Einmal durchs Set von Harry Potter…
Immerhin wurde dieses Routen-Addon nicht von Dovetail Games, die den Train Simulator veröffentlichen, selbst entwickelt. Stattdessen hat sich der für besonders hochwertige Strecken bekannte Entwickler Thomson Interactive an das Projekt gewagt und die grundlegende Funktionsweise auf spannende Art ein wenig erweitert. Denn neben Signal- und Sicherheitssystemen finden wir noch andere innovative Neuigkeiten, die wir bisher im Simulator so nicht gewohnt sind. Die Strecke profitiert davon, denn während (in jedem Szenario variabel platzierte) Hirsche die Strecken unsicher machen, dürfen auch drehbare Kanalbrücken nicht fehlen, die für unsere Fahrt durchaus ein Hindernis darstellen können.
… und Outlander
Generell sind wir bei der Strecke allerdings eher mit kurzen Zügen unterwegs. Die meist doch recht kleinen Bahnhöfe mit geringem Fahrgastaufkommen sind mitunter nämlich gar nicht lang genug, um den vollständigen Zug aufzunehmen. Exaktes Anhalten unserer Bahn ist also an jedem Punkt absolute Pflicht. Die Zentimeterarbeit macht es bei einem engen Fahrplan nicht immer leicht, tatsächlich Pluspunkte zu sammeln. Und auch die Ankunft ist nicht immer ganz so einfach: Da die eine enthaltene Diesellokomotive nicht über Steuerwagen am anderen Ende des Zuges verfügen und sowohl Mallag, als auch Fort William aus einem Kopfbahnhof bestehen, müssen wir die Lok anschließend abkoppeln, über das Nebengleis an den Waggons vorbei fahren und sie dann an das andere Ende wieder heran setzen. Auch dafür ist Zentimeterarbeit nötig, sonst kommen wir mitunter gar nicht auf das Nebengleis. Ganz zu schweigen von einer Fahrt mit dem Güterzug von Spean Bridge nach Mallaig, wenn wir durch Rangieren und An- und Abkoppeln an Fort William vorbei müssen.
Radio Token System
Eine weitere Besonderheit dieser Route, die mitunter ein wenig unsere Zeit aufhält, ist das innovative Radio Token-System, bei dem Streckenfreigaben noch ganz klassisch ablaufen. Mit einem funktionierenden Funksystem, müssen wir also vor der Abfahrt zunächst ein Token für die Streckenfreigabe anfordern, ehe wir überhaupt losfahren dürfen. Andernfalls reagiert früher oder später das Sicherheitssystem und führt eine Zwangsbremsung durch, immerhin könnte uns ein Zug entgegen kommen. Dieses Token gilt dann allerdings nicht für die komplette Fahrt, sondern nur für kleine Abschnitte. Am Ende dieses Abschnitts angekommen, also meist an einem zweigleisigen Bahnhof, müssen wir das Token erneuern und auf die Freigabe des nächsten Abschnittes warten. Anstelle von klassischen Signalanlagen gibt es an dieser Stelle ein Token-Hinweissignal. Ganz egal, ob dieses eine Streckenfreigabe anzeigt oder nicht – solange nicht auch unser Onboard-System über das Token verfügt, greift das Sicherheitssystem. Das ist spannend, vor allem dann, wenn wir an Bahnhöfen oder Rangiergleisen die Weichen manuell stellen und ein entsprechendes Rangier-Token anfragen müssen. Dieses Feature gibt es so in keinem anderen Addon und schon allein deswegen sollten Train Simulator-Fans sich die Strecke unbedingt zulegen.
Wie in der Realität
Ansonsten kommen dieses Mal sowohl Güter-, als auch Passagierfahrtfans auf ihre Kosten. Abwechselnd dürfen wir dabei nämlich sowohl Passagier- und Schlafwagen fahren, als auch verschiedene Güterwaggons mit Holz oder Öl transportieren. Dabei orientiert man sich an zwei real an dieser Strecke existierenden Unternehmen, der BWS Timber Group und einem Forstwirtschaftsunternehmen zwischen Fort William und Spean Bridge. Erstere lässt sich sogar über Google Maps finden. Insgesamt benötigt man dabei allerdings ganz schön Geduld, denn die Karriereszenarien sind allesamt zwischen 30 und 135 Minuten lang. Insbesondere die Passagierszenarien dauern dabei mehr als zwei Stunden, da dies der kompletten Fahrt von Fort William nach Mallaig entspricht. Etwas kürzer sind da eher die Aufgaben rund um Fort William selbst und Spean Bridge, wo wir nach realem Vorbild eher mit Güterwaggons hantieren dürfen.
Der lange Weg nach Mallaig
Grundsätzlich erkennt man auch schnell, wie beeindruckend realistisch die Strecke gestaltet ist. Vor allem rund um Fort William begeistert die „West Highland Line“ mit einer dichten Flora und Fauna, wenn wir durch dichte grüne Wälder fahren dürfen und dabei sogar hin und wieder Tiere beobachten können. Der Detailgrad setzt sich dann auch bei den liebevoll gestalteten Gebäuden fort und hat sogar noch einige Besonderheiten zu bieten. Allerdings kann die Strecke dennoch stellenweise recht langweilig werden. Vor allem der Abschnitt von Glenfinnan nach Mallaig zieht sich mitunter doch recht stark und ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack. Immerhin dürfen wir hier häufig nur mit 30 oder 40 Meilen pro Stunde fahren. Hochgeschwindigkeitsszenarien vermissen wir also vollständig. Dafür hat man an die Erweiterbarkeit gedacht, denn neben Dieseltankstellen für unsere Lokomotiven, finden wir auch Wasseranlagen, um die Strecke mit Dampfloks zu befahren. Da ist es umso mehr schade, dass man keine Dampflok dem Addon beigelegt hat.
Tiere in der Wildnis
Nichts desto trotz kann man über den Umfang kaum meckern und sieht auch an anderer Stelle, welchen Aufwand die Entwickler hier betrieben haben. Vor allem der variable Austausch von Objekten, der in jedem Szenario individuell ist, ist so keine Selbstverständlichkeit bei den Routen-Addons über den Train Simulator. Dabei hat man dann nicht nur die Tiere in jedem Szenario an einer anderen Stelle platziert, sondern setzt auch Mitarbeiter der ScotRail ein, um bei Rangierarbeiten dem Lokführer zu winken, auf den Waggons zu arbeiten oder die Sicherheit beim Ankoppeln zu gewährleisten. Auch dies jedes Mal individuell auf das Szenario zugeschnitten, sodass die Figuren genau an der Stelle stehen, wo sie auch ein realer Lokführer benötigen würden. So bleibt die „West Highland Line“ auch beim letzten Szenario noch abwechslungsreich und es lohnt sich ein Blick aus dem Fenster unserer Lok. Da dürfen sich die Erbauer manch amerikanischer Strecke durchaus eine Scheibe von abschneiden, um ihre stundenlangen Güterfahrten aufzulockern.
Fazit:
Obwohl die meist eingleisige Strecke im Westen von Schottland durchaus ihre Längen und langweiligen Abschnitte hat, gelingt es Thomson Interactive auch diese Abschnitte mit variabel eingefügten Objekten aufzulockern. Das funktionsfähig integrierte RETB-System der ScotRail und einige andere neuartige Innovationen machen die Route außerdem einzigartig. Die „West Highland Line“ sollte daher in keiner Train Simulator-Sammlung fehlen.