Ein paar Newcomer aus der Region dürfen schließlich nicht fehlen, wenn man die Musiker aus der Umgebung auch ein bisschen fördern möchte. Und da haben zu Beginn des Festivals sogar Schüler aus Ratingen und Bonn die Möglichkeit, zum ersten Mal etwas Bühnenerfahrung zu sammeln. Die 9- bis 12-jährigen Reel Talents der Ludwig-van-Beethoven-Musikschule in Bonn kamen aber immerhin mit einem ganzen Orchester und zahlreichen Instrumenten auf die Bühne, um zu beweisen, dass sie hier die großen Nachwuchs-Stars der Folk-Szene sind. Da tanzen vielleicht noch nicht hunderte Leute direkt vor der Bühne, aber an der Seite von Musiklehrerin Sabrina Palm, die später auch mit ihrer eigenen Band auf der Bühne stehen sollte, war das schon ein ziemlich professionell wirkender Auftritt. Und wer weiß: In ein paar Jahren sieht man so manchen Musiker vielleicht auch mal andere große Bühnen rocken. Auf jeden Fall waren diese Kinder wohl die jüngste Band, die es jemals auf einem Festival mit 4-stelliger Besucherzahl zu sehen gab.
Mutig: Johannes Epremian als Solo-Geiger mit authentischer Cajun-Musik aus Louisiana
Gleich danach entstand aber auch für eine andere Band eine etwas lustige Konstellation: Die erfahrenen Musiker Johannes Epremian, Steven Crawford und Ralph Schläger stehen normalerweise nämlich gemeinsam mit ihrer Band “Le Clou” auf den Bühnen des Landes und spielen französischsprachige Cajun-Musik. Nicht so beim Folkerdey Festival, auf dem sie zwar ebenfalls alle anwesend waren, jedoch nicht gemeinsam die Bühne betreten durften: Johannes Epremian wurde nämlich mit seinem außergewöhnlichen Solo-Programm gebucht, bei dem er als Solo-Geiger die 1920er Jahre der Pub-Musik in Louisiana nachempfinden möchte – und dabei bewies, dass ein solch minimalistischer Auftritt durchaus funktioniert. Steven Crawford und Ralph Schläger hingegen begaben sich gemeinsam mit Sabrina Palm auf die Bühne, um im Breadfactory Project richtigen “Fresh Folk from Scotland” auf die Bühne zu bringen.
Während Folk-Musik aus der Region (und zum Teil auch aus Ratingen) reichlich vertreten war, durften aber auch internationale Klänge auf einem Folk Festival natürlich nicht fehlen. Die wohl vielfältigste Herkunft der Bandmitglieder hatte an diesem Abend wohl die Band Tribubu zu bieten. Die 4-köpfige Crew kam schließlich aus Spanien, England und sogar von der Elfenbeinküste. Musikalisch dann genauso vielfältig, wie ihre Herkunft: Auf die Ohren gab es einen Mix aus Rumba, Folk, Blues und Afrobeat – und das ziemlich tanzbar. Als erste so richtig tanzbare Band an diesem Abend füllten die nicht nur zunehmend das Festivalgelände, sondern ließen auch erkennen, wie hervorragend das Publikum an diesem Abend gelaunt war: Schnell tanzen locker fünfzig Menschen ausgelassen vor der Bühne – von den älteren Festivalbesuchern bis hin zu kleinen Kindern, die auf der Wiese tobten. Tribubu nahmen schließlich wörtlich, was sie zu Beginn ihres Auftritts verkündeten: “Unsere Mission ist es, dass ihr am Ende des Konzerts alle vom Boden aufgestanden seid”. Und das taten sie. Ausnahmslos.
Tribubu heizen mit Afrobeat das Publikum ein
Eine Band mit einem etwas seltsamen Namen sollte genau diese Stimmung dann auch fortsetzen und an der Tanzbarkeit ihrer Vorgänger anknüpfen: Das Mumuvitch Disko Orkestar brachte dabei sogar ein Genre mit auf das Folkerdey Festival, das man auf einem Folk Festival nun nicht unbedingt erwarten würde: Waschechten Dancehall im Stile von Bands wie “Seeed” sollte es da plötzlich zu hören geben – und zwar mit einem ebenso großen Ensemble. Ob Rap, Saxophon oder riesiges Sousaphon – diese Band legte ein ordentliches Tempo auf die Bühne. Der Moderator hatte hier zuvor schon richtig erkannt: Wenn diese Musiker auf der Bühne stehen, sollte man seine Picknick-Decke wohl besser einpacken und Platz machen, damit das gesamte Publikum vor der Bühne reichlich Raum hat, um das Tanzbein zu schwingen. Und so viele tanzende, gut gelaunte Menschen – die sieht man oftmals nicht einmal auf den ganz großen Festivals wie Rock am Ring.
Spätestens mit Mumuvitch wurde dann schließlich auch bewiesen, dass Folk Music eben nicht bieder und langweilig sein muss. Alles, was irgendwie handgemachte “echte Musik” ist, so auch das Motto der Band, passt doch irgendwie zum Folk. Und warum nicht auch einmal gänzlich außergewöhnliche Sachen machen, wie mit dem Gankino Circus dann der zweite Headliner an diesem Abend. Hat eigentlich schon einmal jemand echten Rock’n’Roll mit fränkischem Gesang gehört? Nun, wenn diese Band nicht der nächste große Hit auf dem Oktoberfest oder der Erlanger Bergkirchweih wird, dann wissen wir auch nicht. Der Sound von Gankino Circus war ein außergewöhnlicher flotter und rockiger Mix. Und wenn sich der Schlagzeuger dann auch noch während seines Schlagzeug-Solos komplett umzieht, ohne dabei auch nur eine Sekunde den Takt zu verlieren, kommt das Publikum so schnell auch nicht mehr aus dem Staunen heraus. “Circus” ist hier eben auch irgendwie Programm und das macht zugegebenermaßen doch ziemlichen Spaß beim Zuschauen.
Tanzbare Dancehall-Rhythmen vom Mumuvitch Disko Orkestar
Zu guter letzt dann Matakumbe, die auf der Bühne ebenfalls nochmal ordentlich Gas gegeben haben, nachdem die Sonne längst untergegangen war und sich die sommerlichen und sonnigen 30 Grad inzwischen zu einer angenehmen Abendluft abgekühlt hatten. Mit “World Groove meets Future Pop” beschrieb der Veranstalter die Band auf der Webseite. Tatsächlich geboten bekamen wir eher Raggae, Raggaemuffin und Beatboxing – und das so kreativ, dass man hier beinahe meinen könnte, der Sänger hätte spontan wahllos Silben aneinandergehangen, die alle doch ziemlich geil klingen. Damit schlossen Makatumbe aber auch hervorragend an das Mumuvitch Disko Orkestar auf der Main Stage an und sorgten bis etwa 0:30 Uhr für temporeiche Stimmung. Einen Vorteil hat so ein Festival mittem im Grünen eben doch: Hier kann gefeiert werden, bis auch die letzte Band endgültig keine Lust mehr hat. Und das kann auch einmal mitten in der Nacht sein. So sicher auch im kommenden Jahr, denn das nächste Folkerdey Festival ist für den 8. Juni 2024 geplant.