Kritik:
Innovativ ist es in jedem Fall, ein Computerspiel basierend auf der Geschichte von Moby Dick zu entwickeln. Noch dazu, wenn man sich hinsichtlich der Erzählung und Charakterauswahl durchaus an der Vorlage orientiert. Denn „Nantucket“ setzt genau da an, wo das Buch von Melville einst beendet wurde: Kurz nach den Ereignissen auf der Pequod.
Aller Anfang ist schwer
Und mit genau so einem schicken Segelschiff sind wir dann auch in „Nantucket“ unterwegs, wenn gleich wir im späteren Verlauf durchaus die Möglichkeit haben, größere und fähigere Schiffe einzukaufen. Schade ist dann gleich zu Beginn, dass wir auf Captain Ahab aus den berühmten Moby Dick-Büchern größtenteils verzichten müssen, auch wenn dieser immerhin während des Tutorials auftaucht. Danach nämlich steuern wir die Erlebnisse von Captain Ishmael, dessen Namen wir bei Bedarf auch ändern können und erleben eine komplett eigene Geschichte. Und dabei ist der Einstieg zumindest auf den ersten Blick gar nicht so einfach: Gerade erst das Spiel gestartet, wirkt „Nantucket“ mit seinem umfangreichen Mikromanagement nämlich zunächst ein wenig überladen. Den Überblick zu behalten, gestaltet sich nicht immer einfach – zumal, das Tutorial lediglich einige grobe Basics vermittelt, nicht jedoch die wichtigsten Elemente des Spiels. Danach heißt es nämlich „Learning by doing“.
Bunter Genre-Mix
Dass der Anblick der zahlreichen Menüs dabei zunächst ein wenig überfordern kann, liegt allerdings auch daran, dass sich „Nantucket“ nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen will und damit zugleich auch seine Innovation ausmacht. Dieses Spiel ist nämlich eine Mischung aus Rollenspiel, Erkundung und Karten-/Würfelspiel, das Elemente aus allen drei Genres geschickt miteinander kombiniert. Noch dazu komplett in 2D gehalten, versteht sich. Wenn wir uns also nicht gerade durch umfangreiche, etwas überladen wirkende Menüs wurschteln, treiben wir vor allem auf einer Weltkarte unser Unwesen, auf der wir unser Schiff steuern und die nächsten Ziele anvisieren können. Denn auf den sieben Weltmeeren heißt es, Quests zu erfüllen, spannende Dinge mit der Crew zu erleben und nebenbei ein paar Wale und Seeungeheuer zu vernichten.
Prestige ist alles
Bevor es los geht, liegt es allerdings an uns, zumindest eine kleine Crew für unser Schiff anzuheuern, die dieses auf der Fahrt in Stand hält und uns vor allem im Kampf gegen Tiere und andere Gegner zur Seite steht. Das Prinzip ist dabei allerdings simpler, als es auf den ersten Blick scheint: Je höher unser Prestige, desto mehr und bessere Mannschaftskameraden können wir im nächsten Hafen anfordern. Prestige wiederum erhalten wir durch das Absolvieren von Quests oder durch unser Verhalten in den Zufallsereignissen auf hoher See. Denn wird natürlich eine Geschichte erzählt. Und so manche neue Quest eröffnet sich sogar, wenn wir erst einmal im Prestige oder im Level gestiegen sind. Ein klein wenig Suchtpotential hat das Spiel damit also schon, ständig neue Fähigkeiten und Verbesserungen ergattern zu wollen.
Schwäche der Wiederholung
Leider liegt zugleich auch die größte Schwäche des Spiels in der Handlung und den Quests. Denn obwohl wir durchaus eine spannende Hauptquest erhalten und nebenbei einige wenige Nebenquests mit Story vorfinden können, setzt „Nantucket“ überwiegend dann doch auf generische und sich ständig wiederholende Aufgaben, mit denen wir Geld und Prestige sammeln können. Ein verloren gegangenes Schiff suchen gehört dann ebenso dazu, wie neue Walfanggebiete auszukundschaften und auf die Jagd zu gehen. Leider stellen wir fest, dass wir doch einen Großteil unserer Zeit mit genau diesen beiden Aufgaben verbringen und dass dies ein echter Motivationskiller sein kann. Vor allem, wenn die erste Hauptquest zunächst noch heißt, 25 Prestige erlangen zu müssen, ehe die Story voranschreitet – und wir lediglich diese generischen Möglichkeiten dazu erhalten. Erst danach schreitet die Story dann mit größeren Schritten voran und entfaltet sein eigentliches Potential. Man sollte also zu Beginn am Ball bleiben, um „Nantucket“ als wirklich spaßig zu empfinden.
