Kritik:
Nach den ersten beiden Staffeln der „The Walking Dead“-Reihe von Telltale Games hat sich so einiges geändert. Die junge Hauptfigur Clementine ist ein wenig gealtert und definitiv nicht mehr die Alte. Nicht nur ihr Aussehen hat sich mittlerweile geändert, sondern vor allem ihr Charakter wurde von den schrecklichen Ereignissen der Vergangenheit geformt. Erstmals kommt allerdings eine weitere Figur ins Spiel: In der dritten Staffel unter dem Titel „A New Frontier“ wechseln wir regelmäßig die Rolle und dürfen sowohl Clementine, als auch ihren neuen Begleiter Javier steuern, die wie üblich schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen, die den Verlauf des Spiels grundlegend beeinflussen sollen. Den Fans der Reihe dürfte damit wohl klar sein, was sie in diesem Spiel zu erwarten haben.
Bekanntes Spielprinzip
Dabei hat sich das eigentliche Gameplay noch immer nicht verändert und bleibt auch in der neuesten Staffel ziemlich überschaubar. In kleinen Quicktime-Events drücken wir vorgegebene Tasten, um beispielsweise gegen Zombies zu kämpfen und in diversen Multiple Choice-Fragen geben wir Antworten, um den Spielverlauf zu beeinflussen. Schade ist dabei, dass man offenbar wieder zu alten Stilmitteln zurückkehrt und es nicht den anderen Franchises gleich macht. Obwohl bereits „Batman“ gezeigt hat, dass Telltale seine Quicktime-Events mit Tastenkombinationen auch ein wenig komplexer gestalten kann und auch „Tales from the Borderlands“ einige spielerische Besonderheiten bot, beschränkt sich auch dieses „The Walking Dead“-Spiel einmal mehr darauf, einzelne Tasten zu drücken oder mit der Maus ein wenig herumzuklicken. Anspruchsvoll ist das nicht – und mitunter auch deutlich zu einfach. Vor allem Fans der (immer gleichen) Telltale-Spiele dürften sich davon kaum gefordert fühlen.
Eine harte Geschichte
Eines war allerdings schon immer eine Stärke der Spielereihe: Das hervorragende Storytelling. Obwohl viele Kenner mitunter auch der Meinung sind, Telltale Games könnte genauso gut einfach eine Zeichentrickserie aus den Spielen machen, so bietet auch „A New Frontier“ einmal mehr eine recht intensive und bedrückende Geschichte. Die Schicksale der Überlebenden und ihre belastenden Entscheidungen spielen mittlerweile in den Spielen sogar eine weit größere Rolle, als in der gleichnamigen Fernsehserie. Das Spiel ist immerhin noch nicht in den immer gleichen Mustern aus gegenseitigem Abschlachten stecken geblieben und hat damit auch jetzt noch charakterlichen Tiefgang zu bieten – selbst wenn wir die einstige Hauptrolle Lee, der auch Beschützer von Clementine war, noch immer schmerzlich vermissen.
Mutige Charakterzeichnungen
Und es dürfte auch feststehen, dass nicht alle Fans der Reihe mit den Veränderungen und Entwicklungen glücklich sein dürften. Immerhin wagt Telltale nämlich einen mutigen Schritt und führt tatsächlich diverse Veränderungen bei der jungen Clementine ein. Sichtlich gezeichnet von ihrem schrecklichen Lebensablauf, zeigt sie sich überaus abgebrüht und mittlerweile emotional erkaltet. So mancher Spieler wird vielleicht den Eindruck erlangen, dass es sich nicht mehr um die geliebte Clementine handelt, wie man sie noch aus den früheren Staffeln kennt. Doch die Entwickler beweisen Mut und sorgen dafür, dass die Spielereihe auch jetzt noch interessant bleibt. Allein dafür ist auch „A New Frontier“ sicherlich ein Blick wert.
