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  • Folkerdey in Ratingen: Internationaler Folk und Experimente
    30. Juni 2025 | 22:37

    Ein Festival für nur 20 Euro im Jahre 2025? Wo gibt es denn sowas noch? So mancher Besucher des Folkerdey Festival am 28. Juni 2025 in Ratingen staunte womöglich nicht schlecht, als er den geringen Eintrittspreis auf der Webseite der Veranstaltung las. Selbst kleinere Festivals mit wenigen hundert Besuchern leiden inzwischen oftmals so sehr unter der Inflation, dass der Preis dort bereits beim Doppelten liegt. Doch die Gemeinnützigkeit des Fördervereins, die Unterstützung der Stadt Ratingen und diverse Sponsoren machen es möglich, dass das Festival seine Preise halten kann und sicher in die Zukunft geht. Die Besucher, die seit fast 20 Jahren auf das Festival im Eisenzeitlichen Gehöft kommen, wird es freuen: Das Folkerdey ist in jedem Sommer so etwas wie eine Tradition und eines der wenigen Events, die sich der enormen Vielfalt der Folkmusic in allen Facetten widmen.

    Wer bei Folk jetzt an Musik für alte Leute oder spießigen Country denkt, wurde beim Folkerdey aber auch schnell eines Besseren belehrt. Folk ist für die Ratinger so ziemlich alles – vom traditionellen Irish und Scottish Folk über schnelleren tanzbareren Speedfolk bis hin zu experimenteller Weltmusik. In den ersten Mittagsstunden durfte aber, wie in jedem Jahr, erst einmal der Nachwuchs auf die Bühne. Mit den Reel Talents und der DBG Big Band des
    Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Ratingen durften sich Musikschüler bei einem ersten Auftritt auf der Bühne ausprobieren. Bekannte Songs verschiedener Generationen, von Pop bis Rock, wurden da gespielt. Gemeinnützigkeit bedeutet eben auch Nachwuchsförderung.

    Folkerdey: Áit Ait
    Folk geht auch dunkel-elektronisch: Áit Ait überraschen mit einzigartigem Sound

    Danach dürfen dann die Großen ran: Sabrina Palm etwa begleitete ihre “Reel Talents” noch als Lehrerin, stand am Nachmittag dann mit ihrer eigenen Band auf der Bühne. Palm Bay Frost hieß es da, die Nachnamen der drei Musiker, die sich während der Corona-Pandemie kennenlernten und seither gemeinsam Musik produzieren. Ganz im Sinne der Traditionen des Folkerdey gab es da Fresh Folk im irischen und schottischen Stil – aber allesamt aus der eigenen Feder der Band. Sabrina Palm, Simon Bay und Hartmut Frost zeigten, dass handgemachter Folk noch immer lebendig ist und auch neue Stücke zu Tage bringt. Die Wanton String Band gleich danach setzte dort an – aber doch deutlich flotter gespielt, mit einem Hauch psychedelischer Klänge. Old-Time-Folk im jungen Gewand, auf das selbst die 20-jährigen Besucher abfahren.

    Während unterdessen die preisgünstige handgemachte Paella des Spanischen Kulturvereins Ratingen für lange Schlangen sorgte, tanzte manche Band auch ein bisschen aus der Reihe. Áit Ait nahmen den weiten Weg aus Minneapolis in den USA auf sich, um in Ratingen dabei zu sein und bezeichnen ihre Musik selbst als “Experimental Folk”. Was dabei von Sängerin Aja McCullough und Patrick Maun geboten wurde, klang dann aber überraschend elektronisch. Tatsächlich hätte man das amerikanische Duo wohl eher auf dem Wave-Gotik-Treffen als auf dem Folkerdey erwartet: Der Electro-Folk klingt wie ein Mix aus Dark Wave, Dark Ambient und Pagan Folk-Gesang. Faszinierend ist das allemal – hoffentlich weiß die Band, wie sehr das Publikum eines Gothic-Festivals sie dafür feiern würde.

