zeit zurückreisen und ein bereits geschehenes Ereignis rückgängig machen, es auf andere Weise wiederholen und beeinflussen. Und das, wann immer wir wollen und so oft wir wollen. Die weibliche Hauptfigur Max hat also die Möglichkeit, das „was wäre wenn?“ tatsächlich herauszufinden. Man kann sich beliebig oft jede der möglichen Ausgänge und Entscheidungen anschauen und dann entscheiden, welches Ergebnis uns am besten gefällt, ehe wir die Story fortsetzen. Doch die Entscheidung ist nicht immer leicht, denn manchmal führt keine der Optionen zu einem guten Ende. Manchmal müssen wir uns sogar zwischen unserem Vorteil und dem Vorteil einer Freundin unterscheiden – doch wie wichtig sind uns die anderen Charaktere? Dass diese uns allerdings sehr ans Herz wachsen, macht die Entscheidung nicht gerade einfacher.

    Life is strange

    Charakter – nicht nur im Kopf
    Das liegt übrigens auch daran, dass „Life isstrange“ wirklich eine ausgesprochen große Detailverliebtheit an den Tag legt. Das komplette Design der Welt verleiht den Figuren nämlich echten Charakter, gibt ihnen einen Einblick ins Innere und macht deutlich, warum sie zu dem geworden sind, was sie sind. Das fängt bereits damit an, dass die Zimmer der Mädchen fast so aussehen, wie im echten Leben und keineswegs sterile langweilige Räume sind. An der Einrichtung erkennen wir die Interessen und Hobbies, an den Details sogar die Probleme und Sorgen. Man könnte sagen: Wir fühlen uns wohl, würden am liebsten sofort hier einziehen. Da hängen unzählige von Fotos an der Wand, die Max‘ Vorliebe für Selfies mehr als verdeutlichen und der süße Teddy auf dem Bett lädt zum Verweilen ein. Das Faible für Musik wird anhand der Gitarre deutlich, die wir auch gern einmal selbst spielen können und die Schallplatten an der Wand sorgen für den individuellen Touch. Daneben: Geburtstagskarten und Notizen, die klar machen, dass Max in gewisser Weise doch ein einsames Mädchen ist. Dasselbe bei den Freundinnen: Ob herumliegender Schwangerschaftstest, totales Chaos oder auch eine amerikanische Nationalflagge, weil der Stiefvater ein Kriegsveteran ist – das Raumdesign hat echten Charakter! Diese Liebe fürs Detail ist kurz gesagt einfach extrem vorbildlich.

    Life is strange

    Polygone zum Verlieben
    Es sind aber auch die gut ausgearbeiteten Charaktere aller Figuren, die uns schnell ans Herz wachsen. Ob rebellische Punkfreundin, zickige Zimmernachbarin oder zurückgezogener Büchernerd, den kaum jemand beachtet: Man fühlt sich, wie auf einer echten Schule, wenn man durch die Flure mit den typisch amerikanischen Spinden schleicht und bekommt schnell das Gefühl, die anderen Figuren seien uns wichtig. Etwa dann, wenn sie uns von ihren Problemen erzählen oder aber, wenn wir gerade durch die Zeitreisen, durch das „was wäre wenn?“ von ihren Sorgen erfahren, ohne dass sie es je mitbekommen werden. Das gibt der Hauptprotagonistin Max nämlich einen viel tieferen Einblick in die Charaktere, als es eine normale Erzählweise überhaupt könnte. Noch dazu liefert uns Max selbst dann auch noch die perfekte Identifikationsfigur für jeden Gamer: Ein bisschen schüchtern und nerdy, mit einem großen Interesse an Fotografie und vielleicht mit dem süßesten Look, den wir in einem Spiel je gesehen haben. Die Kombination aus all dem lässt „Life isstrange“ ziemlich stimmungsvoll erscheinen. Hier passt einfach irgendwie alles zusammen – und das gefällt uns auf Anhieb, denn der Einstieg in das Spiel ist ein besonders leichter. Keine zehn Minuten sind wir im Spiel und haben Max schon liebgewonnen.

    Life is strange

    Es lebt und gedeiht
    Das Drumherum passt dann ebenso, denn die Welt wirkt auch abseits der Charaktere ziemlich lebendig. Draußen auf dem Schulhof treffen wir hier mal ein Eichhörnchen und da mal einen Vogel. Im Hintergrund erscheinen die bewaldeten Berge fast schon malerisch, als wären wir mitten in einem Gemälde. Der Dreck und die Toilettenpapierrollen geben uns dann aber gleich wieder das Feeling zurück, eben doch in einer Schule zu sein. Da, wo der Feind doch nur ein paar dumme draufgängerische Teenager sind und wo das Leben eben kein Ponyhof ist. In der ersten von insgesamt fünf Episoden können wir dann also innerhalb von zwei Stunden erleben, wie Max ein bahnbrechendes Erlebnis hat, das ihr gesamtes Leben auf Dauer verändern wird. Und eines garantieren wir: Wenn diese erste Episode ihr Ende findet, können wir es gar nicht mehr abwarten, bis im März endlich die Fortsetzung auf Steam erscheint – denn unbedingt wollen wir wissen, wie die Geschichte weiter geht. Da ist es fast schon schade, dass es sich um ein Episodengame handelt und nicht um ein umfangreiches Open World-Erlebnis. Vielleicht aber auch gut so, denn eine größere Welt hätte kaum einen solchen Detailgrad ermöglicht.

    Life is strange

    Fokus für die Augen
    Technisch kann man an „Life is strange“ übrigens nichts aussetzen. Man erreicht zwar sicherlich keine Referenzgrafik, wie es aktuelle Vollpreistitel tun, doch im Vergleich zu anderen Episodenspielen kann man sich sehr gut sehen lassen. Selbst das aktuelle „Game of Thrones“ von Telltale Games, das mit einem ähnlichen Spielprinzip, aber weniger innovativen Features daher kommt, kann grafisch locker übertroffen werden. Der Comiclook sorgt dann außerdem sowohl in den Schulfluren, als auch im Wald einen besonders stimmungsvollen Eindruck, während die gelungenen Lichteffekte insbesondere beim Sonnenuntergang dann für eine ganz spezielle Atmosphäre sorgen. „Life isstrange“ hat damit durchaus etwas Mystisches und eben – wie der Titel schon sagt – Seltsames, macht aber gerade deshalb viel Laune. Gewöhnungsbedürftig ist allerdingsder Fokuseffekt, der an den linken und rechten Bildschirmrändern eine kleine Unschärfe erzeugt, ganz so als würde man durch ein altes Kameraobjektiv schauen. Das passt aber vermutlich gut zu Max‘ Sicht auf das Leben. Immer durch den Sucher, als würde man das „Real Life“ ganz und gar nicht mögen, wie sie in so manchen Kommentaren durchaus deutlich macht.

    Fazit:
    „Life isstrange“ bringt Innovation ins Episodenspiel-Genre und macht damit Telltale ordentlich Konkurrenz: Das Zeitreise-Feature sorgt für Motivation und Experimentierfreude, während die Charaktere uns ganz ohne Quicktime-Events schnell ans Herz wachsen. Da kann man die nächste Episode gar nicht mehr abwarten.

    Life is strange Wertung