Kritik:
Auf einschlägigen Foren und Webseiten wird das Indie-Adventure „The Stanley Parable“ längst als ein einzigartiges Meisterwerk gefeiert, das mit einem völlig neuen experimentellen Spielkonzept aufwartet. Einst als Mod für „Half Life 2“ entwickelt, gibt es nun schließlich eine eigenständig lauffähige Version mit verbesserter Grafik. Dennoch sind wir uns immer noch nicht im Klaren darüber, ob dieses Spiel denn überhaupt ein Spiel ist. Klassische Spielelemente fehlen quasi völlig, sodass wir – bis auf wenige Ausnahmen – überhaupt nicht interagieren können, auch irgendwie keine richtige Figur steuern und erst recht kein wirkliches Ziel haben. Dieses Adventure lebt stattdessen von seiner Erzählung, die allerdings ziemlich schnell verwirren dürfte.
Wahl haben und doch nicht die Wahl haben
Wir starten im Büro von Stanley, von dem aus er sich auf eine spannende Erkundungstour durch die Gänge des Gebäudes macht. Eine Stimme aus dem Off kommentiert unsere Handlungen und schreibt uns genauestens vor, was wir als nächstes tun sollen. Daran halten müssen wir uns allerdings nicht, etwa dann, wenn wir zwischen zwei verschiedenen Türen wählen können und der Sprecher uns doch zu einer ganz bestimmten rät. Die Entscheidungen haben letztendlich genauere Auswirkungen auf unseren weiteren Spielverlauf und bieten uns schon bald unterschiedliche Enden an. Und das, obwohl „The Stanley Parable“ irgendwie gar kein Ende hat, denn nach jedem Ende beginnen wir wieder von vorne – und stellen fest, dass sich alles irgendwie verändert hat und uns das Spiel an der Nase herum führt. Wir treffen Entscheidungen, obwohl wir am Ende doch gar keine Entscheidungen haben.
Vom Spiel verarscht
Das stellen wir auch dann fest, wenn wir ganz klar zu gewissen Handlungen aufgefordert werden und dann doch gar nicht die Wahl haben, diese auch auszuführen. Etwa, wenn der Sprecher uns eine Tür vor der Nase zu knallt, kurz bevor wir sie betreten können. „The Stanley Parable“ verarscht den Spieler also regelmäßig auf ganzer Linie und führt uns prompt an der Nase herum. Aufforderungen können nicht nachgekommen werden, vermeintliche Wahlen sind eigentlich keine und so richtig Sinn macht das hier alles sowieso nicht. Für das Erreichen eines Achievements, bei dem wir fünf Mal an eine Tür klopfen sollen, müssen wir in Wirklichkeit gänzlich andere Dinge erledigen und werden völlig wild durch die Gänge hin und her geschickt. Der Sprecher ist natürlich höchst amüsiert, was den besonderen Humor des Entwicklers Davey Wreden nur allzu deutlich macht.
Humorvolle Reaktionen
Die eigentliche Handlung des Spiels, das vermeintliche Finden der Kollegen, ist dabei nur ein Aufhänger, um den Spieler zum Fortbewegen zu animieren und dient lediglich als Mittel zum Zweck. In erster Linie lebt „The Stanley Parable“ nämlich von den humorvollen Kommentaren des Sprechers, die ein wenig an die Figur aus „Portal“ erinnert. Jegliche Handlung, Reaktion und Entscheidung wird vom Sprecher kommentiert – gemäß seines Gefallens an unserer Handlung. Entscheiden wir uns für den Weg, den der Sprecher uns vorschlägt, so ist er doch stets erfreut und hat einige witzige Überraschungen zu bieten. Entscheiden wir uns jedoch falsch, noch dazu gehäuft, ist er sichtlich genervt von unseren eigenen Entscheidungen. Doch er merkt sich auch, wenn wir unsere Handlungen schon einmal durchgeführt haben und reagiert dementsprechend bei unserem zweiten Vorgang anders. Gleichzeitig ist „The Stanley Parable“ allerdings das erste Spiel, welches uns mit New Age-Musik bestraft, weil wir schneller interagieren, als der Sprecher dies vorsieht. Überaus komisch.
Physikalische Sinnlosigkeit
Faszinierend wird „The Stanley Parable“ darüber hinaus deshalb, weil es scheinbar gar kein richtiges Ende gibt. Die Handlungen laufen immer wieder in Endlosschleife mit einigen abweichenden Details, denn Stanley scheint doch möglicherweise in dieser Welt gefangen zu sein. Das wird uns spätestens dann klar, wenn das Spiel sich nicht mehr an physikalische Gesetze hält und uns durch die Gänge im Kreis laufen lässt – was völlig unmöglich ist, weil wir eigentlich irgendwann gegen eine Wand laufen müssten. Je länger das Abenteuer also dauert, desto verwirrter schauen wir auf den Bildschirm und desto weniger scheinen wir wirklich zu verstehen. Dafür müssen wir allerdings auch feststellen, dass das Indie-Game insgesamt mit knapp zwei Stunden Spielzeit etwas sehr kurz geraten ist – wobei wir uns auch jetzt noch nicht im Klaren darüber sind, ob wir das Ende tatsächlich schon erreicht haben.
Fazit:
Ein experimentelles Indie-Game, das uns ohne klassische Spielelemente auf eine kurze faszinierende Reise ohne Ende und ohne Sinn schickt. Genial, aber verwirrend.