Ein bisschen erstaunlich ist es an der Stelle aber auch, dass Welle: Erdball heute als eine der wichtigsten Bands der schwarzen Szene bezeichnet wird. Ihr Auftreten kommt doch eher fröhlich, durchaus positiv daher. Ihre Musik erinnert an einen Mix aus Neue Deutsche Welle, 8-Bit-Computersounds und modernem, poppigen Electropop. So richtig düster möchte Welle: Erdball nicht sein. Ihre Entwicklung in einem 3-stündigen Konzert zu sehen, in dem sie die größten Hits verschiedener Epochen spielen, ist dennoch hochinteressant. Auch, weil Songs wie “Mumien im Autokino” inzwischen doch etwas düsterer geworden sind, als von Welle: Erdball ursprünglich gewohnt.
Bevor es soweit war, durften aber erst einmal noch drei andere Bands den Geburtstag zusammen mit Welle: Erdball feiern. Da zeigt sich auch, wie eng die Freundschaften zur schwarzen Szene doch sind, beschränkte man sich bei der Bandauswahl doch genau darauf: Disrupted Being, Alienare und Rroyce durften die Menge einheizen, bevor der langersehnte Main Act die Bühne betrat. Manche davon wurden in einer Zeit geboren, da stand Hannes Malecki, Frontmann von Welle: Erdball schon länger auf der Bühne. Tim Schulschenk von Alienare wusste es auch sehr humorvoll auszudrücken: Sie spielen heute vor einer Band, “die so alt ist, wie ich”, stellt der Alienare-Sänger zu Beginn seines Auftritts fest. Musikalisch fügt sich ihr neongrüner, durchaus fröhlicher Synthpop zum Mitmachen aber hervorragend neben die Seifenblasen von Welle: Erdball ein.
Kurz nachdem die Dortmunder von Rroyce dann in der Turbinenhalle Oberhausen die Funkeln nur so sprühen ließen, zeigt Welle: Erdball, wieso ihr Auftritt einen ganz besonderen Stil hat. Die Bandmitglieder verstecken sich hinter weißen Leinwänden, die hellen Scheinwerfer werfen ihre Silhouetten auf die Projektionsfläche und Welle: Erdball spielt mit Kunst und Körpersprache, während ihre Highlights aus 30 Jahren Bandgeschichte aus den Lautsprechern schallen. An diesem Abend sollen die Fans dann noch öfter merken, dass ein Auftritt von Welle: Erdball ein Gesamtkunstwerk ist. Wenn die Sängerinnen Lady Lila und M.A. Peel sich in ihren weißen Kleidern roboterartig im Kreis drehen, während Seifenblasen die Bühne befüllen und riesige schwarze Ballons durchs Publikum geworfen werden, macht das Bühnenbild schon einiges her.
Sängerin Isa überraschte nach 19 Jahren die Fans
Optisch macht das bereits Spaß. Die Besonderheiten an diesem Abend sollten die Fans dann aber erst recht begeistern und eines Geburtstages würdig sein. Das klappt auch ziemlich schnell, als plötzlich ein weiblicher Gast auf der Bühne steht, den selbst die langjährigsten Fans schon viele Jahre nicht mehr gesehen haben. Sängerin Isa war nämlich nur von 1993 bis 1995 ein Teil der Band und ist inzwischen ganze 19 Jahre nicht mehr zusammen mit Welle: Erdball aufgetreten. Am 9. September 2023 sollte sich das endlich ändern und für zwei Songs fühlten sich die Fans wie in einer Zeitreise. Nach zwei Tagen Bedenkzeit, ließ es sich Isa nicht nehmen, nach so langer Zeit noch einmal als Sängerin auf der Bühne zu stehen und das Publikum damit positiv zu überraschen. So mancher Besucher in der Menschenmenge wird Welle: Erdball wahrscheinlich noch gar nicht gekannt haben, als Isa noch mit auf Tour war.
Um Punkt Mitternacht dann ein kleines Geständnis: Eigentlich feierte Welle: Erdball an diesem Abend ja in ihren Geburtstag hinein. Und das war auch bestens vorbereitet: Innerhalb von Sekunden wurden tausende kleine weiße Welle: Erdball-Flaggen im Publikum verteilt, die dann pünktlich zum Anstoßen mit Sekt von der gesamten Menschenmenge geschwenkt wurden. Dass die Band nach inzwischen zwei Stunden allerdings längst nicht Feierabend macht, sondern bis 1 Uhr nachts noch eine weitere Stunde dranhängen würde, hätte an dieser Stelle vermutlich niemand erwartet. Nach 30 Jahren hat man eben einige große Hits zu feiern und davon sollte an diesem Abend nun wirklich keiner fehlen.