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  • Train Sim World: Great Western Express
    Der große Fernverkehrsbahnhof London Paddington ist neben St. Pancras eine der wohl größten und wichtigsten Stationen der britischen Hauptstadt. Bis zu dreißig Millionen Menschen fahren jährlich mit der Tube aus der Innenstadt an, um anschließend dank der zuverlässigen Verbindungen des Great Western Express in zahlreiche andere Ortschaften zu fahren. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Reading ist dabei besonders beliebt und macht gerade einmal einen Teil der Great Western Main Line aus, die normalerweise bis nach Bristol reicht und im Verlauf der Strecke auch von einer Linie nach Südwales gekreuzt wird. Doch neben den flotten Passagierzügen der Class 43 und Class 166 darf auch ein echter Exot entlang der Strecke nicht fehlen: Immerhin ist auch DB Schenker in England aktiv und betreibt dort die modernen Diesel-Güterzuglokomotiven der Baureihe 266.

    Kritik:
    Bereits nach der Veröffentlichung des Hauptspiels zum Beginn des aktuellen Jahres war den meisten Eisenbahnfans klar: Bei „Train Sim World“ handelt es sich um die wohl fotorealistischste Simulation auf dem gesamten Spielemarkt. Denn nachdem der etablierte Train Simulator inzwischen mit einer zehn Jahre alten Grafikengine unterwegs ist, macht die neue Simulation einen wirklich großen Sprung nach vorne.

    Train Sim World: Great Western Express

    Passagiere nach London
    Mit dem „Great Western Express“ liefert der Entwickler dann nun auch die erste richtige Strecke für den Passagierverkehr mit. Mit dem Hauptspiel „CSX Heavy Haul“ konnten die Eisenbahnfans schließlich im März diesen Jahres erst die langen und überaus langsamen Fahrten auf amerikanischem Boden ausprobieren und dabei ziemlich schwere Güter transportieren. Einmal einen kleinen Abstecher nach Groß-Britannien gemacht, wo Dovetails Games schließlich auch ansässig ist, bekommt es der Spieler dann doch eher mit modernen Triebwagen zu tun – und das gleich zwei an der Zahl. Sei es der berühmte „High Speed Train“, den Urlauber an der Paddington Station mit großer Regelmäßigkeit zu sehen bekommen oder die klassische Class 166, die in der Realität auch als Heathrow Express den örtlichen großen Flughafen mit der Londoner City verbindet.

    Train Sim World: Great Western Express

    Suche nach dem Paddington Bär
    Apropos Paddington Station: Bei „Great Western Express“ haben sich die Entwickler größte Mühe gegeben, möglichst nah an der Realität zu bleiben. Konkret bedeutet das: Die einzelnen Stationen und Gebäude entlang der Strecke wiederzuerkennen, dürfte den meisten Ortskundigen recht leicht fallen. Nachdem wir selbst erst vor kurzem in London waren und dort natürlich auch die Paddington Station bewundert haben, fällt bei einem Vergleich sofort auf: Selbst die Grundstruktur dieses Gebäudes stimmt absolut. Ob das Dachgewölbe, die Ausgangsrampen in Richtung Little Venice oder das tatsächlich vorhandene Cafe Nero – hier gibt es reichlich Möglichkeiten, den Ort wiederzuerkennen. Und doch fehlt es natürlich, wie bei einer Eisenbahnsimulation zu erwarten, an einigen kleinen Details. Den Paddington Bär auf Gleis 1 suchten wir nämlich ebenso vergebens wie die Durchgänge zu den U-Bahnen. Und überhaupt sind wir doch schnell traurig, den Bahnhof nicht wirklich verlassen zu können, um einmal durch London zu spazieren.

    Train Sim World: Great Western Express

    Fotorealismus auf der Schiene
    Trotzdem ist das, was die Entwickler mit „Great Western Express“ abliefern, grafisch absolut beeindruckend. In den maximalen Einstellungen muss man mitunter schon ein wenig genauer hinschauen, um die Spielegrafik noch von einem Foto unterscheiden zu können. Zur Demonstration haben wir in diesem Test sogar ausschließlich echte Screenshots verwendet, die wir während des Spielens angefertigt haben. Schnell beeindruckt dabei vor allem der Motion Blur-Effekt, der bei hohen Geschwindigkeiten zustande kommt und die Fahrt realistisch simuliert. Aber auch hübsche Sonnen- und Wasserreflexionen, sowie ein enormer Detailgrad an den Zügen selbst, können voll und ganz überzeugen. Das reicht bis hin zum Tankdeckel an den Lokomotiven oder den Kupplungsklappen, die an den Class 43 Triebzügen geöffnet werden können. Dass dann auch noch nahezu jeder einzelne Knopf im Führerhaus bedienbar ist, trägt sein Übriges zur Qualität bei.

    Train Sim World: Great Western Express

    Keine Strafe für zu schnelles Fahren
    Insgesamt wurde das Spiel nun seit „CSX Heavy Haul“ auch ein wenig überarbeitet. Das merkt man vor allem an den HUD-Angaben, die nun auch über ein während des Spiels eingeblendetes Punktesystem verfügen. Schade ist dabei, dass man allerdings auf dasselbe System setzt, das bereits beim Hauptspiel verwendet wurde und nur nicht während der Fahrt zu sehen war. Wofür es also genau Punkte gibt, ist auch an der Auswertung zum Schluss nicht wirklich ersichtlich. Eines haben wir aber leider feststellen müssen: Minuspunkte für das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit und anderer Bedienfehler suchen wir hier vergebens. Wer einfach mal ordentlich aufs Gas drücken möchte, hat bis auf eine rote Zahl im Tacho keinerlei negative Auswirkungen zu befürchten. Damit bleibt allerdings auch die Herausforderung aus, möglichst korrekt zu fahren, pünktlich zu sein und die maximal mögliche Punktzahl zu erreichen. Der klassische „Train Simulator“ setzt in diesem Punkt jedenfalls auf ein besseres System.

