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    Firewatch

    Henry hat wirklich eine sehr schwierige Zeit hinter sich. Jahrelang hat er sich persönlich um seine früh an Demenz erkrankte Frau gekümmert, die ihn mittlerweile fast gar nicht mehr erkennen kann. Sogar ein Pflegeheim kam für ihn niemals infrage, ist sie doch seine große Liebe. Doch seitdem ihre Eltern die geliebte Ehefrau zu sich geholt haben und keinerlei Interesse daran haben, von Henry besucht zu werden, versinkt er immer tiefer in einem nicht enden wollenden Loch. Der neue Job, den er in der Zeitung findet, soll für ihn ein neuer Anfang sein. Eine Flucht vor der grausamen Realität, abgeschottet in einem Wald ohne ernsthafte menschliche Kontakte. Stationiert auf einem Wachposten inmitten der Wildnis von Wyoming hält er Ausschau nach Waldbränen und kümmert sich um campende Teenager, die illegale Lagerfeuer machen. Sein einziger Kontakt zur Außenwelt: Delilah vom anderen Wachturm einige Kilometer entfernt, die per Walkie Talkie mit ihm den Kontakt hält. Dumm nur, dass er schon bald auf ein mysteriöses Abenteuer stößt, während er allein in den dunklen Tiefen des Waldes unterwegs ist…

    Kritik:
    Ein Abenteuerspiel mit geschichtlichem Kontext findet man sicherlich nicht allzu häufig, noch dazu bei solch innovativen Ideen. Bei „Firewatch“ übernehmen wir den Job auf dem Feuerwachturm allerdings nicht ganz ohne Grund: Im Jahre 1988 kam es im Yellowstone-Nationalpark zu verheerenden Waldbränden. Kurz darauf hat man einige der Wachtürme eingerichtet, die heute in den Wäldern von Wyoming stehen und als Frühwarnsystem für erneute Waldbrände dienen. Allerdings möchte das auf seine eigene Weise geniale „Firewatch“ keineswegs eine Lehrstunde in Sachen amerikanischer Waldbrandgeschichte sein. Hier erleben wir viel mehr ein kleines Mystery-Adventure, das uns ganz allein in die tiefen Wälder schickt und ein bisschen Job-Simulator und Sozialstudie zugleich sein möchte.

    Firewatch

    Simulierte Isolation
    Dabei geht das Spiel nämlich möglichst realistisch vor und verzichtet auf vereinfachende Hilfsmittel, wie wir sie aus üblichen First Person Shootern kennen. Erst einmal die interessante und tiefgründige Vorgeschichte in Form eines Textes hinter uns gebracht und den ersten Tag im Feuerwachturm angetreten, müssen wir nämlich mit dem Rucksack in die Wildnis ziehen, um uns um scheinbar banale Dinge wie campende Jugendliche kümmern. Und das ist gar nicht so einfach, denn alles was wir dabei haben, ist eine klassische Landkarte, ein Kompass und ein paar Seile, um die steilen Abhänge hinunterzuklettern. Mit nur wenigen Informationen auf der Karte, die wir erst im späteren Verlauf durch Entdeckungen weiter füllen können, ist die erste Orientierung gar nicht so einfach und soll uns vermitteln, wie schwierig es ist, in einem fremden Wald alleine zurecht zu kommen. Wer es obendrein noch ein wenig realistischer mag, kann sogar die Anzeige der eigenen Position auf dieser Karte abschalten. Dann geht es wirklich zu, wie im realen Leben und wir müssen uns an Merkmalen in der Umgebung orientieren. Spannend.

    Firewatch

    Flucht vor der Realität
    Damit wir uns allerdings nicht ganz so alleine fühlen, sind wir außerdem mit einem kleinen Funkgerät ausgestattet, um den Kontakt zu unserer Supervisorin Delilah zu halten. Die schickt uns nicht nur regelmäßig in den Wald, um uns um die kleinen Alltagsproblemchen zu kümmern, sondern stellt zugleich den wirklich einzigen Kontakt zur Außenwelt dar. Echten physischen Kontakt zu anderen Menschen von draußen gibt es so gut wie gar nicht. Und hier kann „Firewatch“ auch mit seiner großartigen Atmosphäre punkten, denn das Abenteuer vermittelt uns ständig das Gefühl der völligen sozialen Isolation mit dem kleinen greifbaren Element, das uns in ängstlichen Situationen das Gefühl erlaubt, nicht ganz allein in dem dunklen Wald unterwegs zu sein. Durch die Beziehung, die wir zu Delilah aufbauen und die mit zum Kern der Geschichte und Erzählweise gehört, wird das schon bald sehr intensiv und verschafft dem Spieler in möglicherweise aussichtslosen Lagen eine kleine Bindung nach außen. Und das fühlt sich mit den verschiedenen Antwortmöglichkeiten, die wir stets frei wählen können, um möglichst realistische Gespräche zu führen, auch ganz schön echt an.