Die falschen Entscheidungen
Und doch sind die Charakterzeichnungen manchmal auch ein Problem. Das liegt daran, dass uns immer nur eine eingeschränkte Auswahlmöglichkeit bei den Antworten zur Verfügung steht – und wir uns somit vielleicht nicht ganz mit den Charakteren anfreunden können. Ob uns Javier als einer der Hauptfiguren nämlich zusagt, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht selten kam doch das Problem auf, dass die gewünschten Antwortmöglichkeiten gar nicht zur Verfügung standen. Etwa dann, wenn wir feststellen, dass Javiers Freundin Kate plötzlich Drogen konsumiert – dass unsere Hauptfigur allerdings trotzdem Gefühle für sie entwickelt, darauf haben wir keinen Einfluss. Selbst dann nicht, wenn wir uns eigentlich gern anders entscheiden würden. Insgesamt bleiben viele Entscheidungen damit zu oberflächlich und haben keine so großen Auswirkungen auf den Spielverlauf, wie wir uns das wünschen. Etwa die Entscheidung, uns gänzlich von bestimmten Charakteren abzuwenden, wird uns genommen. Schade, zumal die neuen Figuren nicht immer so sympathisch sein mögen, wie einst Clementine in den ersten Staffeln.
Wegfall von Entscheidungen
Apropos Entscheidungen: Ganz ohne Fehler scheint auch dieses Spiel nicht auszukommen, was sich in letzter Zeit offenbar als generelles Problem bei Telltale-Spielen herausstellt. Denn während wir uns wundern, wie es bei einem Spiel mit derart wenig spielerischer Freiheit überhaupt zu Bugs kommen kann, entdecken wir gelegentlich doch einige schwerwiegende. Nach dem Update zur dritten Episode etwa tauchte beim Test ein Bug auf, der die Spielstände betraf und plötzlich den bisherigen Verlauf der ersten beiden Episoden verschwinden ließ. Doch welchen Sinn macht ein Spiel, dessen Ablauf auf unseren Entscheidungen beruht, wenn „The Walking Dead: A New Frontier“ einfach mal eben jene Entscheidungen „vergisst“? Nach jedem Update alle Episoden erneut zu spielen, möchte man hingegen nun auch nicht. Und nachdem bereits „Batman“ zum Release mit zahlreichen Bugs zu kämpfen hatte, ist das erneute Aufkommen eben solcher im Zusammenhang mit der Cloud-Speicherung doch etwas ernüchternd.
Der lebendige Comic
Allerdings gibt es nicht nur Verschlechterungen, sondern hier und da durchaus auch einige Verbesserungen. Etwa bei der grafischen Umsetzung des Spiels, welche nun dafür sorgt, dass die Figuren allesamt deutlich plastischer erscheinen, als noch bei den Vorgängern. Damit wird der liebenswerte Comic-Look einmal richtig zum Leben erweckt und wirkt nun nicht mehr, als würden wir ein zweidimensionales Zeichentrickvideo betrachten. Darüber hinaus sorgt die hübsche Beleuchtung in der nett anzusehenden Flora auch noch für ein insgesamt stimmigeres Bild. Und auch deutsche Nutzer haben es mittlerweile ein wenig einfacher, denn auch wenn die Sprachausgabe noch immer auf englisch stattfindet, so finden wir nun immerhin deutsche Untertitel vor, die es manchen hiesigen Spielern ein wenig einfacher machen, die richtigen Entscheidungen in der vorgegebenen Zeit zu treffen. Englischkenntnisse sind also nicht mehr zwingend erforderlich.
Fazit:
Mit mutigen Veränderungen beim Charakter von Clementine sorgt Telltale Games erneut für eine spannende Staffel, die ihre Stärken insbesondere beim Storytelling findet. Spielerisch bleibt man allerdings dem alten Schema treu und verzichtet auf neuartige Spielelemente, wie man sie in den anderen Telltale-Reihen teilweise findet.