Kritik:
Man könnte den „Simulator“ daher wohl durchaus auch fast als Werbespiel bezeichnen, würden nicht knapp dreißig Euro für das Spiel berappt werden müssen. Unter diesen Umständen nämlich würden Simulationsfans dann doch etwas mehr erwarten, als lediglich Marketing für den größten Fernbusanbieter. Fraglich ist allerdings, ob sie das auch bekommen, denn beim „Euro Truck Simulator“, der das Genre fast als einziges qualitativ beherrscht, wollte man sich wohl nicht allzu viel abschauen.
Flixbus ist müde
Unterm Strich ist der „Fernbus Simulator“ nämlich nichts als ein großes Desaster, um nicht gar zu sagen, ein „Bug-Fest“. Nicht einmal die wesentlichen Basics einer Fahrsimulation wurden tatsächlich ordentlich umgesetzt, was mitunter auch dazu führt, dass sich selbst die Fahrphysik des Busses mitunter überaus merkwürdig verhält. Ein gekonntes Fahren um die Kurve etwa ist kaum möglich, wenn sich das Fahrzeug bei jeder Bewegung des Lenkrads fast wie ein Motorrad in die Kurven legt und die meist nervigen Fahrgäste sich sofort über das „Lenkfehlverhalten“ beschweren. In den Optionen lässt sich die Neigungssensibilität zwar senken, doch selbst die niedrigste Stufe stellt dabei noch eine seltsame Definition von „niedrig“ dar. Dass der Bus nicht umkippt, wie die Passagiere wohl zurecht befürchten, grenzt an ein Wunder. Die Steuerung ist somit eine echte Katastrophe. Selbst wenn es offiziell einen Gamepad- und Lenkradsupport gibt, bei dem wir leider nicht herausfinden konnten, wie dieser funktioniert. Unser Logitech Dual Action verweigerte jedenfalls partout seinen Dienst in diesem Spiel.
Haare des Grauens
Dabei ist das noch längst nicht die Spitze des Eisbergs an Kuriositäten, die uns der „Fernbus Simulator“ hier vorsetzt. Zu Beginn des Spiels starten wir nämlich als Fußgänger direkt vor unserem Bus und müssen diesen zunächst einmal betreten, starten und die Türen schließen. Doch den Bus nicht einmal betreten, werden wir bereits auf einen merkwürdigen Grafikfehler aufmerksam. Zumindest dachten wir das, konnten wir uns die seltsamen Grafikartefakte am Himmel zunächst nicht anders erklären. Das was hier allerdings aussieht wie ein falsch positionierter Schatten des fünf Meter hinter uns stehenden Baumes, stellt sich schon bald als – und jetzt kommt’s – die Haare unseres Busfahrers heraus, die wir von unten begutachten können. Besonders ekelhaft wird es allerdings, wenn wir während dem Fortbewegen nicht nach oben, sondern nach unten schauen. Dort starren wir nämlich – igitt – direkt auf den Unterkiefer unserer Spielfigur und dürfen statt Busfahrer einmal Zahnarzt spielen. Warum wir beim Blick nach oben allerdings ausschließlich Haare sehen, nicht jedoch das Gehirn des Busfahrers, wollten wir an dieser Stelle lieber nicht herausfinden – können es uns angesichts der restlichen Qualität des Spiels allerdings denken.
Faszination Trash
Dass solche Spiele dann aber dennoch einen durchaus respektablen Absatz finden, kann wohl kaum an der Qualität des Produktes liegen. Es lässt sich wohl nur durch dieselbe Faszination begründen, wegen der manche Zuschauer sich auch Filme wie „Sharknado“ anschauen. Den größten Unterhaltungswert hat hier jedenfalls nicht das Busfahren, sondern eher das Entdecken von Bugs und Kuriositäten – und davon finden wir hier reichlich. So verhält sich vor allem die KI der anderen Fahrzeuge mitunter sehr merkwürdig und ein wenig lebensmüde. So manches Mal haben wir auf der entgegenkommenden Fahrbahn einen Lastwagen mitten auf der Strecke grundlos nach rechts abbiegen sehen, bis er direkt in parkende Autos fuhr. Gänzlich ohne Vorankündigung und ohne erkennbaren Grund. An anderer Stelle schweben Lastwagen einfach in der Luft herum, oder die Türen des Busses lassen sich nicht mehr öffnen. Wir können also unseren eigenen Bus selbst als Fahrer nicht mehr verlassen. Und damit haben wir wohl noch nicht einmal alle offensichtlichen Bugs angesprochen.
