Kritik:
Die Erwartungen an eine richtige Fortsetzung von „Life is strange“ sind bei vielen Fans richtig groß. Immerhin ist es Square Enix damals gelungen, eine überaus intensive und eindringliche Geschichte über zwei junge Mädchen zu erzählen, die gemeinsam die Herausforderungen der Pubertät meistern und dabei zugleich auch mit einigen mysteriösen Superkräften zurecht kommen müssen. In den damals aufkommenden Zeiten der Episodenspiele hatte „Life is strange“ dabei innovative Spielelemente: Anstelle der üblichen Quicktime Events der Konkurrenzprodukte, setzte man auf ein spannendes Zeitreise-Feature, mit dem der Spieler die Entscheidungen rückgängig machen und noch einmal überdenken konnte. Im zweiten Teil geht man nun allerdings etwas andere Wege.
Freundschaft und Verbundenheit
„Life is strange 2“ lässt die damalige Geschichte rund um Arcadia Bay nämlich komplett hinter sich. Einen Zusammenhang ist in der ersten Episode jedenfalls so noch nicht zu erkennen. Auch die einstigen Hauptprotagonisten Max und Chloe werden bisher nicht einmal erwähnt und spielen scheinbar überhaupt keine Rolle. Eine Sache macht die Fortsetzung allerdings ähnlich: Auch dieses Mal erleben wir die Geschichte gleich zweier Charaktere, deren tiefe Freundschaft und Verbundenheit eine große Rolle spielt. Die anders, als einst Max und Chloe, allerdings nicht nur Freunde, sondern zugleich auch Brüder sind. Im Mittelpunkt stehen auch dieses Mal die Entscheidungen des Spielers und schnell wird die Geschichte derartig intensiv, dass wir alles dafür tun möchten, dass es den beiden Jungs in „Life is strange 2“ gut geht.
Angefixt durch Superkräfte
Und auch bei einer weiteren Sache orientiert man sich am Vorgänger: Superkräfte spielen in „Life is strange 2“ nämlich durchaus eine Rolle. Dieses Mal allerdings verzichtet man darauf, jene Superkräfte tatsächlich für den Spieler spielbar zu machen. Auf Zeitreisen müssen wir also komplett verzichten. Stattdessen ist es der kleine Bruder Daniel, der auf mysteriöse Weise bereits früh im Spiel seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zeigt und über dessen Hintergründe wir so viel wie möglich herausfinden möchten. Das ist zugleich aber auch genial, denn „Life is strange 2“ hat uns damit schnell angefixt und sorgt dafür, dass wir am Ball bleiben möchten. Die Hintergründe und Ursachen ergründen zu wollen, reicht schon vollkommen aus, um sehnsüchtig auf Episode 2 zu warten. Und die Entwickler scheinen es auch perfekt zu beherrschen, uns neugierig auf die weitere Entwicklung zu machen. Mögliche Zusammenhänge zu Max’ damaliger Fähigkeit der Zeitreise lässt man aber ganz bewusst zunächst offen.
Politik mit dem Holzhammer
Das allein macht die erste Episode von „Life is strange 2“ aber noch nicht so herausragend. Es ist viel mehr der Weg, den die beiden jungen – zufällig mexikanischen – Kinder gehen müssen, der uns schnell in seinen Bann zieht. Und damit macht das Spiel auch einiges anders, als noch sein Vorgänger: Stand einst der Feminismus und Homosexualität im Vordergrund, dreht sich nun alles um Rassismus, Polizeigewalt und Diskriminierung der mexikanischen Bevölkerung. Mitunter trägt die erste Episode aber jene Themen ein bisschen zu dick auf, in dem Rassismus mit dem Holzhammer thematisiert wird und allzu klischeehaft in Erscheinung tritt. Ein Redneck, der voller Vorurteile überzeugt ist, dass die Amerikaner „wegen Jungs wie ihnen die Mauer bauen“, scheint etwas „over the top“. Dabei hätte dem Spiel eine subtilere Thematisierung wesentlich besser getan – etwa durch unterschwelligen Rassismus innerhalb der Gesellschaft. Abfällige Kommentare, wenn Daniel um Geld betteln muss oder Ausgrenzung durch Nachbarn. Solche kleinen, alltäglichen Situationen, die womöglich weit mehr schmerzen, als eine offene Konfrontation, wären unter dem Strich eine bessere und geschicktere Idee gewesen, derartig wichtige Themen anzusprechen.
Schwierige Entscheidungen
Nichts desto trotz gelingt es „Life is strange 2“ somit recht früh, den Spieler an die Story zu fesseln und wenn es Dontnod gelingt, dieses grundsätzlich hohe Qualitätsniveau aufrecht zu erhalten, wird es ein Leichtes sein, qualitativ mit dem ersten Teil mitzuhalten. Immerhin sind es viele kleine, aber schwierige Entscheidungen, die uns fesseln und dem Spieler zugleich einen Spiegel vorhalten: Machen wir dem jungen Daniel eine Freude oder lassen wir die Vernunft siegen, unser geringes Geld möglichst lange aufzubewahren? Können wir uns überwinden, das Smartphone einfach zu entsorgen, um nicht geortet zu werden oder können wir doch nicht darauf verzichten, in einem Anflug von Emotionen unsere beste Freundin anzurufen und uns einfach einmal auszuheulen? Solche schwierigen, aber überaus menschlichen Entscheidungen machen „Life is strange 2“ bereits in der ersten von insgesamt fünf Episoden aus – und davon bekommen wir fast im 5-Minuten-Takt mehr als genügend geboten, wodurch ein gewisser Wiederspielwert sicherlich wahrscheinlich sein wird. Fest steht bereits jetzt: Fans der Reihe werden auch an diesem Spiel mehr als nur ein bisschen Spaß haben.
Fazit:
Die Fortsetzung des herausragenden „Life is strange“ trägt mit seinen politischen Themen zwar manchmal etwas zu dick auf, punktet aber gleichzeitig mit einer emotional intensiven Geschichte um zwei mexikanische Kinder auf der Flucht vor Polizeigewalt. Und auch dieses Mal sollen die Entscheidungen wieder unter die Haut gehen.