Wie sind Sie auf die Idee zu Silent Control gekommen?
Die Finanzkrise, die Psychologie ihrer Verursacher, ihr unseliger Einfluss auf die Politik, die Occupy-Bewegung, Anonymous und die digitale Aufrüstung der westlichen Staaten – das alles sind Entwicklungen die mehr als besorgniserregend sind. Daraus lässt sich natürlich ein Thriller mit sehr starken realen Bezügen schreiben. In der Tat treten die Behörden den Bürgerrechten immer mehr ins Gesicht und den wenigsten Menschen ist das totalitäre Potenzial des digitalen Zeitalters bewusst. Was geschieht aber, wenn die „marktkonforme Demokratie“ endgültig scheitert und Millionen friedliche Menschen auf der Straße stehen und das System von innen bedrohen? Ich erinnere mich, wie unlängst Joe McNamee, der Vorsitzende der executive of civil rights organisation (EDRI), sich gegenüber dem britischen Telegraph zu den Plänen der westlichen Demokratien mit den Worten äußerte: „Unterdrückerische Regierungen lachen sich kaputt, wenn die EU das nächste Mal Vorträge über Meinungsfreiheit im Internet hält.”
Was hat Sie bewogen, das Genre des Thrillers für das Thema zu wählen?
Es war sehr reizvoll, mit Mitteln des fiktionalen Erzählens eigene Erlebnisse und Kenntnisse in die verschiedenen Charaktere im Roman einfließenzulassen.. Außerdem empfand ich es als Herausforderung, die Themen und die Bewegungen unserer Zeit, Occupy, Wirtschafts- und Finanzkrise, der Streit um die Hoheit im Internet etwas in die Zukunft zu deuten, einfach das Konglomerat diverser Szenarien einmal konsequent zu Ende zu denken. Dieses ganze Thema ist für mich wie ein realer Thriller. Gereizt hat mich auch die Lust am Erzählen, die realen Möglichkeiten der neuen Überwachungstechnologien einen Helden, in diesem Fall Torben Arnström, erleben zu lassen
Der Roman liest sich wie Science Fiction, die in naher Zukunft real werden könnte. Kann es das?
Es ist längst real. Allein der Start des Utah Data Center im September 2013 durch die National Security Agency (NSA) ist eine Katastrophe, die von der breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt durchgezogen wird, natürlich immer noch unter dem Vorwand, gegen den internationalen Terrorismus zu kämpfen. Es ist so, als würden sie jeden Morgen Ihre intimste Post öffnen und vor dem Haus in einem Glaskasten aushängen. Das mag konformen braven Bürgern vielleicht egal sein, aber was, wenn der zivile Ungehorsam zwingend notwendig wird und der Staat ihn dank seiner Technologien jederzeit im Sinne der Nationalen Sicherheit unterbinden kann? Mehr noch, ihn sogar manipulieren kann? Indect, Recorded Future und andere unheilvolle Konzepte zur Regulierung des Internets und der Überwachung des öffentlichen Raumes laufen längst, auch in Europa. Was vom Gesetzgeber noch nicht genehmigt wurde, läuft zumeist illegal im Hintergrund, sammelt Daten, und wenn es legalisiert wird, steht es Spionen zur freien Verfügung. Es ist zutiefst naiv, etwas anderes zu glauben.
Wie und wo haben Sie recherchiert?
Zum einem natürlich im Netz selber, solange das noch möglich ist. Aber es sind auch ganz übliche Quellen wie Der Spiegel, Die Zeit, Wired, Times oder andere relativ gut recherchierende Quellen. Als Journalist und Politikwissenschaftler habe ich aber auf die eigene Recherche vertraut und zwischen Fakten und Verschwörungstheorien unterschieden. Folge dem Geld und den Interessen, und du kommst an die Fakten … Die wichtigsten Quellen waren Hacker und Aktivisten. Für das Entwickeln des Plots war aber meine Freundschaft zu dem ehemaligen CIA-Agenten Philip Agee unerlässlich, der auch nach seinem Tod als einer der größten Hochverräter der USA gilt. Durch ihn hatte ich Zugang zu ungewöhnlichen Quellen und konnte mich in die Gedankenwelt einer schwer fassbaren Elite hineindenken, die sicher zutiefst verunsichert und mitunter paranoid ist, aber genauso entschlossen, ihre Macht- und Geldquellen zu erhalten.