Geisterland Deutschland
Da erscheint die gänzliche Abwesenheit von Fußgängern im gesamten Land geradezu vernachlässigbar. Obwohl eine entsprechende Bewertung im Endergebnis nach unserer Fahrt auftaucht (so gibt es Abzüge für gefährdete Passanten), haben wir keinen einzigen Passant auf der Strecke sehen können. Nicht einmal vor großen Bahnhöfen wie Köln, Frankfurt, Berlin und vielen anderen lassen sich irgendwelche Fußgänger ausmachen. Lediglich unsere eigenen Fahrgäste an den Flixbus-Haltestellen tauchen immerhin auf, um sich dann einzuchecken und sich in den Bus teleportieren zu lassen. Und selbst da haben es die Entwickler offenbar nicht geschafft, für genügend Abwechslung zu sorgen. Gefühlt gibt es ein und dieselbe Person in zigfacher Ausführung, die als Doppelgänger vor der Tür unseres Busses steht. Spätestens an dieser Stelle fragt man sich, ob der „Fernbus Simulator“ einfach nur unfertig oder lieblos hingeklatscht ist. Dass es sich hierbei wohl um das schlechteste Spiel des Jahres handeln mag, lässt sich kaum verleugnen. Dagegen ist selbst der Landwirtschaftssimulator ein Qualitätsprodukt.
Der unkaputtbare Bus
Eigentlich wollte ich ja an dieser Stelle nun endlich mal etwas Positives erwähnen, stelle aber fest, mit den negativen Punkten dieses Spiels längst nicht am Ende zu sein. So gibt es uns etwa Rätsel auf, wieso der gesamte Bus über keinerlei Schadensmodell verfügt und selbst nach einem Überschlag noch in einwandfreiem Zustand ist, die Türen aber trotzdem gelegentlich nicht funktionieren wollen. Dieses Schadensmodell fehlt unterdessen aber natürlich auch bei allen anderen Fahrzeugen, die nach einem Unfall einfach weiterfahren, als wäre nie etwas gewesen. Lediglich eine kleine, nicht wirklich nennenswerte Abwertung im Endergebnis haben wir zu befürchten. Aber angesichts dessen, dass die Missachtung von roten Ampeln und etlicher anderer Verkehrsregeln keinerlei Folgen hat, spielt das kaum mehr eine Rolle. Und selbst der Fahrplan ist derartig großzügig gestaltet, dass wir nicht einmal unter Zeitdruck stehen oder irgendeine Spannung entstehen könnte. Bei einer Route mit mehreren Haltestellen, sind wir zwangsläufig früher oder später mehr als zwei Stunden zu früh. Hach, würden doch bloß die echten Flixbusse so schnell fahren. Andererseits: In diesen Bus hier möchte wohl auch niemand steigen.
Keine Konkurrenz
Apropos Busse: Besonders große Vielfalt gibt es derweil auch nicht, denn im „Fernbus Simulator“ können wir lediglich zwei Busse von Flixbus fahren. Darunter einen mit zwei und einen mit drei Achsen. Faszinierend. Selbst auf den in der Realität auftauchenden Doppeldecker-Bus von Flixbus (mit dem ich übrigens selbst bereits gefahren bin), müssen wir hier verzichten. Aber immerhin können wir zwischen der neuen „Flixbus“-Lackierung und der alten „MeinFernbus / Flixbus“-Lackierung wählen. Noch nie sind wir mit derartig umfangreichen Features so überfordert worden. Dabei macht es der „Euro Truck Simulator 2“ eigentlich seit Jahren vor, wie es richtig geht: Ein umfangreicher Fuhrpark, Tuningmöglichkeiten und gar ein eigenes Unternehmen, welches wir von Beginn an aufbauen können. In diesem „Simulator“ ist davon allerdings gänzlich Fehlanzeige. So wie Flixbus auch in der Realität fast ein Monopol besitzt, ist jenes Monopol in diesem Spiel wohl längst vollendet. Wobei: Es gibt ja nicht einmal andere Flixbusse, die uns auf der Autobahn entgegen kommen.
Jegliches Potential verschenkt
Dabei ist es geradezu schade, das Spiel so derartig zu verhunzen, wenn man sich dann den Bus selbst einmal im Detail anschaut. Und damit kommen wir zu einem der wenigen positiven Punkten: Die Simulation des Busses selbst ist nämlich ansonsten recht detailreich gelungen. Jede Tür und jede Gepäckluke lässt sich – im Normalfall – öffnen, die WLAN- und Toilettenfreigabe funktioniert, die Klimaanlage lässt sich manuell bedienen und selbst die typische Flixbusansage, die wir aus den realen Bussen kennen, lässt sich starten und wurde fehlerfrei implementiert. Und auch an der Haltestelle setzt sich diese gute Umsetzung fort: Das Ticketsystem wurde dem Original nachempfunden und wir können die einzelnen Fahrgäste mit unserem Smartphone einchecken, in dem wir ihre Tickets auf Papier oder dem Handydisplay einscannen. Schade, dass man sich beim gesamten Rest dann wiederum keinerlei Mühe gegeben hat. Gute Werbung für Flixbus ist dieses Spiel jedenfalls nicht. Nach diesem „Abenteuer“ möchte man das Fahren mit dem Fernbus nämlich eher meiden.
Fazit:
Abgesehen von einem detailliert umgesetzten Bus und einem sauber implementierten Ticketsystem, grenzt der „Fernbus Simulator“ mit seiner ansonsten extrem schlampigen Arbeit an eine Beleidigung gegenüber den zahlenden Kunden. Nach diesem Spiel möchte wohl kaum jemand mehr mit dem Fernbus fahren.