Kritik:
Mit neuem Entwicklerteam, einem ebenso neuem Antihelden und einer gänzlich anderen Umgebung geht die beliebte „Mafia“-Reihe nun in die dritte Runde und versucht den Anschluss an die ersten beiden Kultspiele zu gewinnen. Bei einigen Spielern gingen schon bei der ersten Vorstellung des Spiels die Alarmglocken an, verbanden sie die Reihe doch eher mit kantigen italienischen Gangstern und einem gewissen Stil. Dass ausgerechnet ein Afroamerikaner in der US Army-Jacke die Hauptrolle übernommen hat und vor lauter Hass gegen die Mafia und andere Rassisten den Rambo spielt, mag auf den ersten Blick irritierend erscheinen. Dabei hat gerade eine solche Story hervorragendes Potential für ein Open World-Game.
Die Welt des Rassismus
Und tatsächlich gelingt es „Mafia 3“ eine solch beklemmende Welt einzufangen, in der die Apartheid noch eine wichtige Rolle spielt und die Vorurteile gegenüber Schwarzen stets allgegenwärtig sind. Das merkt man nicht nur daran, dass Lincoln Clay auf Grund der Lebensumstände einen gewissen Hass auf die rassistischen Weißen entwickelt, sondern auch an den vielen Situationen in der offenen Welt. Die Entwickler von Hangar 13 haben es nämlich geschafft, eine detaillierte und authentische Open World-Umgebung zu schaffen, in der der reguläre Alltag stets seinen Lauf nimmt. Da braucht Lincoln nur in gewissen Gegenden über die Straße zu laufen und bekommt mitunter von seinen weißen Passanten bereits dumme Kommentare zugeworfen. In manchen Restaurants sind Farbige unterdessen nicht erwünscht und der Wirt reagiert dementsprechend aggressiv und herablassend auf sein Erscheinen, verweigert verbal sogar die Bedienung. Und wenn sich ein Polizist über Schwarze herzieht, was wahrlich keine Seltenheit ist, stimmt der Radiomoderator diesem voller Gelächter wie selbstverständlich zu.
Inhalte ohne Funktion
Und gerade an diesen Stellen kommt bei uns besonders viel Verwunderung auf, wenn wir doch sehen, welch lebendige Welt die Entwickler hier geschaffen haben und sie doch nicht bis zum Ende ausführen. So gibt es tatsächlich fast an jeder Ecke betretbare Geschäfte, Restaurants, Bars, Tankstellen und sogar Casinos. An den Tischen sitzen Kunden und genießen ihr Essen, Servicekräfte laufen durch die Lokale und servieren die Bestellungen auch Kellner oder Wirte sind überall zu finden. Und doch haben wir im gesamten Spiel nicht ein einziges Lokal gefunden, in dem wir tatsächlich mit den Mitarbeitern hätten interagieren können. Da baut man etliche Restaurants ein und Lincoln kann trotzdem nirgendwo etwas zu Essen bestellen. Dass manche Restaurantbetreiber lautstark äußern, Schwarze seien nicht erwünscht, ist dann schon beinahe völlig egal, wenn wir ohnehin nirgends etwas bestellen können. Dabei wäre doch der Aufwand sicherlich nicht so groß gewesen, echte Bestellungen und damit einhergehende potentielle Auseinandersetzungen einzubauen. Dasselbe übrigens bei Straßenhändlern: Ob Hähnchenbude oder Kiosk – eine Funktion zum Interagieren besteht nirgendwo.
Abwechslung in der Stadt
Einen wirklichen Anreiz, einfach mal durch die Stadt zu schlendern und irgendwelche spaßigen Dinge zu tun, gibt es somit also nicht. Minispiele suchen wir letztendlich sogar ebenso vergeblich, obwohl Casinos mitsamt Roulettetischen vorhanden wären. Ohne große Umschweife stürzen wir uns also auf die jeweiligen Missionen, obwohl die Stadt ansonsten sehr abwechslungsreich gestaltet wurde und viel zu entdecken bietet. Nirgendwo in der durchaus großen Stadt entsteht dabei ein Wiederverwertungseffekt und jeder einzelne Stadtbezirk sieht vollkommen unterschiedlich aus. Von der Innenstadt mit seinen vielen Geschäfte, über die heruntergekommenen Gegenden des Hollow, bis hin zu den eher grünen Plantagen im Bayou hätte man eigentlich allen Grund, sich die Gegend einmal anzuschauen. Wenn es denn irgendetwas zu sehen gäbe.