Seit wann verfolgen Sie die Internetthemen und die Anonymus Bewegung? Hat Anonymus Sie in Ihrem Vorhaben, einen Roman über das Thema „Wirkmacht Internet“ zu schreiben, bestärkt?
Allein die Frage, ob Anonymous nicht eine False Flag Aktion des FBI oder der CIA ist, war verlockend. Zuletzt war es sogar Julian Assange, der sich in dieser Hinsicht äußerte. Anonymous war sicher ein zusätzlicher Auslöser, aber ich beobachte die politischen Aspekte des Internets, seit ich vor zehn Jahren bei Deutschlands Internetmagazin Tomorrow als Redakteur gearbeitet habe. Inzwischen gibt es das Magazin nicht mehr, es wurde überflüssig, so wie viele andere Geschäftsmodelle aus der Zeit offline sind. Aber erst die letzten Jahre, die Möglichkeiten der Hacker, der Ausbruch des Cyberwars zwischen Staaten und die Dimension der Spionage haben alle Bälle früherer Erfahrungen meines Berufs zu einem möglichen und erschreckenden Bild zusammengefügt. Dazu gehört auch, dass sich die Behörden längst mit ihren Auswertungsmaschinen an Google oder Facebook gehängt haben. Die Wirkmacht des Internets kann in beide Richtungen ausschlagen und die Anonymous haben keinen Grund, sich sicher zu fühlen.. Sie lassen in Ihrem Roman den CIA-Chef ein ungeheuerliches Überwachungsprogramm entwickeln, mit dem alles kontrolliert werden kann – Demonstrationen, Hacker, Aufstände. Gibt es Mindvision wirklich? Sicher! Es trägt nur einen anderen Namen. Es gibt schon seit Jahren die Möglichkeit, mithilfe der differenziellen Psychologie aus den hinterlassenen Daten im Netz, dem Surfverhalten und allen anderen digitalen Spuren aus der Vergangenheit und Gegenwart eines Menschen auf sein zukünftiges Verhalten zu schließen. Die Kooperation zwischen CIA und Google, Namens Recorded Future, ist nur ein Kinderspiel gegen das, was machbar ist. Was derzeit geschieht, ist der Zusammenschluss von immer mehr Rechen- und Auswertungspower der Geheimdienste. Die Büchse der Pandora, der totale Überwachungsstaat, ist technisch umgesetzt und gesetzlich unreguliert. Daraus lassen sich beängstigende Optionen ableiten, die es den Behörden erlauben könnten, präventiv wie eine Art Gedankenpolizei vorzugehen. Es geht um das Machbare, denn die Geschichte der Menschheit beweist: Was möglich ist, wird auch angewandt, das darf keiner vergessen, der dieses Thema vielleicht zunächst als unbedeutend betrachtet.
Wie haben Sie Ihre Figuren gefunden? Zum Beispiel Peter oder Clark? Wie haben Sie ihnen eine Gestalt gegeben?
Die Figur des Peter Norris habe ich zum Teil aus der Persönlichkeit des ehemaligen CIA Agenten Philip Agee abgeleitet, mit dem ich fast 15 Jahre bis zu seinem Tod in Kuba befreundet war und der mir gleichzeitig ein Gefühl dafür gegeben hat, wie die Gestalt eines Bosses der CIA ticken muss, erst recht in dieser typischen Rolle des Superpatrioten und Hardliners. Torben Arnström ist ein Bekannter von mir, dem ich es jederzeit zutraue, dass er sich in so eine Geschichte stürzen könnte, etwas naiv, aber voller Idealismus. Auch die Charaktere seiner Freunde Nova und Kilian sind teilweise aus meinem realen Freundeskreis abgeleitet. Nebenfiguren wie den unausstehlichen Bankenlobbyisten Lou Strieber lagen bei diesem Plot einfach auf der Hand. Es war faszinierend sich in diese Charaktere zu versetzen.
Über den Interviewpartner:
Thore D. Hansen (geb. 1969), diplomierter Soziologe und Politikwissenschaftler, arbeitete erfolgreich als Journalist und Kommunikationsberater und für internationale NGOs. Die Finanzkrise erlebte er als Berater von drei der größten Banken Europas in den Jahren 2003 bis 2010 teilweise im direkten Kontakt mit ihren Verursachern. Heute ist er freier Autor und setzt sich vornehmlich mit den ungeklärten und geheimen Aspekten von Kultur- und Zeitgeschichte auseinander, um diese belletristisch zu verarbeiten.
Review zu seinem Thriller: Silent Control