Es ist ein gewagtes Unterfangen. Wenn Punk-Fans sich auf einem Konzert treffen, dann geht es dabei nämlich normalerweise recht ruppig zu. Geschubst und geschlagen wird da, zum Pogo getanzt und vor allem gehört intensiver Körperkontakt zur Tagesordnung. Den allerdings kann es in Corona-Zeiten und mit Hygienekonzept nicht geben, denn Abstand muss gehalten werden. Der Sparkassenpark Mönchengladbach hat es trotzdem gewagt und die Rostocker Punkrock-Band “Dritte Wahl” am 16.9.2020 zu einem Auftritt vor Strandkörben eingeladen. Ein bisschen was fehlte dann doch, wenn sich das Publikum nicht gegenseitig anrempeln darf und brav bei seinem Strandkorb bleiben muss. Immerhin: In seinem Korb saß niemand, über die komplette Länge des Konzertes wurde gestanden. Alles andere würde ja schließlich überhaupt nicht zum Punk passen. Vielleicht war das aber auch der Grund, wieso “Dritte Wahl” vor teils leeren Strandkörben spielen mussten: Nur geschätzt zwei Drittel der rund 1000 Tickets wurden verkauft, gekommen sind vor allem die eingefleischten Fans der Band.
Für die allerdings war die Punkband so gar keine “Dritte Wahl”, sondern offenbar viel mehr die Erste: Oftmals als “Die Toten Hosen des Ostens” bezeichnet, lieferten die einen Mix aus eingängigen Songs, akustischer Experimente und natürlich auch eine gewisse Portion Politik – das gehört zum Punk, der traditionell links ist, natürlich dazu. Und so gab es harsche Kritik am Krisenmanagement der Regierung, die laut Frontmann Gunnar Schroeder nur Glück im Unglück hatte: “Die Regierung hatte einfach nicht genug Zeit, das Gesundheitssystem herunterzuwirtschaften. In zehn Jahren hätte die Pandemie das Land viel schlimmer getroffen.” An rechten Verschwörungstheorien wollte sich die Band aber trotzdem nicht orientieren: “Dass Bill Gates kleine Kinder aussaugt, das glaube ich übrigens auch nicht”, so Schröder.
Woran die Band stattdessen glaubt, das dürfte offensichtlich der im Punk obligatorische Anarchismus sein, das Prinzip des “Gegen das System”. Denn damit hat eine Band, die ihre Anfänge bereits in der DDR hatte und auch dort schon das Regime kritisierte, schließlich mehr als genug Erfahrung. In Songs wie “Bad K”, der mutmaßlich vom Tod des RAF Terroristen Wolfgang Grams in der mecklenburg-vorpommerischen Stadt Bad Kleinen handelt, wird das schnell deutlich. Die Fans kennen den Song natürlich längst auswendig und gröhlen zu den treibenden Gitarrenriffs liebendgern mit. Etwas überraschender kommen da die anderen Instrumente, mit denen “Dritte Wahl” ihr Können und ihre Vielfalt unter Beweis stellt. So kommt am Abend sogar eine Trompete zum Einsatz, die den typischen Punk-Sound fast ein bisschen mit “Seeed”-Klängen kombiniert und richtig ausgefallen wird es später mit einem “Applausometer” und dem Einsatz des Bassisten als “Plattenspieler-Spieler”.
Schon um 21:20 Uhr sollte dann nach knapp 80 Minuten eigentlich Schluss sein – doch damit haben “Dritte Wahl” die Rechnung ohne ihre Fans gemacht. Gleich zwei Zugaben gaben die Rostocker und hängen noch glatt eine halbe Stunde hinten dran. Und selbst danach sind die Fans längst nicht in der Laune, nach Hause zu fahren: Mehrere Minuten nachdem die Band bereits die Bühne verlassen hat, singen die Besucher noch immer die Lyrics des 2006er Songs “Fliegen”, bei dem das Publikum eine solch große Textsicherheit besitzt, dass sie den Song beinahe selbst performen könnten. Für einen kurzen Abschied lässt sich “Dritte Wahl” dann doch nochmal auf der Bühne blicken und bedankte sich bei den Fans mit der Hoffnung im nächsten Jahr hoffentlich wieder ohne Abstand und mit Schubsen, Schlägen und gebrochenen Knöcheln spielen zu können, “so wie es sein soll” beim Punk.
Die nächsten Termine beim Strandkorb Open Air:
17.9.2020 Peter Heppner
18.9.2020 Metfest
19.9.2020 Mia Julia
20.9.2020 Tom Gaebel
20.9.2020 Giovanni Zarrella
21.9.2020 Jinjer
23.9.2020 Booster
24.9.2020 Schandmaul
26.9.2020 Kasalla
27.9.2020 Amigos
Tickets gibt es unter sparkassenpark.de