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  • Game-Review: Papo & Yo

    Papo & Yo

    Der junge Quico hat einen ganz besonderen besten Freund: Monster. Obwohl das orangefarbene Wesen mit den riesigen Zähnen ihm oftmals große Angst bereitet, empfindet er eine große Vertrautheit und Nähe zu der Kreatur. Kaum einen Schritt macht er ohne ihn, nur allzu gerne liebt er es, mit seinem Monster zu spielen. Schläft dieses erst einmal, dient auch der große Bauch gerne einmal dazu, auf ihn herauf zu klettern und als natürliches Trampolin zu benutzen. Doch Monster hat ein großes Problem: Er ist süchtig nach grünen Giftfröschen, die ihn in unkontrollierbare Wut versetzen. Quico setzt fortan alles daran, sein Monster zu heilen und die schrecklichen Erinnerungen an die Vergangenheit zu verarbeiten. Doch wird ihm die Heilung gelingen, oder muss er sein Monster stattdessen endgültig gehen lassen?

    Kritik:
    Manche Spiele sind nicht nur innovativ und bieten ein wirklich einzigartiges Spielkonzept, sondern sind auf besondere Weise ganz persönlich. Vander Caballero, der Geschäftsführer des amerikanischen Indie-Entwicklerteams, nutzte sein Geschicklichkeitsspiel „Papo & Yo“ nämlich, um seine schwierigen Kindheitserinnerungen zu verarbeiten und dem Spieler zu schildern, wie er die Alkoholabhängigkeit seines eigenen Vaters erlebt hat.

    Schalterrätsel in Kolumbien
    Beim ersten Blick in dieses Spiel kann man diesen inhaltlichen Zusammenhang oftmals erst noch gar nicht glauben. Wir befinden uns als kleiner, dunkelhäutiger Junge in den kleinen Wegen der wahrscheinlich kolumbianischen Dörfer, in denen der Entwickler aufgewachsen ist und müssen mit Geschicklichkeit und ein bisschen Denkvermögen recht simple Rätsel lösen. Besonders Schalterrätsel haben es dem Entwicklerteam offensichtlich angetan, sodass wir meist mit Betätigung von Schaltern in der richtigen Reihenfolge an den nächsten Ort kommen. Dafür müssen wir Hindernisse überwinden und schwierige Positionen erreichen, wo uns der nächste Schalter erwartet. Eigentlich ist das recht simpel, zumal ein Schadensmodell gänzlich fehlt. Sterben kann unsere Figur also praktisch nicht. Doch das Monster macht alles ein bisschen komplizierter.

    Papo & Yo

    Therapiesitzung für Kinder
    Inhaltlich erinnert „Papo & Yo“ nämlich an eine dieser Therapiesitzungen, bei denen traumatisierte Kinder ihre Erinnerungen und Familienverhältnisse anhand von Bildern zeichnen und malen sollen. Eine ähnliche Vorgehensweise wird auch von Psychologen und dem Kinderschutzbund verwendet, um mögliche Misshandlungen in der Familie aufzudecken. Das Kind sitzt also da, malt seine Familie und stellt den Vater dabei sprichwörtlich als Monster dar. Nicht ganz sprichwörtlich, denn im Spiel selbst wird überhaupt nichts gemalt, aber derartige Metaphern nutzen die Entwickler zur Erzählung ihrer Geschichte. Der Vater ist das Monster, die Melonen werden zu leichtem Alkohol und die grünen Giftfrösche entsprechen einer Metapher für Whiskey-Flaschen, die den Vater – beziehungsweise das Monster – in Flammen setzt und in unkontrollierbare Wut versetzt. Eine tickende Zeitbombe also mit der wir ganz geschickt umgehen müssen.

    Papo & Yo

    Bindung und Angst
    Besonders emotional ergreifend ist dabei das Wechselspiel, mit dem „Papo & Yo“ die Beziehung zwischen Vater und Sohn aufbaut. Meistens ist das Monster, vor dem der Junge doch immer etwas Angst und Respekt hat, doch recht friedlich. Eine gewisse Melancholie und Apathie entsteht durch die monotone Darstellung des Vaters. Entweder er schläft, oder er ist immer und überall auf der Suche nach dem nächsten Alkohol, den metaphorisch genutzten Melonen und Fröschen. Schläft er friedlich, baut Quico eine enge Bindung zum Vater auf. Friedliebend, vertraut und auf dem Bierbauch des Vaters hüpfend. Es geht eben nicht ohne den Vater, ohne das Monster, das immer und überall anwesend ist und den Jungen begleitet. Doch manchmal, in einem schwierigen Moment, kommen die Wut und das Feuer, in denen sich der Vater nicht mehr unter Kontrolle hat. Spielzeug wird zerstört, den Freunden wird weh getan – und Quico muss einsehen, dass er seinen Vater nicht vor der Sucht bewahren kann. Eine aussichtlose Lage, die bald in starken Emotionen endet.

