Kritik:
Als vor einigen Monaten die Schließung der beliebten Telltale Games Studio angekündigt wurde und die finale Staffel von „The Walking Dead“ gerade einmal halb abgeschlossen war, stand die Zukunft des Spiels gänzlich in den Sternen. Für Fans der Reihe gibt es inzwischen allerdings einen Grund zum Aufatmen: Der Publisher Skybound Entertainment hat sich dazu entschlossen, das Entwicklerteam bei sich aufzunehmen und das Spiel zu Ende zu bringen. Mittlerweile ist bereits die dritte von insgesamt vier Episoden erschienen.
Erziehung ist schwer
Seit der vorherigen Staffel dürften für die Hauptfigur Clementine, die wir bereits seit dem ersten „The Walking Dead“-Spiel von Telltale begleiten, einige Jahre vergangen sein. Aus dem kleinen Mädchen, das einst noch vom Polizisten Lee beschützt wurde, ist inzwischen eine tapfere, abgehärtete junge Frau geworden, die längst keine Skrupel mehr davor hat, zur Waffe zu greifen und gewalttätige Menschen zu ermorden. Die spannende Schwierigkeit dabei: Obwohl wir in der finalen Staffel ebenso wichtige Entscheidungen für das Fortschreiten der Geschichte treffen, haben diese Entscheidungen nun viel mehr Auswirkungen auf den kleinen Begleiter, als auf Clementine selbst. Clementine schlüpft nämlich längst in die Rolle von Lee und muss selbst einen kleinen Jungen beschützen. Und unsere Entscheidungen haben Auswirkungen darauf, ob sich der Junge selbst zu einem Killer entwickelt. Immerhin muss er vielleicht mit ansehen, wie wir Menschen foltern oder Gegnern einfach in den Kopf schießen, obwohl sie längst nicht zu Zombies geworden sind. Das verleiht der letzten Staffel viele Stärken, die die Qualität der Spielereihe durch moralische Tiefen noch einmal erhöhen können.
Bekanntes Gameplay
Spielerisch hat sich derweil allerdings nicht viel verändert und das wird so manchem Kritiker wohl nach wie vor missfallen. Immerhin punktete die „The Walking Dead“-Reihe von Telltale noch nie mit besonders umfangreichem Gameplay, sondern war stets eher wie ein interaktiver Film inszeniert, der seinen Schwerpunkt bei der Story sieht. Das bleibt auch bei der letzten Staffel grundlegend gleich: Einen Großteil der Spielzeit verbringen wir in Dialogen, in denen wir mal mehr, mal weniger wichtige Entscheidungen treffen müssen, die Auswirkungen auf den Spielverlauf haben oder sogar darauf, welche Figur als nächstens aus dem Leben scheidet. Zeitdruck und ethische Fragen machen dabei das Spiel aus. Trotzdem haben sich die Entwickler aber dieses Mal ein paar Szenen mit besonderem Gameplay ausgedacht. So finden wir zum ersten Mal auch Shooter-Elemente, bei denen wir mit einer Armbrust auf Gegner schießen, mit Eingeweiden beschmiert durch Zombies spazieren oder die Deckung ausnutzen müssen, um den schießwütigen Gegnern zu entkommen. Das mag spannend sein und den Schwierigkeitsgrad zumindest einen Hauch erhöhen, überzeugt an dieser Stelle aber leider nicht gerade mit einer ausgeklügelten Steuerung.
Ganz wie das Vorbild
Dem ein oder anderen Fan der TV-Serie wird dabei wahrscheinlich schon aufgefallen sein: Das Beschmieren mit Eingeweiden, um sich unbemerkt durch Zombiehorden bewegen zu können, kommt einem ziemlich bekannt vor. Tatsächlich fällt bei der finalen Staffel nun mehr denn je auf, dass sich Telltales „The Walking Dead“ immer stärker an der Serienvorlage orientiert. Das wird auch bei den eigentlichen Storymustern ersichtlich, die inzwischen einen ähnlichen Soapcharakter annehmen, wie die Fernsehserie. Auch Clementine stößt hier schließlich auf eine Gruppe von Menschen, die sich ein neues Zuhause aufgebaut haben und mit denen der Umgang nicht ganz so einfach ist. Was danach folgt, ist praktisch obligatorisch und für Kenner der Serie sicherlich kein Spoiler: Früher oder später schlagen sich die Betroffenen natürlich gegenseitig die Köpfe ein. Und dennoch schafft es das Spiel auch hierbei, die Charaktere auf ein höheres Level zu bringen und insgesamt sogar qualitativer zu erscheinen, als die TV-Vorlage: Mit ganz eigenen Vorgeschichten und besonderen Umgangsformen zeigt das Spiel schließlich starke Charaktere, die allesamt schnell unser Interesse wecken und den Spieler an den Bildschirm fesseln. Da ist es dann vielleicht sogar von Vorteil, die finale Staffel erst jetzt zu kaufen, um die vier Episoden alle gleich hintereinander „bingen“ zu können. Die letzte Episode soll immerhin bereits im März erscheinen.
Ein spielbarer Comic
Technisch hat sich unterdessen außerdem auch einiges verbessert und das macht sich vor allem bei der Grafik bemerkbar. Die Figuren der finalen Staffel, allen voran auch die junge Clementine, machen insgesamt einen deutlich plastischeren und realistischeren Eindruck. Trotzdem hat sich Telltale dazu entschlossen, optisch weiterhin nah an der Comicvorlage zu bleiben und die Figuren dennoch aussehen zu lassen, wie plastisch erscheinende Comicfiguren, was sich somit weiterhin gut in die Gesamtreihe einfügt. Das allerdings hat dann auch positive Auswirkungen auf die Kulissen des Spiels, wenn etwa Gebäude, Wälder und Schiffe ebenso eindrucksvoll in Erscheinung treten. Allerdings: Gleichzeitig wirkt sich das natürlich auch etwas auf die explizite Gewaltdarstellung aus, die nicht immer ganz zimperlich zur Sache geht. Ähnlich wie bereits in den vorherigen Staffeln kann der Kampf gegen Zombies, oder auch das Behandeln von Verletzungen ganz schön eklig aussehen. Das ändert sich auch in der nun dritten, bei Skybound erschienen Episode nicht: „The Walking Dead“ richtet sich weiterhin tendenziell eher an erwachsene Spieler. Diese Empfehlung würden wir allerdings auch auf Grund der moralischen Tragweite des Spiels empfehlen, die einmal mehr die nach jeder Episode folgende Selbstreflexion besonders interessant macht.
Fazit:
Die finale Staffel der beliebten „The Walking Dead“-Reihe geht unter neuem Publisher gekonnt weiter und punktet erneut mit moralisch tiefgehenden Entscheidungen und starken Charakteren. Während das Gameplay größtenteils bei bekannten Mustern bleibt, schlüpft die Hauptfigur dieses Mal selbst in die Rolle einer Beschützerin.
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