Auf der Open Air Main Stage beginnt das Programm an beiden Tagen immer etwas früher. Da ging es rockig los mit Vlad in Tears und Hell Boulevard – und selbst Mark Benecke, der das Festival als Moderator eröffnet, dürfte von dem bereits hohen Andrang vor der Bühne überrascht gewesen sein. Aber: Bei zunächst hervorragendem Sommerwetter ist das Amphi Festival in diesem Jahr ausverkauft, sicher auch wegen der zahlreichen bekannten Acts und besonderen Highlights, die das Festival zu bieten hat. Viele Anhänger der schwarzen Szene gehen den Start aber auch erst einmal etwas ruhiger an. Das Gelände erkunden, ein bisschen bei den Händlern stöbern und vor allem: Die Freunde begrüßen. Die schwarze Szene ist sehr mobil und familiär, viele Besucher kennen sich bereits von anderen Festivals, aus den einschlägigen Clubs. Manche reisen gleich gemeinsam an, andere treffen ihre Bekannten. Wer sehr aktiv in der Szene ist, kennt wahrscheinlich an jeder Ecke jemanden.
Camouflage überzeugen mit ihrem Hit “The Great Commandment”
Als Rückzugsort bietet sich dafür auch der Beach Club im hinteren Bereich des Tanzbrunnens an, der während des gesamten Festivals geöffnet ist. Mit Blick auf den Rhein und den Kölner Dom, können sich die Festivalbesucher hier für einen Plausch bei einem Weißbier oder etwas Entspannung zurückziehen. Sogar Sonnencreme gibt es für das sommerliche Wetter an einer kostenlosen Probestation. Manche anderen stehen derweil in der ersten Reihe der Main Stage und feuern die ersten großen Rockbands des Tages an. Eisfabrik haben nicht nur einen eigenen Yeti dabei, sondern kombinieren ihre Gitarrensounds mit bestem Synthpop. Gleich danach ging es dann bei Nachtblut ein wenig derber und düsterer zu. Mehr Gothic als bei dieser Band geht kaum.
Während Letzte Instanz bei ihrer Abschiedstour nochmal Halt auf allen wichtigen Festivals macht und deshalb auch auf dem Amphi Festival natürlich gebührend gefeiert wird, füllt sich allmählich auch die mittelgroße Bühne nebenan im Theater. Auf der Indoor-Bühne spielen vor allem Bands, die nicht mehr ganz so klein sind, aber noch nicht den großen Andrang erzeugen, dass sie auf der Main Stage spielen müssen. Hier hat das Amphi Festival vor allem einige Besonderheiten zu bieten, die noch nicht allzu häufig auf dem Festival gebucht wurden: Bands wie Rein, Skynd und Klangstabil begeistern hier das Publikum, das offen für Neues ist und etwas Lust auf Abwechslung hat.
Bei ihrer Abschiedstournee spielen Letzte Instanz auch ein letztes Mal auf dem Amphi Festival
Die dritte Bühne auf der MS Rheinmagie ist hingegen etwas nervig. Auf Grund des niedrigen Wasserstands lag das Schiff nicht auf der Seite des Tanzbrunnens, sondern musste in der Kölner Altstadt anlegen. Für Besucher, die zur dritten Bühne, der Orbit Stage, gelangen wollten, bedeutete das eine lästige Fahrt mit dem Shuttlebus über den Rhein. Dass die Fahrt eine knappe halbe Stunde dauerte, statt nur 10 Minuten, lag auch an der fragwürdigen Straßenführung der Stadt Köln, die auch für viele Autofahrer immer wieder ein Ärgernis darstellt. Dort einmal angekommen warteten eher kleinere Bands bei besonders hübschem Ambiente und leckeren Speisen auf die Festivalbesucher. Da ging es mitunter auch recht elektronisch zu, wenn etwa Bands wie Abu Nein oder Alien Vampires ordentlich einheizten.
Am Abend dann die ganz großen Acts auf der Main Stage, die in diesem Jahr ziemlich überraschten. Die großartige Anne Clark mag sich sicher nicht so ganz der schwarzen Szene zugehörig fühlen, auch wenn sie sich recht großer Beliebtheit in der Darkwave / New Wave-Szene erfreut. Erfreulich, dass das Amphi Festival derartiger Musik trotzdem eine Bühne bietet und das Publikum dies zu schätzen weiß: Anne Clark begeisterte eher mit einem klassisch angehauchten Set, ihrer sanften Stimme und zahlreichen Streichinstrumenten. Ihre größten Hits wie “Sleeper in Metropolis” gehören da natürlich dazu, auch wenn der Auftritt insgesamt eher sanft-melancholisch daher kommt – ganz im Kontrast zu den restlichen Rock- und Electro-Bands.
Klassik und Avantgard: Auch für die legendäre Anne Clark bietet das Amphi eine Bühne
Auch die 80er Jahre Größe Camouflage überzeugte mit eher softeren Tönen. Bekannt geworden in der Hochzeit von Depeche Mode, werden Songs wie “The Great Commandment” noch heute gefeiert – und dabei kommt die Band sogar noch in Originalbesetzung daher. Die Band um Marcus Meyn wird dabei nicht nur von Alt-Gruftis gefeiert, die damals schon in der Szene aktiv waren, sondern zieht auch heute noch jüngeres Publikum an. Trotz der Bekanntheit seit den 80er Jahren sind die Headliner aber inzwischen ganz andere: Lord of the Lost, die im Jahre 2023 für Deutschland beim Eurovision Song Contest angetreten sind, stehen inzwischen ganz oben auf dem Festival-Plakat – und versammeln eine riesige Fanbase hinter sich.
Der zweite Headliner sollte an diesem Wochenende eigentlich VNV Nation sein, die ihren Auftritt wegen eines Krankenhausaufenthalts ihres Sängers Ronan Harris leider absagen mussten. Als würdiger Ersatz durfte eine nicht weniger bekannte Band der Szene auf die Bühne: Project Pitchfork, die kurz zuvor bereits bei “Call the Ships to Port” spielten, brachten exklusiv für den Headliner-Auftritt beim Amphi Festival einige alte Hits, die sie inzwischen nur noch selten spielen, mit. Der ursprüngliche Headliner VNV Nation wurde unterdessen bereits für das Jahr 2026 angekündigt, wenn das Amphi Festival zum 20. Jubiläum einlädt.
Die ersten Bandankündigungen gibt es für 2026 außerdem bereits: Neben VNV Nation werden auch Eisbrecher und Mono Inc. wieder auf die Main Stage spielen. Mit Solar Fake, Diary of Dreams, Lebanon Hanover und vielen mehr kommen außerdem zahlreiche weitere Publikumslieblinge. Am 25. und 26. Juli 2026 lädt das Amphi Festival dafür wieder in den Tanzbrunnen Köln. Tickets gibt es für 126 Euro unter amphi-shop.de
Fotos: Rene Daners