    Papo & Yo

    Angewiesenheit
    Die emotionale Bindung zwischen Spieler, Figur und Monster wird zudem gestärkt, weil Quico immer und überall auf das sowohl helfende, als auch gefährliche Monster angewiesen ist. Er muss auf seinen Bauch klettern, um erhöhte Positionen zu erreichen, ist auf seine ständige Begleitung angewiesen und muss auch die Verlockung des Alkohols nutzen, um das Monster zu steuern und an den Zielort zu locken. Denn da, wo sich der Alkohol befindet, dort wird auch das Monster sich schon bald hinbewegen – und Quico kann so neue Schalter betätigen und neue Bereiche betreten. Hier liegen ganz klar die Stärken des außergewöhnlichen Geschicklichkeitsspiels, das innovativ erzählt wird. Im späteren Verlauf kommen da auch ein paar interessante Physikspielereien hinzu, die auf den Spieler eine gewisse Faszination auslösen.

    Papo & Yo

    Fantasie und Realität
    Die Spielwelt selbst wurde dabei recht interessant gestaltet. Grafisch wird man damit sicherlich nicht zum neuen Referenztitel, doch eine gewisse Kreativität und Eigensinnigkeit kann man nicht verleugnen. So beginnen wir zunächst in einem dieser kolumbianischen Favelas, den international bekannten Armenvierteln – nicht ganz so dreckig wie in der Realität – und müssen mit unserer Fantasie und Vorstellungskraft neue Bereiche aufdecken. Kommen wir real einmal nicht weiter, so entstehen mit kindlicher Naivität neue Möglichkeiten, die mit weißen oder transparenten Gegenden gekennzeichnet werden. Die Umgebung wird also fantasievoll genutzt und hilft dem kleinen Jungen bei seiner Vorgehensweise. Doch manchmal kommt trotz all der positiven Fantasie auch die nackte Wahrheit, die schrecklichen Erinnerungen, wieder hoch – und die Umgebung wird dreckiger, das Monster wird zum Vater, die Frösche zu Whiskey-Flaschen. Das sind mitunter die bewegensten Momente, die wir je in einem kindgerechten Geschicklichkeitsspiel dieser Art zu sehen bekamen. Klasse gemacht!

    Papo & Yo

    Sumpf der Fantasie
    Doch angesichts dieses tollen und einzigartigen Konzeptes ist letztendlich dennoch nicht alles in diesem Indie-Spiel perfekt. Insbesondere die kurze Spielzeit von nur knapp vier Stunden und der extrem niedrige Schwierigkeitsgrad sind dabei zu bemängeln. Da unsere Figur praktisch niemals sterben und auch nicht verletzt werden kann, bleibt die große Herausforderung natürlich aus. In blanker unkontrollierbarer Wut beginnt das Monster zwar uns zu jagen, zu beißen und in die Luft zu schleudern – doch ernsthaft verletzen kann es uns nicht. Dadurch wird dem Monster natürlich auch die Bedrohlichkeit genommen, das Spiel aber andererseits auch für Kinder geeignet. Womöglich durchaus auch für Kinder zu empfehlen, die ähnliches bereits erleben mussten. Leider sind die „Realszenen“, also jene in denen das Monster auch als Vater tatsächlich zu sehen sind, viel zu selten. Quico bleibt überwiegend in seiner Fantasiewelt, im Sumpf seiner Vorstellungskraft, die Realität stets verdrängend. Dabei hätten wir doch so gern noch mehr über die realen Hintergründe erfahren, die der Entwickler in seiner Kindheit erlebt hat. Doch das wäre womöglich dann doch etwas zu persönlich geworden, um dies als Spiel kommerziell auf den Markt zu bringen.

    Fazit:
    Kindheitsverarbeitung im Computerspiel: „Papo & Yo“ überrascht zwar nicht gerade mit besonders komplexen Rätseln, punktet aber mit einer einzigartigen und emotionalen Geschichte über die Alkoholabhängigkeit des Vaters einer der Entwickler – erzählt in Metaphern und Fantasiewelten. Inhaltlich beeindruckend!

    Papo & Yo Wertung