Manche Band, die vor einigen Jahren in solch kleinem Rahmen gestartet ist, steht heute auf den Bühnen des Amphi Festivals oder darf bei “Unter schwarzer Flagge” zukünftig mit auf Schifffahrt nach Königswinter gehen. An diesem kleinen Festival, das vor allem von jenem Publikum besucht wird, das auch die Newcomer zu schätzen weiß, scheint die Freude aber trotzdem ziemlich groß. Für noch ganz kleine und junge Acts ist das natürlich eine von vielen ersten Chancen, die Bekanntheit ein wenig zu erhöhen: So durfte Antibody am 3. Juni 2023 den Abend eröffnen und das Publikum mit recht flotten technoiden Klängen einheizen. Für Jan Laustroer aus Bottrop-Kirchhellen, der da ganz allein auf der Bühne stand, um seinen Live-Auftritt abzuliefern, sicher ganz schön mutig. Optisch eher an einen DJ erinnernd, steht er hinter Laptop, Drumpad und ein bisschen Elektronik. Das aber reicht, um ordentlich Spaß auf der Bühne zu haben und die Besucher in Schwarz schon einmal zum Tanzen zu bringen.
Der Gothic-Chor: Stimmgewalt
Dass danach ein echtes Kontrastprogramm die Bühne betrat, war da schon beinahe ein Stilbruch. Auf elektronische Musik folgte dann plötzlich a cappela ohne jegliche Instrumente. Mit Stimmgewalt gab es zugleich aber auch eine echte Besonderheit: Ein richtiger Gothic-Chor betrat die Bühne, der zahlreiche Coversongs aus dem Genre des Gothic, Synthpop und Metal spielte. Da gab es unter anderem Songs von berühmten Künstlern wie Rammstein, ASP und zahlreiche andere Größen der schwarzen Szene. Währenddessen war bei Stimmgewalt allerdings auch der Name absolut Programm: Der ausgewogen aus beiden Geschlechtern bestehende Chor lieferte schließlich eine Vielfalt der Stimmen ab, die so ziemlich jeden anwesenden Besucher kurzerhand zum Fan machte. Und das Fehlen der Instrumente? Auch gar nicht so schlimm, denn da wird auch einfach mal ein Schlagzeug mit dem Mund gespielt – und zwar weitaus realistischer, als man das vom Beatboxing kennt. Jedes einzelne Mitglied dieses Chors war so talentiert, dass sie problemlos auch Solo ein Gesangskonzert geben könnten. Wahrlich eine Besonderheit.
Viel mehr Instrumente und das auch noch ausgerechnet bei elektronischer Musik, gab es an diesem Abend bei System Noire, die in ihrer aktuellen Besetzung gleich mit fünf Bandmitgliedern auf der Bühne stehen und – nach ihrer einstigen Gründung in Hannover – inzwischen vor allem in der Gothic-Szene des Ruhrpotts heimisch sind. Möglichst tanzbar, aber trotzdem mit Schlagzeug, Gitarre und Keyboard kamen sie zum In Darkness Festival, um einen unverkennbaren Sound abzuliefern. Die Besonderheit: System Noire kombinieren die manchmal etwas härteren elektronischen Klänge mit satten Gitarren zu einer Art Crossover zwischen Metal und Industrial Electro. Die eher düsteren Outfits, die gerne auch mit zusätzlicher schwarzer Schminke verstärkt werden, passen perfekt zum Namen des Events.
Apoptygma Berzerk-Keyboarder Jonas Groth mit seiner Band Piston Damp
Eine kleine Berühmtheit gab es gleich danach allerdings auch, denn die vermeintlich eher unbekannte kleine Band Piston Damp kam extra aus Norwegen angereist, um das Publikum, das hier schon zahlreich mit norwegischen Flaggen ausgestattet war, ordentlich einzuheizen. Manchem Kind der 80er und 90er Jahre wird dabei allerdings aufgefallen sein: Irgendwas kommt hier musikalisch zumindest ansatzweise bekannt vor. Zurecht: Frontmann Jonas Groth trat damals nämlich bereits an der Seite seines Bruders Stephan L. Groth mit der erfolgreichen Synthpop-Band Apoptygma Berzerk auf. Dort noch als Keyboarder unterwegs, der hin und wieder mal einen Song selbst singen durfte, nimmt er heute bei Piston Damp persönlich das Mikrofon in die Hand, um seine eigenen Songs zu performen. Die orientieren sich ebenfalls am Synthpop-Genre und locken vor allem mit einem hervorragenden Gesang und melodischen Klängen. Songs wie “Something In Me” oder “Make The World Great Again” werden dabei schnell zum Ohrwurm und gehen einem auch nach Tagen noch nicht aus dem Kopf.
Zu guter Letzt dann die Headliner, für die die meisten Besucher wohl extra nach Duisburg gekommen sind und deren Fans bereits optisch leicht zu erkennen waren: Die Synthpop-Band Alienare – eine der aufsteigenden Stars der Szene, die inzwischen auch als Support für namhafte Acts wie Welle: Erdball, Unzucht und Blutengel auf Tour sind. Charakteristisch: Die grün hochgestylten Haare von Frontmann Tim Schulschenk, der auch Mitveranstalter des In Darkness Festivals ist und die typischen neongrünen Krawatten, die viele Fans zu schwarzem Hemd, T-Shirt oder worüber auch immer sonst tragen. Alienare ist damit wohl die einzige Band der Gothic-Szene, der es jemals gelungen ist, eine Neonfarbe auf ihren Konzerten zu etablieren – was auch an ihrem großen Hit “#Neon” liegt, der bei keinem ihrer Auftritte fehlen darf. Eine Besonderheit war das Konzert dieses Mal aber dennoch: Die Fans durften vorher abstimmen, welche Songs die Band an diesem Abend spielen soll. Ein echtes Wunschkonzert also, bevor das In Darkness Festival kurz vor Mitternacht mit gut gelaunten Gesichtern ihr Ende fand.
Headliner und Mitveranstalter: Alienare