Kritik:
Dass die Aufgaben von Polizei und Feuerwehr auch bei Spielern ihren gewissen Reiz haben, das haben vor allem Entwickler von Simulationsspielen mittlerweile herausbekommen. Tatsächlich aber einmal in die Rolle eines Disponenten zu schlüpfen, der sich um die Koordination der Einsatzkräfte kümmern muss, ist eher neu. Trotzdem funktioniert das aber schon hervorragend, denn „911 Operator“ hat aus eigentlich wenigen Möglichkeiten ein innovatives Spielkonzept geschaffen. Man könnte auch sagen, es handele sich einmal mehr um eines dieser typischen „weniger ist mehr“-Spiele, die nicht mit beeindruckenden Grafiken blenden, sondern sich beim Gameplay wirklich etwas gedacht haben. Denn auf dreidimensionale Grafiken verzichtet das Spiel sogar völlig.
Den Überblick behalten
Hauptsächlich spielen wir nämlich auf einer recht modern und schick aussehenden 2D-Landkarte, auf der wir von oben herab die Straßen, Krankenhäuser, Polizeistationen und Feuerwehrgebäude erkennen können. Kurz bevor es los geht, dürfen wir noch einmal kurz unsere jeweiligen Einheiten an andere Startpositionen setzen und danach beginnen wir unsere Schicht als Disponent der Notrufleitzentrale. Die dauern in Echtzeit ungefähr zehn Minuten und bestehen darauf, auf Meldungen über Vorfälle zu reagieren und die Anrufe der Notrufnummer entgegen zu nehmen. Darin müssen wir vor allem auf die Dialoge mit den Hilfesuchenden reagieren, wichtige Informationen über den Vorfall und den Aufenthaltsort herausfinden und anschließend die Einsatzkräfte losschicken. Oder aber dem Betroffenen nach Möglichkeit bereits am Telefon weiterhelfen, bevor die Kräfte eingetroffen sind.
Koordination und Urteilsvermögen
Das ist allerdings nicht immer einfach, denn manchmal möchten die Hilfesuchenden schlicht nicht alle Informationen preis geben oder es handelt sich gar nicht um einen Notfall. Ob und wie viele Einheiten wir also losschicken müssen, liegt in unserem eigenen Ermessen. Wir müssen als Spieler beurteilen können, ob Gefahr im Verzug vorliegt, ob ein Rettungswagen benötigt wird oder vielleicht sogar überhaupt kein Notfall stattgefunden hat. Der echte Stress eines realen Disponenten wird dabei natürlich simuliert: Manchmal kann es passieren, dass wir weit mehr Notrufe erhalten, als Einsatzkräfte zur Verfügung stehen. Jetzt liegt es an uns, die Priorität der einzelnen Vorfälle zu beurteilen, ggf. Einsatzkräfte von anderen Fällen abzuziehen oder gar einen Polizeiwagen mit bereits festgenommenem Insassen zum nächsten Fall zu schicken, weil keine Kollegen mehr frei sind. Ob das sinnvoll ist, oder ob wir damit das Leben der Beamten riskieren, muss von uns beurteilt werden. Ein Glück, dass man das Spiel auch beliebig pausieren kann, um sich einmal in Ruhe einen Überblick zu verschaffen.
Feuerwehr – auch bei dir zuhause
Insgesamt kommt „911 Operator“ dabei mit einer Kampagne aus sechs vorgefertigten Städten daher. Spannend wird es allerdings auch, wenn wir den freien Spielmodus einmal erkunden. Hier greift das Spiel nämlich auf Daten von OpenStreetMap zurück und lässt uns reale Städte verwenden. Einfach den Stadtnamen eingeben und schon wird die Karte heruntergeladen und ins passende Spielformat kopiert. Faszinierend vor allem dann, wenn wir sogar den eigenen Wohnort wiedererkennen können und – wie in unserem Fall – sogar die reale Feuerwehr von gegenüber an der realen Position eingefügt wurde. Und nicht nur das: Selbst die Verfügbarkeit von Freiwilliger und Berufsfeuerwehr, sowie Sondereinsatzkräfte wird berücksichtigt und zusätzlich eingetragen. Noch dazu verwendet „911 Operator“ in diesem Modus reale Straßennamen, sodass ein Einsatz an unserer eigenen Adresse tatsächlich vorkommen kann, wie wir anhand einer Karte aus Mönchengladbach getestet haben. Da bekommt das Spiel mit einer ausgeklügelten Idee noch einmal einen ganz eigenen Spielanreiz.
