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  • Bochum: Laibach verwandelten die Christuskirche in ein Gesamtkunstwerk
    21. Oktober 2024 | 21:01

    Um die Musikgruppe Laibach aus Slowenien gibt es die verschiedensten Mutmaßungen. Die einen halten sie für eine Industrial-Band aus der schwarzen Szene. Für die anderen sind sie ein politisches Kunstprodukt. Seit mehr als 40 Jahren führt die Band nun ihr Publikum in die Irre und sieht sich dabei als Teil des Kunstkollektivs Neue Slowenische Kunst. Kollektiv bedeutet aber auch: Eine Band aus festen Mitgliedern sind “Laibach” nicht. Immer wieder kommt es zu Personalwechseln innerhalb der Musikgruppe und trotzdem scheint sich ihre Qualität, ihr Stil und auch ihre Musik nicht besonders verändert zu haben. Musikalisch bewegen sich “Laibach” schon seit 1980 im Bereich Industrial, Retroavantgarde, Post-Punk und einem Hauch Klassik. Dass das Publikum nahezu ausschließlich aus der schwarzen Szene stammt, verwundert daher wenig.

    Laibach

    Andersartig und zugleich mutig ist der Auftritt aber bereits zu Beginn: “Laibach” beginnen in der Christuskirche Bochum am 20. Oktober 2024 zunächst rein instrumental. Sänger Milan Fras ließ sich erst einmal noch nicht blicken, während seine Band bereits martialische, intensive Stücke spielt. Mit ihrer besonderen Atmosphäre und einer beeindruckenden Dynamik haben sie das Publikum schnell gepackt. Eine Kirche voller Goths, die alle ruhig und gespannt auf ihren Plätzen sitzen, in stetiger Erwartung, welche besonderen Töne wohl als nächstes erklingen, sieht man auch nicht alle Tage. Beim dritten Song allerdings sollte es endlich so weit sein: Milan Fras lässt seine tiefe, militärisch klingende Stimme ertönen, um dem Konzert seinen typischen Laibach-Sound zu verpassen.

    Das allerdings reicht dem Kollektiv nicht, das sich neben der Musik auch anderweitig künstlerisch betätigt. Ein Laibach-Konzert ist eine harmonische Koexistenz aus perfekter Akustik, spannender Atmosphäre und visueller Ästhetik. Umfangreiche Videoprojektionen, die perfekt zu den jeweiligen Songs passen, gehören also seit Jahrzehnten dazu. Den Künstlern ist es dabei gelungen, selbst die komplizierten steilen Ecken der Kirchenwände perfekt mit scharfen Videos zu bespielen, als wären die einzelnen Ausschnitte, die sich an die Architektur des Gebäudes anpassen, extra für die Christuskirche in Bochum produziert worden. Das ist mal Kunst im kommunistischen Artwork, mal militärisch und historisch bezogene Bilder, aber auch mal einfach eine englische Untertitelung für die slowenischen Texte, die das deutsche Publikum sonst kaum verstehen würde.

    Laibach

    Dabei kann die Band aus Slowenien sogar hervorragendes Deutsch: Mit künstlerisch anspruchsvollen Songs wie “Alle gegen Alle” singen sie nicht nur auch mal deutsche Texte, sondern liefern zugleich ein zweideutiges Kunstwerk, das sowohl als Hymne für die schwarze Szene durchgehen könnte, aber zugleich auch ein NATO-kritisches Lied sein will. So richtig weiß das Publikum nie, ob und wie sich Laibach eigentlich positionieren will – und das ist auch gut so. Sind die Slowenen links? Oder doch rechts? Das bleibt offen, Laibach lassen die Kunst für sich sprechen. Und sind dabei seit inzwischen 44 Jahren stets mehrdeutig, irreführend, bewusst überidentifizierend. Ein Statement gibt die Band niemals ab. Verbale Parolen hat das Publikum nicht zu befürchten.

    Tatsächlich verzichten Laibach generell großflächig darauf, mit dem Publikum zu sprechen oder zu interagieren. Die Kunst soll eben für sich stehen und von alleine wirken. Das passt auch zum großartigen Konzept des gesamten Konzertes, das immer wieder Überraschungen zu bieten hat. Laibach machen sich Gedanken über jeden Song, jede Wirkung – vom ersten Lied bis zum tatsächlichen Finale. Dass sie mit Marina Mårtensson auch eine Frau an Bord haben, bei deren Gesangstalent schnell die Frage aufkommt, ob sie wohl eine klassische Gesangsausbildung hinter sich hat, ist eine der frühen Überraschungen. Das Duett aus beeindruckend hoher und mitreißender weiblicher Gesangsstimme und dem Kontrast der tiefen, militärisch-markanten Stimme von Milan Fras, ist eine überwältigende Kombination, die das Laibach-Konzert nochmal auf eine höhere Ebene hebt, als sie sowieso schon schweben.

    Laibach

    Bei ihrem Konzert innerhalb der “Opus Dei”-Tour spielen sie schließlich viele alte Songs, die noch aus dem gleichnamigen dritten Album stammen. “Leben heißt Leben”, ein abgewandeltes Cover von Opus “Life is Live” oder der Klassiker “Geburt einer Nation” sind da natürlich obligatorisch. Auf ihren großen Hit “Tanz mit Laibach”, angelehnt an DAFs “Der Mussolini” verzichteten sie allerdings, der passte wohl nicht ganz ins Konzept. Dafür beweisen sie trotz ihrer geringen Interaktion mit dem Publikum auch eine Prise Humor. Das Cover “I want to know what love is” von Foreigner sollte einer der letzten Songs während der Zugabe sein, begleitet von einer Videoprojektion voller Herzen und anzüglicher Szenen. Im martialischen Stil von Laibach bekommt selbst diese Balladen seinen ganz eigenen Touch – und wird diesen Konzertabend wohl unvergesslich machen. Vielleicht sind sie deshalb auch die einzige westliche Band, der es jemals gelungen ist, sogar in Nordkorea aufzutreten.

    Fotos: Rene Daners