Nichts Neues in New Bordeaux
Um genau diese Bezirke geht es derweil übrigens, denn um den großen Gangsterboss herauszulocken, müssen wir zunächst einen Bezirk nach dem anderen unter unsere Kontrolle bringen. Und das läuft stets nach demselben Muster ab. In jedem einzelnen Bezirk finden wir einen Unterboss, nach dessen Erledigung wir den Bezirk übernehmen und an einen unserer drei aktiven Verbündeten delegieren können. Damit das klappt, sind aber zunächst einige Nebenmissionen nötig. Zuerst müssen wir Informanten befragen, Zielpersonen ermorden oder Gegenstände stehlen, bis wir eine bestimmte vorgegebene Schadenssumme erreicht haben. Danach konfrontieren wir den Capo des jeweiligen Geschäfts im Kampf und wiederholen dieselbe Prozedur beim nächsten illegalen Geschäft. Solange, bis wir alle Geschäfte des jeweiligen Bezirkes übernommen haben und den Unterboss bekämpfen. Und wer denkt, danach käme Abwechslung hat sich getäuscht: Ist der eine Unterboss erledigt, kommt dasselbe Prozedere im nächsten Bezirk an die Reihe. Solange, bis wir Marcanos Verwandte und anschließend ihn selbst ermorden können. Auf Dauer nicht sonderlich abwechslungsreich.
Tiefgründige Rassismusstory
Dabei ist das geradezu schade, denn die eigentliche Rahmenhandlung hätte genügend Potential geboten, auch interessante Missionen zu bieten. Nach jedem erledigten Unterboss und Capo erwarten uns schließlich einige Storyschnipsel, die uns im dokumentarischen Stil innerhalb von Zwischensequenzen präsentiert werden. Da sprechen wir hier mal mit unserem besten Freund, einem Pfarrer, an anderer Stelle mit einem korrupten CIA-Agenten und bekommen gelegentlich sogar einen Einblick in die Klu-Klux-Klan oder den illegalen Machenschaften der italienischen Mafia. Und zwischendurch sammeln wir wertvolle Verbündete, die für uns die jeweiligen Bezirke kontrollieren und uns mit wichtigen Dingen versorgen. Darunter Waffen, Geldlagerungen, Polizeibestechungen, Autolieferungen und ähnlichen mehr oder weniger sinnvollen Sachen. Schade ist gerade deshalb, dass wir fast nie gemeinsame Missionen mit unseren Verbündeten absolvieren und auf dieser spannenden Story bei den Missionen überhaupt nicht aufgebaut wird. Mit Ausnahme einer einzigen, etwas an „Hitman“ erinnernden Mission, bei der wir als Servicekraft im Anzug eine Trauerfeier unterwandern.
GTA trifft Hitman
Das Gameplay gestaltet sich demnach also auch nicht besonders abwechslungsreich, da wir stets die Wahl haben, ob wir im offenen Kampf oder im schleichenden Stealth-Modus unsere Ziele erfüllen. Prinzipiell bietet sich dabei eher letzteres an, was vor allem die entsprechenden Genre-Fans begeistern dürfte. Hauptsächlich schleichen wir uns dabei durch die jeweiligen feindlichen Zonen, huschen von einer Deckung zur nächsten und schalten die Gegner mit einem Messer von hinten aus. Das klappt auch ganz gut, da wir diese mit einem Pfiff mitunter sogar anlocken können. Abgesehen von einigen gelegentlichen Bugs, bei denen Gegner auch schonmal durch Wände schauen können, ist das aber nicht wirklich schwierig und kann mit anderen Genrevertretern kaum mithalten. Da das Feature des Kleidungswechsels ebenfalls nicht zur Verfügung steht, können wir eine unentdeckte Infiltration durch Verkleidung also auch – anders als bei „Hitman – nicht taktisch einsetzen. Und fehlende technische Gadgets, wie wir sie etwa aus „Splinter Cell“ kennen, verhindern einen allzu hohen Anspruch beim Stealth-Gaming.
Dumm wie Stroh
Schade ist dann unterdessen, dass nicht wenigstens die KI der Gegner für Herausforderungen sorgt. So verhalten sich vor allem gegnerische Personen insgesamt sehr idiotisch und können mit einfachen Mitteln ausgetrickst werden. Haben diese uns einmal gesehen, passen sie sich beispielsweise nicht an unseren Weg an, sondern laufen ganz vorgegebene Routen ab. Für uns ein Leichtes, sich entsprechend zu verstecken und den Gegner auszuschalten, obwohl er eigentlich wissen müsste, wo wir uns befinden. Anders hingegen im Kampf: Hier gelingt es den Gegnern offenbar auch durch Wände hindurch sofort zu wissen, wo wir uns aufhalten und aus allen Richtungen direkt auf uns zuzulaufen. Nicht immer ganz fair. Schaffen wir es dann jedoch, solange auszuharren, bis die Gegner ihren Kampfmodus beenden, gehen diese wieder ihre vorgegebenen Routen. Mit einer intelligenten oder gar zeitgemäßen KI hat dieses Verhalten jedenfalls recht wenig zu tun.
