Kritik:
Für einen ganz besonderen eigenen Stil sind die Adventure-Künstler von Telltale seit Jahren bekannt. Nachdem die Macher von „The Walking Dead“ einen gewissen Erfolg verzeichnen konnten, gehen sie nun mit einer gänzlich eigenen interessanten Idee an den Start. Mit „The Wolf Among Us“ präsentieren sie uns eine etwas eigene Märcheninterpretation rund um Rotkäppchen und Schneewichten – halten dabei aber an den alten Stilmitteln ihrer früheren Adventures fest. Das freut die Fans natürlich umso mehr.
Märchen für Erwachsene
Natürlich waren diese Abenteuer schon immer dafür bekannt, besonders tiefgehende Charaktere zu erzählen. Doch wenn „The Wolf Among Us“ uns eine actionreiche, düstere und brutale Stadt im Comic-Look zeigt, in dem sich Märchenfiguren gegenseitig ermorden, dann ist nicht nur klar, dass dieses Spiel keineswegs für Kinder geeignet ist, sondern auch noch genügend Skurriles zu bieten hat. Mit Bigby aka „Bad Wolf“ in der Hauptrolle haben wir schließlich einen klassischen Stereotypen von Sherrif, den wir dieses Mal steuern dürfen. Mit hartem und rauen Charakter, zögert er selten lange, die Fäuste ein wenig schwingen zu lassen – setzt mit seiner Verwandlung in einen Werwolf allerdings nochmals einen oben drauf. Nebenbei gehören „Snow White“ und „Beauty“ natürlich zu den etwas sanfteren Charakteren und erfüllt eigentlich alle Klischees, eingebettet in eben diese düstere Welt. Die Charaktere des Spiels haben uns somit schnell für sich gewonnen und sind zugleich auch die große Besonderheit.
Schwein auf dem Sessel
Zugleich wissen wir aber auch, dass Märchen nicht selten auch tierische Charaktere einbauen. Klar ist, dass „The Wolf Among Us“ damit genügend völlig abgedrehte Figuren zu bieten hat, die völlig schräg und surreal in Erscheinung treten. Erst einmal das eigene Apartment von Bigby betreten, müssen wir schließlich ein fettes sprechendes Schwein auf unserem Sessel entdecken, das uns prompt unsere eigenen Fehler auf die Nase binden will. Ganz schön schräg – aber doch irgendwie auch amüsant. Derartiges setzt sich darüber hinaus dann auch fort, wenn beispielsweise der knuffige Taxifahrer Toad – ein sprechender Frosch – in ein Verbrechen verwickelt wird und uns mit seinen Lügen versucht, abzuwimmeln. Allein schon wegen diesen Figuren wollen wir unbedingt wissen, wie die zweite Episode des Spiels bald fortgesetzt wird.
Serie für den PC
Diesbezüglich hält Telltale nämlich an seinem bisherigen Konzept fest und erzählt auch „The Wolf Among Us“ in fünf aufeinander folgenden Episoden, die allesamt mit einem Abstand von mehreren Monaten veröffentlicht werden. Es macht daher auch dieses Mal Sinn, sich gleich den Season Pass zuzulegen, um auch alle weiteren Episoden automatisch zu erhalten und spielen zu können. Ansonsten hält der Spielspaß mit knapp zwei Stunden pro Episode schließlich nicht allzu lange an. Dass man keine neuen Wege geht, sieht man dann allerdings auch am restlichen Konzept, denn auf echte Rätsel müssen wir verzichten. Stattdessen nehmen wir Tatorte unter die Lupe, erkunden Gegenstände und führen sehr sehr viele Gespräche.
Entscheidungen als Spielelement
Insgesamt ist dieses Adventure nämlich sehr dialoglastig, sodass wir gefühlt die halbe Spielzeit damit verbringen, Unterhaltungen mit anderen Figuren zu führen. Interessant dabei: Wir haben stets die Wahl zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten und müssen gelegentlich auch wichtige Entscheidungen treffen. Etwa bezüglich der Reaktionen auf andere Figuren oder um welchen Charakter wir uns zuerst kümmern. All unsere Entscheidungen – so schwierig sie auch manchmal sein mögen – haben einen Einfluss auf den späteren Spielverlauf. Das ist die eigentliche Faszination an „The Wolf Among Us“. Kenner von „The Walking Dead“ dürften das Spielprinzip allerdings bereits kennen und somit einen sehr leichten Einstieg haben. Insofern kann man den Fans der alten Telltale-Spiele auch dieses Adventure klar empfehlen.
Quicktime mit Tempo
Beim Kampfsystem hat sich unterdessen auch nicht viel geändert. Hierbei setzt Telltale erneut auf die klassischen Quicktime-Events und verlangt von uns schnelle Reaktionszeiten. Da gilt es, möglichst rechtzeitig bestimmte Tasten zu drücken oder mit der Maus zu klicken. Die Inszenierung selbst wirkt allerdings – obwohl wir keineswegs schneller reagieren müssen – inzwischen actionreicher und temporeicher, als noch in den früheren Spielen. Das kommt auch deshalb zustande, weil wir in dieser Episode auch mal eine Verfolgungsjagd zu Fuß starten müssen, bei der wir über verschiedenste Hindernisse springen. Spannung bleibt also bestehen, Ego-Shooter-Fans sind hier aber bekanntlich nicht richtig. Speziell in Bezug auf Story, Charaktere und Setting hat Telltale sich aber einmal mehr selbst übertroffen und liefert sogar einen extrem passenden Comiclook ab. Klasse!
Fazit:
Das neueste Adventure der „The Walking Dead“-Macher hält an seinen klassischen Spielelementen fest, überrascht aber mit einem kuriosen Setting, erstklassigen Charakteren und einer spannenden Story, die lange motivierend wird.