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  • Game-Review: Spec Ops – The Line

    Spec Ops - The Line Cover

    Eine Stadt, die es eigentlich gar nicht geben dürfte: Noch vor einigen Jahren war die Wüste Dubais fast völlig unbewohnt, doch heute stehen dort riesige Wolkenkratzer mit einst über einer Millionen Einwohnern. Doch nun ist es bereits sechs Monate her, seit die Stadt von einem verheerenden Sandsturm verwüstet und die meisten Gebäude im tiefen Sand begraben wurden. Die meisten Menschen kamen ums Leben und vom Us-Evakuierungstrupp fehlt jede Spur – bis plötzlich ein geheimnisvolles Funksignal aus Dubai empfangen wird, das Aufschluss über den Verbleib der Soldaten gibt. Das Team der Delta Force wird prompt in die fast vollständig vergrabene Stadt geschickt und soll die Situation aufklären. Die Mission klingt einfach: Überlebende finden und evakuieren. Dumm nur, dass sie schon bald auf eine Verschwörung unter den eigenen Reihen stoßen…

    Kritik:
    Sie ist surreal und unverbraucht zugleich: Die Wüstenstadt Dubai, in der heute etwa 1,8 Millionen Einwohner bei glühend heißen dauerhaften 40°C leben und trotz allen Widrigkeiten gigantische Wolkenkratzer auf purem Sand errichtet haben. Doch es ist ein Endzeitszenario, welches wir so in einem Videospiel noch nie erlebt haben, denn die klimatischen Bedingungen Dubais sind selbst für den eingefleischten Ego-Shooter-Veteranen eine gänzlich neue Herausforderung. Noch dazu, weil „Spec Ops: The Line“ keine Helden zeigt, sondern schlicht die düstere Seite des Krieges.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Kein Gegner in Sicht
    Bereits optisch macht das Spiel dabei einen hervorragenden Eindruck. Nicht, weil die Grafik, wenngleich sie sehr hübsch anzusehen ist, Referenzqualitäten zu bieten hat, sondern wegen ihrer außergewöhnlichen Ästhetik und der sehr faszinierenden Kulisse. Wir sehen eine Stadt, voll mit Wolkenkratzern, die oft nur noch teilweise aus dem Sand herausragen – eine so hypermoderne Stadt, die schlicht und einfach zerstört und begraben wurde. „Spec Ops“ lebt nicht von ständigen Szene- und Ortswechseln, sondern davon sich intensiv mit eben diese Setting zu beschäftigen und uns damit eine ganz unverbrauchte, nie da gewesene Welt zu zeigen. Doch dabei gelingt es dem Spiel, diese Elemente gut auszunutzen, denn besonders der Sand bietet auch aus taktischer Sicht eine interessante Herausforderung. Im Kampf gegen Sandstürme zählen somit nicht nur die Gegner als unsere größten Feinde, sondern auch die schwierigen Sichtverhältnisse, die es uns unmöglich machen, uns längere Zeit im Sturm aufzuhalten, gleichzeitig aber auch Fluchtmöglichkeiten und strategische Vorteile bieten. Ebenso kann die Umgebung intelligent verwendet werden, indem Gegner schlicht mit Sand überschüttet und damit außer Gefecht gesetzt werden. Das hat es so definitiv noch nicht gegeben.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Kein Held
    Dabei unterscheidet sich „Spec Ops“ auch sehr deutlich von üblichen Shootern. Trotz Perspektive eines US-Soldaten gibt es hier keinen Helden, der für sein Vaterland kämpft und Stolz auf seine Taten ist. Hier gibt es keinen „Call of Duty“-Verschnitt, der mit Brachialaction und übertriebenen Effekten einen spielbaren Hollywoodfilm inszenieren will. Stattdessen zweifelt der Hauptcharakter an der Richtigkeit seines Handels, erlebt an allen Ecken heftigste Gräueltaten mit. Sind es wirklich die eigenen Leute, die auf der richtigen Seite stehen, oder machen diese in Wirklichkeit Jagd auf die Bevölkerung Dubais, um eine eigene neue Form der Ausbeutung voran zu bringen? Ist es richtig, zweifelhafte Gewalt gegen Unschuldige auszuüben, nur um ein paar US-Soldaten zu retten? „Spec Ops“ ist dabei immer wieder mit interessanten und spannenden Schlüsselszenen gespickt, die uns die negativen Seiten des Krieges näher bringen. Mal muss der Spieler zwischen zwei Menschen entscheiden, die exekutiert werden sollen, um sein eigenes Leben zu retten. Ein anderes Mal findet er grausam verbrannte Familien vor, dessen entstellte Leichen noch die eigenen Kinder im Arm halten. Der Einsatz von Bomben mit weißem Phosphor wird ebenso zum Spielkonzept, wie das bewusste und gezielte Schießen auf Zivilisten – alles zum Zwecke der Ausarbeitung des psychologischen Profils des Protagonisten, der früher oder später mit seinen Erlebnissen nicht mehr zurecht kommt. Das ist ein Anti-Kriegsshooter erster Klasse, der es durchaus in sich hat.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Nicht ganz so ungewöhnlich
    Zwischen diesen Schlüsselszenen verkommt der Shooter allerdings desöfteren zu gewöhnlicher Shooter-Kost mit langatmigen und altbekannten Schießereien. Konflikte mit zahlenmäßig überlegenden Gegnern, die mit brutaler Waffengewalt niedergemetzelt werden, gehören da zur Tagesordnung und erinnern dann schon leider oft an andere Shooter. Hier fehlt gelegentlich das Alleinstellungsmerkmal und da Gräueltaten zu selten gezeigt werden, entwickelt „Spec Ops“ auch nicht die Intensität, die wir uns wünschen würden. Dennoch bieten die Einsätze genügend Abwechslung, da einstürzende Häuser, schwierige Umweltbedingungen, Amokläufe und psychische Probleme für aufregende Momente sorgen. Die gewöhnliche Shooter-Action verkommt allerdings auch nicht zu einer minderwertigen Schießerei, sondern ist aus Sicht des Gameplays gelungen inszeniert. Die Steuerung zeigt sich präzise, die Waffenauswahl ausreichend und praktikabel, die Intelligenz der KI-Gegner darüber hinaus meist überdurchschnittlich hoch. Feinde nutzen also jegliche Deckungen, bleiben in Bewegung und greifen uns von allen Seiten an. Hier ist oft taktisches Vorgehen gefragt, um selbst am Leben zu bleiben.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Kein einsamer Tod
    Aus Sicht der Charakterzeichnungen bleibt „Spec Ops“ allerdings auch interessant, da wir fast niemals allein unterwegs sind. Zwei unserer Begleiter stehen uns stets zur Seite und zeigen sich oft auch hilfreich im Kampf. Hier bieten sich häufig Möglichkeiten, sich subjektiv anzufreunden, aber auch gleichzeitig die auf psychischen Problemen basierenden Konflikte mitzuerleben. Denn auch bei den Kameraden kommen schon bald ernsthafte Zweifel an der Mission auf. Schade ist allerdings, dass der Shooter die taktischen Möglichkeiten nicht annähernd ausnutzt. Als einzige Befehle bieten sich somit nur das Angreifen von Feinden und das Werfen von Blendgranaten an, wobei letzteres auch nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht nach eigenem Ermessen befohlen werden kann. Das ist schade, würden wir unsere Männer doch gern öfter ein wenig rumkommandieren und ihnen ausführlichere Befehle geben, um selbst taktisch agieren zu können. Hier gab es also weit mehr Potential, welches leider nicht genutzt wurde. Doch man sollte bedenken, im Grunde will das Spiel auch gar kein Taktik-Shooter sein.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Krieg mit Humor?
    Dass die Macher bei Yager allerdings auch einen irgendwie schrägen und makabren schwarzen Humor haben, erfahren wir insbesondere zu Beginn des Spiels oft. Als einziger Kontakt bietet sich somit ein Radiosender an, dessen Moderator uns offenbar mit Kameras überall in der Stadt beobachtet und versucht uns mittels Funkübertragungen zu beeinflussen und zu manipulieren. Das wird insbesondere dann schräg, wenn Schießereien und Gewaltakte mit fröhlicher Musik eingestimmt werden, die einen leicht ironischen Blick auf die Geschehnisse ermöglicht. Das wiederum steht im Kontrast mit emotionalen und traurigen Szenen, in denen unsere Männer in ein Massengrab springen, begleitet von Stille und Melancholie. Im Grunde kann man „Spec Ops“ somit also auch als Kunst bezeichnen, auch wenn eben bei einer Länge von knapp 8 Stunden keine Rede von einem Meisterwerk sein kann.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Interaktiver Film – schnell auf den Punkt gebracht
    Ein Besonderheit darüber hinaus: „Spec Ops“ hat praktisch keine Einleitung. Kein freies Erkunden der Umgebung, keine Charaktervorstellung, kein Anlernen von ersten Bewegungen. Es geht direkt zur Sache. Gerade erst auf „Neue Kampagne“ geklickt, landen wir in einem fliegenden Helikopter, der sich durch die Wolkenkratzer schlängelt und von zahlreichen gegnerischen Hubschraubern attackiert wird. Fast schon filmreif müssen wir hier sofort agieren, um die Feinde bei laufendem Flug vom Himmel zu hohlen – und das während am Bildschirmrand die aus Filmen üblicherweise bekannten Infos der Entwickler angezeigt werden. Ähnlich aufregende Szenen folgen, ohne es dabei mit Effekten zu übertreiben. Alles wirkt passend, nichts wirklich unrealistisch. Und doch kommt ein starkes „Mittendrin-Gefühl“ auf, das wir nicht überall so erleben. Shooter-Fans werden somit ihre Freude haben.