Eintönigkeit der Routine
Schade ist dabei allerdings, dass die Motivationskurve sicherlich nach spätestens zehn Stunden Spielzeit ein wenig nachlassen dürfte. Obwohl der freie Modus praktisch unendlich spielbar ist, bleibt die große Abwechslung anhand der Notrufe und Vorfälle auf lange Sicht aus. Irgendwann kommt man selbst bei diesem Spiel eben an den Punkt, an dem man jede Art von Notruf schon einmal gehört hat und man praktisch schon vorher weiß, worauf der Anruf wohl hinaus laufen wird. In jedem Fall sei es gerade deshalb auch angeraten, zur Collector’s Edition zu greifen, denn diese fügt „911 Operator“ noch mal zahlreiche Einsätze, Einheitentypen und Equipmentarten hinzu und erhöht die Abwechslung immerhin ein wenig. Ansonsten darf man sich aber auch auf eine Kampagne mit den sechs Städten freuen, in der sich die Entwickler von der Bombendrohung durch Linksradikale bis hin zu Erpressung einiges haben einfallen lassen.
Management ist alles
Letztendlich werden wir auch nicht drumherum kommen, eine Stadt in der Kampagne mehrmals zu spielen, ehe wir sie meistern. Als Währung in diesem Spiel dienen nämlich vor allem Geld und Ruf. Je zufriedener die Bürger mit unserer Arbeit, desto eher können wir in die nächste Stadt vordringen. Zufriedenheit klappt aber nur, wenn wir jeden Notruf schnell und professionell durchführen können – und dafür braucht es ausreichend Einsatzkräfte und Equipment. Und an dieser Stelle soll schließlich das Geld ins Spiel kommen, denn bevor wir eine „Schicht“ starten können, gelangen wir zunächst in den Managementbildschirm. Von hier aus weisen wir Fahrzeuge, Personal und Equipment einem Team zu oder kaufen selbiges ein. Vom Pferd für den Polizisten bis zum gepanzerten Polizeifahrzeug steht hier reichlich zur verfügen – entsprechendes Geld vorausgesetzt. Und auch die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter und das passende Equipment wie schusssichere Westen, Pistolen, erste Hilfe Sets oder gar Feuerschutzwesten beeinflussen unseren Erfolg bei einem Einsatz.
Innovation ohne Hardwarehunger
Fans der etwas außergewöhnlichen Strategie- und Managementspiele dürfen sich mit „911 Operator“ also auf ein innovatives Spielkonzept freuen, das mit einfacher Zwei-Klick-Bedienung ein wenig an klassische Brettspiele wie „Scotland Yard“ erinnert und tatsächlich glaubhaft den stressigen Alltag eines Disponenten der Notrufleitzentrale simuliert. Und dabei darf man auch ganz beruhigt sagen: Auf Grund des Verzichts auf aufwändige Grafiken, kommt das Spiel mit erstaunlich niedrigen Hardwareanforderungen aus und sollte selbst auf so manchem zehn Jahre alten Rechner sicherlich noch flüssig laufen können. Selbst für den Gelegenheitsspieler auf dem heimischen Bürorechner ist „911 Operator“ somit noch eine gelungene Option, die Spaß für Zwischendurch verspricht.
Fazit:
Realistisches Strategie- und Managementspiel mit einem innovativen Spielkonzept, geringen Hardwareanforderungen und einer glaubwürdigen Darstellung des Alltags eines Disponenten der Notrufleitzentrale.