    Train Sim World: Great Western Express

    Passagiere und Fracht
    Spaß macht die neue Strecke aber dennoch, denn der „Great Western Express“ liefert neben vier Tutorials, die uns mit der Bedienung der Lokomotiven vertraut machen, gleich fünf passende Szenarien mit. Und dabei ist reichlich Abwechslung geboten, da alle drei Fahrzeugtypen bedient werden müssen und wir auch hinsichtlich der Aufgaben stets neue Herausforderungen erhalten. In der ersten Aufgabe dürfen wir uns dann einen von drei Zügen der Class 166 aussuchen und uns von Paddington auf den Weg nach Reading machen, wo wir möglicherweise an allen Stationen halten sollen. In einem anderen Szenario wiederum kümmern wir uns um Frachtwaggons der DB Schenker oder müssen gar einen Hochgeschwindigkeitszug mit der Baureihe 266 abschleppen. Spätestens an dieser Stelle wird dann auch klar, welche großen Vorteile die Ego-Perspektive von „Train Sim World“ letztendlich hat.

    Train Sim World: Great Western Express

    Ein realistischer Arbeitsalltag
    Die Szenariodesigner haben sich nämlich ziemlich viel einfallen lassen, um einen realistischen Arbeitstag eines Lokführers glaubwürdig zu simulieren. Denn wenn wir in der Ego-Perspektive aus dem Zug aussteigen und herumlaufen können, lässt sich der korrekte Ablauf schließlich ein wenig genauer absolvieren. In einem Szenario müssen wir dabei sogar als Passagier eines anderen Zuges zunächst nach Paddington rein fahren, um dort unseren Zug an einem anderen Gleis abzuholen, den wir auf Grund einer Verspätung eines anderen Lokführers außerplanmäßig übernehmen müssen. In einem anderen Szenario wiederum müssen wir einen gerade einfahrenden Zug von einem anderen Lokführer übernehmen und diesen an einem Rangiergleis wenden, um ihn erneut bereit zu stellen. Wieder andere Szenarien erfordern das Öffnen der Kupplungsklappe und das manuelle Bedienen der Kupplungselemente. Spannend.

    Train Sim World: Great Western Express

    Keine defekte Toilette
    Schnell wird damit auch einmal mehr klar, welche enormen Möglichkeiten uns „Train Sim World“ letztendlich bieten könnte. Grundsätzlich können wir uns an den Stationen nämlich frei bewegen. Das bedeutet zugleich auch, dass wir den Fahrgastbereich des Zuges ebenfalls betreten können und theoretisch – so denn eine Programmierung umgesetzt würde – mit den Fahrgästen zu kommunizieren. In der Class 166 können wir sogar durch eine Tür in unserem Führerhaus direkt in den Fahrgastraum übergehen und auf dieselbe Weise ins Führerhaus einsteigen, wie wir das in deutschen S-Bahnen schon desöfteren gesehen haben. Sollten also die Entwickler oder auch Drittanbieter irgendwann die Elemente im Fahrgastbereich einprogrammieren und animieren, wären hier weit mehr Möglichkeiten offen. In „Great Western Express“ können wir zwar noch keine Toiletten öffnen oder gar verriegeln, doch zukünftig wären Szenarien, in denen etwa defekte Toiletten, defekte Türen oder andere Probleme auftauchen, durchaus denkbar. Das haben wir nun gesehen. Man mag sich kaum vorstellen, was Drittanbieter wie Virtual Railroad aus solchen Möglichkeiten machen würden, wenn der Editor denn erst einmal ins Spiel integriert wurde.

    Train Sim World: Great Western Express

    Der schwarze Horrorzug
    Bis dahin sollten sich die Entwickler von Dovetail Games aber zunächst noch einmal dran setzen, um auch die gröbsten noch vorhandenen Bugs von „Great Western Express“ zu beseitigen. Denn so spektakulär die Grafik auch aussehen mag, bleibt es am Ende doch nicht gänzlich ohne Grafikfehler. Vor allem, wenn uns ein Class 43 Hochgeschwindigkeitszug entgegen kommt, fallen uns immer wieder mysteriöse Verzerrungen auf, die möglicherweise durch den Blur-Effekte zustande kommen. Und auch die verschwimmenden Räder der Baureihe 266 oder gelegentliche fehlerhafte Schatten der Oberleitungen sehen mitunter etwas merkwürdig aus. Ganz zu schweigen von gelegentlichen falschen Anweisungen oder Bugs, die unsere Baureihe 266 plötzlich außer Gefecht setzen. Gänzlich ausgereift ist „Great Western Express“ also trotz allem noch nicht, auch wenn die Entwickler versprechen, an den Problemen zu arbeiten.

    Fazit:
    Mit dem „Great Western Express“ bekommt die wohl einzige fotorealistische Simulation auf dem Spielemarkt endlich eine wichtige britische Strecke nachgereicht und bietet nun erstmals auch Passagierverkehr. Grafisch absolut beeindruckend.

    Train Sim World: Great Western Express Wertung