Der Mangel an Geld
Schade ist anfänglich auch, dass es uns häufig an Geld mangelt, denn „Nantucket“ setzt zugleich auch auf spannendes Ressourcenmanagement. Um genügend Tage mit Nahrung, Wasser und anderen wichtigen Dingen auszukommen und nicht vor unserer Ankunft am Ziel zu verhungern, müssen wir an den jeweiligen Häfen auch genau diese Rohstoffe einkaufen – und auf unseren Reisen stets im Auge behalten. Das bedarf dann anfangs schon ein oder zwei Anläufe, denn das Tutorial verzichtet gänzlich darauf, das Ressourcenmanagement auch nur zu erwähnen. Den richtigen Dreh rauszubekommen, wie viele Ressourcen wir wohl benötigen, ist nicht immer einfach. Und vor allem sind die Ressourcen auch nicht ganz so günstig. Das führt dann dazu, dass wir durchaus einige Stunden benötigen, um endlich unser zweites, größeres Schiff kaufen zu können, mit dem wir dann auch spannendere Quests erhalten. Ganz zu schweigen davon, dass die erforschbaren Schiffsverbesserungen natürlich auch allesamt Geld kosten. Das meiste Geld allerdings gibt es durch den Walfang – und auch hier können die Wiederholungen mitunter frustrieren.
Kampf mit Würfeln
Beim Kampfsystem kommen nämlich die Karten- und Würfelspielelemente hinzu. Unsere Crew und auch die Gegner liegen dabei in Form von Karten vor, die über die Lebenspunkte und auch die besonderen Fähigkeiten entscheiden. Je mehr Prestige wir haben, umso bessere Werte haben die Crewmitglieder, die wir am Hafen anheuern können. Und auch die Größte des Schiffes entscheidet: Je mehr Walfangboote und Crewmitglieder wir aufnehmen können, desto besser dann unsere Chancen im Kampf. Ob wir also mit drei, sechs oder gar neun Crewmitgliedern in den Kampf ziehen, entscheidet sich daran. Spannend wir der Kampf allerdings dadurch, dass er auf ein rundenbasiertes Würfelsystem setzt. Für jeden unserer Crewmitglieder erhalten wir einen Würfel mit 6 Seiten, die darüber entscheiden, ob und welche Fähigkeiten wir einsetzen können. Ein bisschen ist „Nantucket“ also auch Glücksspiel, das aber an der Stelle durchaus Spaß macht – denn auch die Gegner vermehren sich und werden immer stärker. Doch auch hier kommen wir erneut zum Thema der Wiederholungen: Der Ablauf der Kämpfe ist nämlich stets derselbe.
Kein Herz für Tiere
Dafür allerdings macht es schon einen gewissen Spaß, in die Zeit von 1830 einzutauchen – vor allem, wenn einem heutige Moralvorstellungen ein wenig auf die Nerven gehen. „Nantucket“ spielt schließlich in einer Zeit lange vor dem Tierschutz, Greenpeace oder militanten Organisationen wie Sea Shepherd. Hier dürfen wir nicht nur, sondern müssen sogar ganz gezielt junge und neugeborene Wale, Delfine, Haie und andere Tiere ermorden. Meerestiere nämlich sind für Captain Ishamel und die anderen Seefahrer lediglich Seeungeheuer, die es unbedingt zu vernichten und auszuweiden gilt – denn mit ihrem Speck lässt sich schließlich das meiste Geld erwirtschaften. Interessanterweise gilt ähnliches allerdings auch für amerikanische Ureinwohner und Piraten. Die werden schließlich auch ausnahmslos getötet. Political Correctness sucht man in diesem Spiel also „erfrischenderweise“ vergeblich – damit möchte man eben ein realistisches Leben der Seefahrer im 19. Jahrhundert abbilden. In diesem Sinne: Gute Jagd!
Fazit:
Das Spiel rund um die Abenteuer von Moby Dick entpuppt sich als innovative Mischung aus 2D-Rollenspiel, Erkundung und Würfelspiel. Das ist nicht nur einzigartig und macht durchaus Spaß, sondern hat auch einen gewissen Anspruch. Leider verspielt „Nantucket“ mit den generischen Quests und den sich ständig wiederholenden Spielelementen viel Potential, da es zeitweilig etwas an Abwechslung mangelt.