    Folkerdey: Violons Barbares
    Abgefahrener Sound: Dandarvaanchig Enkhjargal spielt mit Violons Barbares eine mongolische Pferdekopfgeige

    Die experimentelle Vielfalt all dessen zu repräsentieren, was die Folk-Szene zu bieten hat, hat sich das Folkerdey Festival aber ohnehin schon seit Jahren zur Aufgabe gemacht. Neben gewohnten Klängen finden sich auf dem Event immer wieder Bands, die sich auf musikalische Experimente einlassen und die Hörgewohnheiten ein wenig herausfordern. Das wurde generell insbesondere auf der kleineren zweiten Bühne des Festivals deutlich. Auch die griechische Band Kadinelia machte das deutlich – und konnte mitten in der griechischen Festivalsaison wohl nur mit viel Glück gebucht werden. Der traditionelle griechische Folk traf auf eine beeindruckende Frauenstimme. Und auch hier durften ganz besondere Instrumente zum Einsatz kommen: Den kykladischen Dudelsack hört man in Deutschland doch eher selten, ist zugleich auch gewöhnungsbedürftig für den Zuhörer hierzulande.

    Das alles sollte aber noch gar nichts sein im Vergleich zu der abgefahrenen Musik von Violons Barbares. Die drei Herren mit internationaler Herkunft entführten das Publikum in die Welt der Drachen und magischen Wesen – mit reichlich Kehlkopfgesang und Tiergeräuschen. Dazu noch eine mongolische Pferdekopfgeige, eine dreisaitige Gadulka aus Bulgarien und so ziemlich jeder Gegenstand bis hin zu Salatschüsseln, der als Trommel verwendet werden kann. Wird das dann auch noch in einem Tempo gespielt, bei dem selbst Speedfolk-Bands wie “Fiddlers Green” ins Staunen kommen könnten, ziehen die “Violons Barbares” auf ihre ganz eigene, sehr experimentelle Art völlig in ihren Bann – sofern man sich darauf einlassen kann.

    Folkerdey: El Flecha Negra
    Bunt und gute Laune: El Flecha Negra bringen mit südamerikanischem Sound die Menge zum Tanzen

    Bei den etwas größeren Bands auf der Main Stage blieb es hingegen etwas massentauglicher. Bei den sommerlichen Temperaturen von knapp 30 Grad kam bei 100 Voltas dann auch sommerliche Stimmung auf. Die spanische Band um Verónica Codesal zeigte dem Publikum auf ihre ganz eigene Weise, wie sich eine spanische Fiesta in ihrer Heimat wohl anfühlen mag. Dass man sogar galizischen Blues spielen kann, also “Galiciblues”, wie die Band ihn nennt, war zugleich eine Überraschung. Eine ähnliche Stimmung setzte dann auch El Flecha Negra fort, die im wahrsten Sinne des Wortes das Publikum mit Pauken und Trompeten zum Feiern brachte. Südamerikanische Sounds kombiniert mit ein bisschen Freiburger Flair erwartete den Zuhörer, der sich hier voll und ganz auf tanzbare Rhythmen einlassen konnte.

    Bevor es dann zu Mitternacht noch eine offene Jam Session gab, bei der sich Musiker der einzelnen Bands jedes Jahr am Lagerfeuer mit ihren Fans treffen, um gemeinsam noch ein paar Songs unplugged zu spielen, durften echte Lokalmatadore das Festival abschließen. Die Düsseldorfer Band Drowsy Maggie sind schon so etwas wie Stammgäste, die nahezu jedes Jahr auf dem Folkerdey spielen. Als Headliner standen sie aber auch völlig zurecht auf dem Plan: Die Düsseldorfer spielen genau den mitreißenden tanzbaren Irish Folk, den man auf einem Folk-Festival erwartet. Und dass da nahezu niemand das Festival vorzeitig verlässt, ist da natürlich selbstverständlich.

    Folkerdey: Drowsy Maggie
    Lokalmatadore: Drowsy Maggie heizen als Headliner aus Düsseldorf ein

    Eines ist jedenfalls sicher: Die Vorfreude auf das nächste Jahr ist bei den meisten Besuchern sicherlich schon vorhanden. Und der Termin steht auch schon: Am 30. Mai 2026 geht das Folkerdey Festival in Ratingen in die nächste Runde. Infos und Tickets gibt es demnächst unter folkerdey.de.

    Fotos: Rene Daners