Kritik:
Brettspiele erfreuen sich auch heute noch einer großen Beliebtheit. Doch nicht jeder hat immer die passenden Mitspieler, um zuhause das große Spielbrett aufzuschlagen. Und auch an den vergleichsweise hohen Kosten der physischen Version kann es manchmal scheitern. Da kommen PC-Versionen von ausgezeichneten PC-Spielen gerade recht.
Digitale Brettspielumsetzung
Auch „Colt Express“ ist ein solches Spiel, das man auf Basis des gleichnamigen Brettspiels nun in digitaler Form umgesetzt hat. Und da hält man sich ziemlich originalgetreu an die Vorlage, die man prompt sowohl offline, als auch im Multiplayer gegen andere Mitspieler spielen kann. Und trotz des günstigeren Preises hat die digitale Version gleich noch ein wenig mehr zu bieten, denn eine ganze Singleplayer-Kampagne wartet auf den Brettspiel-Fan. In jeweils fünf Kapiteln dürfen wir die Abenteuer der einzelnen Banditen durchspielen und werden dabei vor immer größeren Herausforderungen gestellt. Ob Dynamit, ein Amulett oder die Flucht vor dem Marshall – Abwechslung gibt es hier mehr als genügend. Da kann man dann durchaus mal zehn Stunden nur mit dem Story-Modus beschäftigt sein.
Zahlreiche Spielvarianten
Diesen zu spielen, stellt sich allerdings auch als sehr wichtig heraus. Durch das Abschließen der fünf Kapitel eines jeden Charakters schalten wir letztendlich nämlich neue Spielvarianten frei, die wir im klassischen Spielmodus und auch online anschließend nutzen können. Dazu gehören dann spannende Varianten, bei denen etwa eine Dynamitstange in einem der Waggons auftaucht, einzelne Waggons hinten abgekoppelt werden oder ein Amulett für besondere Fähigkeiten sorgt. Spannend: Im Multiplayer lassen sich diese Spielvarianten zugleich auch noch kombinieren. Und einen Vorteil hat das Freischalten über den Story-Modus allemal: Ehe wir uns in den Multiplayer-Modus wagen, kennen wir somit bereits jede einzelne Spielvariante und können uns auch gegen die anderen echten Spieler schlagen.
Vorausschauendes Denken
Übrigens: „Colt Express“ wurde erst im Jahre 2015 zum „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet – wie wir finden völlig zurecht. Denn das Brettspiel macht nicht nur in seiner physischen Version verdammt viel Spaß, sondern überzeugt auch am Rechner mit seinem innovativen Spielkonzept. Dabei steht es nämlich im Mittelpunkt, möglichst vorausschauend zu denken und die Züge der Spieler im Hinterkopf zu behalten. In diesem Spiel sind wir nämlich nicht einfach nur reihum an der Reihe, sondern müssen in jeder Runde gleich mehrere Spielzüge auf einmal machen. Der Reihe nach wählen die Spieler also ihre Zugkarten aus, die sie im Laufe einer Runde ausspielen wollen, ehe die Aktionen der Karten dann auch durchgeführt werden. Und da merken wir schnell, dass das gar nicht so einfach ist, vorauszusehen, welche Aktionen die Spieler im vierten oder fünften Zug durchführen. Zumal die einzelnen Züge tatsächlich Auswirkungen auf die Aktionen der Mitspieler haben können, da bestimmte Züge mehrere Möglichkeiten offen lassen oder Tunnel dafür sorgen, dass wir die ausgespielte Karte der Mitspieler gar nicht erst sehen. „Colt Express“ wird so selbst mit seinem eigentlich einfachen Spielprinzip schnell überraschend komplex.
Kampf gegen echte Spieler
Im Kern des Spiels liegt aber natürlich – wie auch bei der Brettspielvariante – das Spiel gegen reale Spieler, in diesem Fall via Multiplayer. Hier kommt aber leider (noch) der kleine Schwachpunkt des Spiels zum Vorschein, denn nur in seltenen Fällen finden wir genügend Mitspieler, um tatsächlich eine Online-Partie zu starten. In den meisten Fällen sind gerade einmal vier oder fünf Spieler online und nicht alle wollen auch eine Multiplayer-Partie starten. Daher kann es wohl durchaus von Vorteil sein, ein paar Freunde zu haben, die sich das Spiel ebenfalls zulegen. Dass „Colt Express“ auch online recht gut funktioniert und absolut originalgetreu umgesetzt wurde, merken wir allerdings dann, wenn sich doch einmal eine solche Partie ergibt. Da kann man nur hoffen, dass sich die Spieleranzahl schon bald deutlich erhöht – denn ein Suchtfaktor kommt schnell auf.
Wilder Westen im Comic-Look
Übrigens: Auch optisch orientiert man sich am Original, verzichtet allerdings auf die üblichen Pappaufsteller. Stattdessen gibt es einen liebevoll gestalteten Comic-Look, der mit Comic-Banditen und einer animierten Eisenbahn einerseits zwar dem Original entspricht, andererseits aber optisch recht ansprechend umgesetzt wurde. Damit eignet sich „Colt Express“ nämlich trotz dem Einsatz von Schusswaffen auch für Kinder, denn wirklich blutige Szenen sehen wir hier zu keiner Zeit und es bleibt trotz allem erkennbar, dass es sich um die Umsetzung eines Brettspiels handelt. Noch dazu sorgt die multilinguale Umsetzung hoffentlich bald dafür, dass auch internationale Fans endlich dazu kommen und den Online-Modus um zahlreiche Spieler erweitern. In jedem Fall ist „Colt Express“ aber für alle Brettspiel-Fans ein Blick wert – unabhängig davon, ob man die physische Variante bereits mag, oder vor dem Kauf des Brettspiels einmal die günstige digitale Version ausprobieren möchte.
Fazit:
Originalgetreue und liebevoll gestaltete Umsetzung des „Spiel des Jahres 2015“, das mit seiner taktischen und unvorhersehbaren Spielweise begeistert und durch die Notwendigkeit des vorausschauenden Denkens zu einer echten Herausforderung werden kann. Ein Muss für jeden Brettspiel-Fan.