    Firewatch

    In den Fußstapfen von Mulder
    Dazwischen hat „Firewatch“ obendrein auch erzählerisch seine großen Stärken. So mancher Abschnitt des Spiels erinnert nämlich ganz extrem an Mysteryserien wie „Akte X“, in denen wir geheimen Regierungsmachenschaften und mysteriösen Einrichtungen auf die Schlichte kommen. An dieser Stelle möchten wir allerdings nicht zu sehr spoilern, zumal das Spiel mit gerade einmal vier Stunden Spielzeit ohnehin recht kurz ist. Eines sei aber sicher: Dieses Abenteuer hält uns vor allem deshalb so lange am Ball, weil es ihm gelingt, ständig unseren Entdeckertrieb zu wecken. Obwohl wir spielerisch keine allzu spektakulären Dinge zu tun haben und auch keine richtigen Rätsel lösen müssen, können wir nie wissen, was uns auf unserem Weg in den Tiefen des Waldes wohl erwarten wird und platzen beinahe vor Neugierde, das doch endlich herauszufinden. Und außerdem ist da noch die Sehnsucht und kleine Hoffnung, bei all dem vielleicht doch eine bedeutungsvollere Beziehung zu Delilah aufbauen zu können. Obwohl wir wohl nie wissen, ob sie selbst überhaupt mit offenen Karten spielt. Emotional und spannend zugleich.

    Firewatch

    Fesselnde Melodien
    Unterstützt wird diese durchweg gelungene und starke Atmosphäre außerdem von einem erstklassigen Soundtrack, für den niemand geringeres als Chris Remo verantwortlich ist, der bereits bei „Gone Home“ und „Spacebase DF-9“ am Werk war. In den sicheren und eher handlungsarmen Momenten verzichtet man praktisch komplett auf Musikuntermalung, während vor allem die Aufdeckung von Geheimnissen mit mysteriösen, melodischen Tönen begleitet wird und die etwas gehetzteren, actionreicheren Momente mit spannungsaufbauenden, treibenden Stücken aufgepeppt werden. Eine gelungene Mischung, die in praktisch jedem Moment den passenden Sound zu bieten hat und das atmosphärische Gesamterlebnis noch weiter abrundet. Trotzdem: Wer hier einen actionreichen Shooter mit viel Eigeninitiative erwartet, liegt falsch. Spielerisch handelt es sich eher um eine Art „Walking Simulator“ in einer offenen Welt, der uns durch eine spannende und Neugierde weckende Story allerdings schnell vergessen lässt, dass wir die meiste Zeit nur rumlaufen und insgeheim doch eher einem linearen Handlungsverlauf folgen. Auch das ist wohl ein sehr gelungener Kniff, mit dem die Entwickler wohl den Spieler ganz bewusst ein wenig manipulieren. In jedem Fall aber eine geniale Erzählweise.

    Firewatch

    Künstlerische Natur
    Auf dieses „besondere Etwas“ setzen die Macher allerdings auch bei der Grafik. Erwartet man also die neueste und spektakulärste Referenzgrafik, dürfte man wohl enttäuscht werden. Stattdessen gibt es durchaus hübsche, aber nicht ganz realistisch aussehende Kunstgrafik, die eher einem Comic oder Gemälde ähnelt. Das ist für das Spielprinzip aber letztendlich nur vorteilhaft und schont obendrein die Ressourcen der Hardware. Außerdem hat man so einige interessantere künstlerische Möglichkeiten, die sich vor allem in den Abendstunden bemerkbar machen, wenn wir einen wahrlich beeindruckenden Sonnenuntergang beobachten können oder die Lichteffekte zwischen den malerischen Waldlandschaften gut zur Geltung kommen. Übrigens: „Firewatch“ ist zugleich eines der wenigen Spiele aus der First-Person-Perspektive, in denen der Spieler tatsächlich zu jeder Zeit seine eigenen Beine sehen kann.

    Fazit:
    Ein atmosphärisch extrem dichtes Mystery-Abenteuer mit innovativer Erzählweise, glaubhafter Abschottung von der Außenwelt und einer Geschichte, die nahezu ununterbrochen unsere Neugierde wecken kann. Lediglich die sehr kurze Spielzeit ist ein wenig schade.

    Firewatch Wertung