    Spec Ops - The Line Screenshot

    Multiplayer im Sandsturm
    Enttäuschend, wenn auch zumindest teilweise interessant, ist dagegen der Multiplayer-Modus. Enttäuschend deshalb, weil er im Grunde lediglich die üblichen Modi, wie Deathmatch, Team-Deathmatch und dergleichen anbietet. Interessant wird es dagegen eben deshalb, weil dieselben Elemente, wie im Singleplayer verwendet werden. Auch hier kommt es zu zufälligen Sandstürmen, die die Fähigkeiten der Spieler herausfordern und es ermöglichen unter widrigen Umweltbedingungen auch gegen echte Spieler anzutreten. Vorteil: So haben auch weniger erfahrene Spieler die Möglichkeit, Erfolg zu haben und gegen die erfahreneren Gegner zu bestehen. Ansonsten unterscheidet sich der Multiplayer aber eben spielerisch kaum von den Konkurrenzprodukten und der einzige Anreiz mag das Freischalten neuer Waffen und Modi sein. Gerade hier hätten wir uns allerdings beispielsweise eine Koop-Kampagne gewünscht, die uns im Multiplayer gemeinsam, statt gegeneinander in die Wüste schickt.

    Fazit:
    Obwohl „Spec Ops: The Line“ spielerisch über weite Strecken ein gewöhnlicher Shooter sein mag, erwarten den Spieler ein unverbrauchtes Setting, frische Ideen und gelungene Wüstenherausforderungen, die Gräueltaten zum Spielkonzept machen. Daraus ist ein Spiel mit psychologischem Tiefgang entstanden, das ganz klar Stellung gegen den Krieg bezieht.