Schießwütige Polizisten
Nicht viel anders sieht das dann übrigens bei den Polizisten aus. Obwohl wir uns in ihrer Sichtweite befinden, können wir nahezu jedes Verbrechen begehen, das uns beliebt, ohne dass dies negative Konsequenzen hätte oder die Cops tatsächlich aktiv werden lässt. Raserei in der Innenstadt, Autounfälle, Fahren über Rot und andere Delikte werden zu keiner Zeit geahndet, obwohl die Polizei direkt daneben steht. Erst wenn ein Passant eine Straftat beobachtet und die Cops ruft, werden diese aktiv und beginnen, nach uns zu suchen. Einzige Ausnahme: Wird die Polizei direkter Zeuge eines Mordes, beginnen die Aktivitäten sofort. Dann allerdings zeigen diese sich ebenso radikal rassistisch, denn als schwarzen Afroamerikaner eröffnen sie bei einer Fahndung direkt das Feuer und versuchen erst gar nicht, die Zielperson festzunehmen. Ob das einfach nur einer schlechten künstlichen Intelligenz geschuldet ist oder tatsächlich bewusst die ausufernde Polizeigewalt gegenüber Schwarzen hervorheben soll, darüber lässt sich allerdings leider nur spekulieren.
Menschen von nebenan
Da sind wir fast schon froh, dass sich die normalen Bürger der Stadt ein wenig glaubwürdiger verhalten und auch auf unsere Verbrechen etwas realistischer reagieren. Raserei mit dem Auto ignorieren sie zwar trotzdem, aber ein Diebstahl oder Gewaltakt wird hier ausnahmsweise nicht einfach so ignoriert. Dank dem hohen Vorkommen von Telefonzellen zögern die Passanten bei der Beobachtung eines Verbrechens jedenfalls nicht lange, die Cops zu rufen. Kurios war dabei allerdings mitunter, dass sowohl Passanten, als auch Polizisten die Straftaten der weißen Mafia gerne einmal großzügig übersehen. Aber auch das trägt womöglich dazu bei, dass der US-amerikanische allgegenwärtige Alltagsrassismus der 60er Jahre noch ein bisschen intensiver deutlich wird.
Echtes 60er Jahre Feeling
Apropos 60er Jahre: Nicht nur optisch und durch das Verhalten der Menschen fühlen wir uns schnell in die damalige Zeit zurückversetzt, sondern auch durch den hervorragenden Soundtrack. Die Entwickler von Hangar13 haben es sich schließlich nicht nehmen lassen, hundert der besten Tracks des damaligen Jahrzehnts zu lizenzieren und praktisch in der Dauerschleife laufen zu lassen. Dank Autoradio haben wir auch stets die Möglichkeit, in den Genuss der alten Songs zu kommen. Kult-Hits von Creedance Clearwater Revival, Johnny Cash oder den Rolling Stones warten nur darauf, von uns geradezu „gesuchtet“ zu werden. Denn man muss schon ehrlich sein: Trotz unterschwellig rassistischer Radiosendungen wie „Native Son“ erwischen wir uns doch immer wieder dabei, wie wir vor der nächsten Mission einfach ein paar Minuten länger im Auto sitzen bleiben, um den aktuellen Song noch zu Ende hören zu können. Übrigens: Das ist nicht der einzige Punkt, den die Entwickler soundtechnisch richtig machen, denn sowohl die englische, als auch die deutsche Vertonung sind durchweg gelungen. Im englischen dürfen wir uns dabei sogar über die Stimme von „Star Trek: Voyager“-Star Tim Russ freuen.
Technische Mängel
Am Ende sind es dann vor allem die technischen Mängel der PC-Version, die das Spielerlebnis noch ein wenig trüben – und das, obwohl kurz nach dem Release bereits ein 1,3 GB großer Patch erschienen ist, der immerhin die Framerate-Begrenzung entfernt und das Wetterverhalten optimiert hat. Doch auch danach müssen wir uns gelegentlich noch mit einigen fehlerhaften und flackernden Texturen herumschlagen, wundern uns über teils mysteriöse Clippingfehler (z.b. wenn das Auto in der Straße versinkt) oder ärgern uns über diverse Abstürze, bei denen das Spiel ohne jegliche Fehlermeldung einfach beendet wird. Das kommt zwar nicht in einer Häufigkeit vor, dass es allzu sehr stört, hinterlässt aber einen faden Beigeschmack angesichts der herausragenden und größtenteils fehlerfreien Vorgänger. Ganz zu schweigen von diversen anderen kleinen Bugs, wie etwa gelegentlich keine Granaten kaufen oder die nächste Tür öffnen zu können, oder einer manchmal etwas unscharf erscheinenden, zu lichtdurchfluteten Grafik.
Fazit:
Mitten in den rassistischen 60er Jahren von Amerika helfen wir einem aufsteigenden Afroamerikaner bei einem Rachefeldzug gegen die italienische Mafia und bauen langsam mit interessanten Charakteren ein eigenes Imperium auf. Durch das generische Missionsdesign, zahlreiche technische Bugs und vieler nicht zu Ende geführter Features bleibt „Mafia 3“ allerdings qualitativ deutlich hinter den Vorgängern zurück.