Ein Ein-Mann-Projekt
Als der Ego-Shooter des chinesischen Entwicklers Zeng Xiancheng im Januar erstmals auf Steam erschient, handelte es sich um einen echten Überraschungs-Hit, um den sich schnell ein echter Hype entwickelte. Wegen seiner geradlinigen und rasanten Art behauptete sogar so mancher Spieler, er würde das ein oder andere große Entwicklerteam übertreffen. Denn eine Besonderheit gibt es bei „Bright Memory“ in jedem Fall: Das Spiel wurde tatsächlich von nur einer einzigen Person entwickelt, die offenbar ein bisschen zu viel Freizeit übrig hatte. Das führt zwar auch dazu, dass wir bei der Länge ein paar Abstriche machen müssen, denn dieser Ego-Shooter ist gerade einmal knapp eine Stunde lang, doch das Ergebnis ist trotzdem beeindruckend: „Bright Memory“ sieht nämlich grafisch tatsächlich so gut aus, als hätte ein großes Entwicklerteam dahinter gestanden und auch die Spielmechanik funktioniert grundlegend hervorragend. Zeng Xiancheng hat eben alles herausgeholt, was für einen Indie- und Einzel-Entwickler mit der Unreal Engine möglich war.
Pure Ballerei
Was wir dann auf den zweiten Blick geboten bekommen, gestaltet sich allerdings nicht so spektakulär, wie der erste optische Eindruck vermuten ließ. „Bright Memory“ ist ein ziemlich schneller und actionreicher Schlauchlevel-Shooter, bei dem wir ohne große Umschweife ziemlich hektisch ins kalte Wasser geworfen werden. Ohne echte Einführung und ohne ein richtiges Tutorial stehen wir also als Protagonistin Shelia plötzlich in den Gängen einer militärischen Firma und müssen nur wenige Sekunden darauf auch schon losballern, um irgendwie durch die Gegner zu kommen. „Bright Memory“ ist dabei nicht zimperlich und hat auch keine echte Verschnaufpause zu bieten: Bereits die ersten zehn Minuten können für manchen ungeübten Shooter-Spieler durchaus frustrierend sein, denn der Schwierigkeitsgrad dieser Gegner ist überraschend hoch.
Schnell und dynamisch
Spaß macht das vor allem deshalb, weil „Bright Memory“ einfach so unglaublich schnell ist – und damit durchaus auch die ein oder andere Macke kaschiert. In Sekundenschnelle müssen wir uns mit der grundlegenden Steuerung vertraut machen, uns größeren Gefechten widmen, während dem Schießen durch die Luft springen, Spezialfähigkeiten wie das Einfrieren der Gegner in der Luft oder unser Katana anwenden und am besten auch noch selbst nicht getroffen werden. Hat man das erst einmal verinnerlicht, entwickelt „Bright Memory“ tatsächlich eine interessante Eigendynamik, die einfach einen ungewohnt flotten Spielfluss zu bieten hat. Ein bisschen erinnert uns das Spiel an Ego-Shooter der alten Schule, in denen Reaktionszeiten und Zielgenauigkeit noch im Mittelpunkt der Handlung standen und andere Features auf ein Minimum reduziert wurden. Und genau so ist eben auch „Bright Memory“.
Hohes Frustpotential
Allerdings und das muss man trotz der beachtlichen Leistung, dass der Shooter von nur einer einzigen Person entwickelt wurde aber trotzdem zugeben: Bei genauerem Hinsehen offenbart das Spiel auch enorme Schwächen und die finden sich eben nicht nur bei der extrem kurzen Spielzeit. So lässt etwa das Verhalten der KI-Gegner mitunter stark zu wünschen übrig und auch das durchaus hübsch anzusehende Creature Design entpuppt sich als überaus repetitiv. Im Grunde bekommen wir also knapp eine Stunde lang überwiegend die immer gleichen, sich wiederholenden Gegnertypen entgegen geschleudert, die noch dazu eigentlich über keine echte Intelligenz verfügen. Die KI kennt hier schließlich nur eine Bewegung und eine Handlung und das ist geradeaus auf uns zulaufen, um uns anzugreifen. Ausweichende Manöver bekommen wir dabei nicht zu sehen und wenn es erst einmal gelingt, eine erhöhte Position einzunehmen, können wir eigentlich ganz bequem darauf los feuern. Auf der anderen Seite aber sind Bossgegner wiederum so stark, dass sie schnell frustrieren können und so mancher Spieler schnell das Handtuch wirft, wenn er innerhalb einer halben Stunde zig mal verstorben ist. Grundsätzlich kann das Spiel also durchaus auch länger dauern, wenn man die Bossgegner einfach nicht erledigen kann. Darauf allein sollte jedoch kein Spiel aufbauen.
Lara Croft lässt grüßen
Schade ist dann, dass es über diese Kämpfe hinaus ziemlich wenig interessantes Gameplay gibt. Abgesehen davon, dass wir am Fließband Gegnerhorden niedermetzeln, bekommen wir durchaus zwei bis drei sehr einfache Schalterrätsel geboten, die nicht gerade mit hohem Anspruch überzeugen. Die große spielerische Innovation suchen wir also leider vergebens und wem stupides Geballer nicht reicht, der wird mit „Bright Memory“ sicherlich nicht glücklich werden. Daran ändert auch nichts, dass sich das Spiel diverse Spielelemente bei großen Hits wie „Tomb Raider“ oder „Dark Souls“ zusammen kopiert. So erinnern die schlauchartigen Gesteinslevel nämlich mitunter an frühere „Tomb Raider“-Spiele und das „Bonfire Lit“-Schwert dürfte doch manchem „Dark Souls“-Spieler ziemlich bekannt vor kommen. Was bleibt ist am Ende eine gewisse Anerkennung dafür, was eine Einzelperson mit den richtigen Fähigkeiten im Stande sein kann, zu entwickeln. Spielerisch ist „Bright Memory“ trotz des Hypes allerdings kein großer Wurf.
Fazit:
An diesem chinesischen Ego-Shooter dürften sich die Geister scheiden: Auf der einen Seite steht die beachtliche Leistung, ein solches Projekt allein zu entwickeln und mit enorm hohem Tempo einen beeindruckenden Spielfluss zu kreieren. Andererseits bleibt unter dem Strich aber doch nur ein stupides Geballer mit immer gleichen Gegnerhorden übrig, das insgesamt ohnehin viel zu kurz geraten ist.