Schon das Bühnenbild der 6-köpfigen Band rund um Sänger Blixa Bargeld macht einen sehr komplexen Eindruck. Vor der weißen, unspektakulären Leinwand, lässt sich nicht bei jedem Objekt wirklich erkennen, um welches Instrument es sich hier handeln soll. Manche davon sind auch gar keines, werden aber dazu zweckentfremdet. Und dabei ist es faszinierend, welche Gebrauchsgegenstände die Band bei jedem Song neu auf die Bühne schleppt und das Publikum verwundert zurücklässt, dass man darauf wirklich Musik spielen kann. Ein Einkaufswagen aus den 80ern wurde etwa inzwischen durch ein moderneres Gefährt ersetzt, wird aber nach wie vor auf die Bühne geschoben, um dieses tatsächlich als Instrument zu verwenden. Echter handgemachter Industrial eben, gespielt auf zahlreichen Metallgegenständen.
Auch ein handelsüblicher Einkaufswagen gehört zu den Instrumenten der Band
Bei anderen Songs schaffen es zum Teil gar noch absurdere Objekte in das Konzert. Manche ursprünglich eingebaut, weil die Musiker auf der Bühne einst improvisiert haben. Eine Regentonne darf da auch mal das Schlagzeug ersetzen, ein Plastikkanister wird auf verschiedenen anderen Dingen platziert, um unterschiedliche Töne damit zu erzeugen und selbst ein drehendes, kupferfarbenes Gerät darf dafür herhalten, darauf zu musizieren. Manchmal wird es gar ganz klassisch und die Einstürzenden Neubauten spielen Musik sogar auf zusammengebasteltem Abfall, wie einst in der Anfangszeit der Band. Dass all diese Dinge in ihren abwechslungsreichen Arrangements perfekt zusammenpassen, macht das Konzert umso faszinierender.
Dieses ganze außergewöhnliche Klangkonstrukt würde aber nicht so perfekt funktionieren, wenn nicht auch die Stimme von Blixa Bargeld so hervorragend zu den Songs passen würde. Bei manchen Songs scheint er sich in die Fußstapfen von Herbert Grönemeyer zu begeben und mit einer ähnlich tiefen Stimme, minimalistische Texte zu singen. Bei anderen wiederum beweist er auch ein großes Talent als Erzähler, in dem er in die langsamen Industrial-Balladen einen Sprechgesang einbaut, als hätte er eine professionelle Ausbildung als Synchronsprecher hinter sich. Und wenn es ihm dann auch noch gelingt, einige der verrücktesten Industrial-Geräusche einfach mit seinem Mund durch schräges Geschrei zu produzieren, wird ein Konzert von den Einstürzenden Neubauten zu einem Erlebnis, das man so wohl noch bei keiner anderen Band gehört hat.
Dabei bringt die Band auch immer eine gesunde Portion Selbstironie mit, basierend auf den vielen Erlebnissen, an die sie sich in 44 Jahren Bandgeschichte freudig erinnern. Beim ihrem ersten Auftritt in Köln musste die Band in der Konzert-Location übernachten, erinnert sich Sänger Blixa, weil er eine Regenbogenflagge mit schwarzer Farbe übersprühte und damit die Wut der Punkrocker weckte. “Das Leben ist nicht bunt”, war er einst der Meinung, als die Farben des Regenbogens in den 80ern noch eine andere Konnotation hatten. Ganz ernst nimmt sich die Band, deren Mitglieder größtenteils über 60 sein dürften, aber sowieso nicht. Deswegen gab es auch in der Zugabe nach mehr als 90 Minuten noch einen Breakup-Song, den sie für die französische Chanson-Sängerin Patricia Kaas geschrieben haben. “Besser isses” sorgt für einen von mehreren würdigen Abschlusssongs. Minimalistisch, einzigartig, faszinierend – wie schon der gesamte Rest des Auftritts.