Es ging um eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam in einer Welt zurecht kommen mussten, die von Zombies überrannt wurde und die einen besonderen Umgang mit dem Tod erlernen mussten. In der schwierigen Zeit, in der Plünderei und Nahrungsknappheit zu eines ihrer größten Probleme wurde, mussten sich diese Menschen aufraffen und lieferten dem Publikum eine emotionale Geschichte, dessen Ziel gänzlich ungewiss war. Allerdings: Es gab ein Ziel, ein Entkommen aus der misslichen Lage und ein voranschreiten in der Welt. Doch dann plötzlich kam die große Verwirrung: Plötzlich in einer der fortgeschritteneren Staffeln wirkte es, als wären die Protagonisten nicht mehrere Staffeln durch die Wildnis gelaufen und hätten eine enorme Strecke, teilweise sogar im Fahrzeug zurückgelegt, sondern wären gerade einmal wenige Kilometer von ihrem ursprünglichen Startpunkt entfernt. Es war der Moment, in dem „The Walking Dead“ zur Soap wurde.
Mittlerweile ist die Serie längst nicht mehr das, was sie einmal war: Es geht nicht mehr um die Ängste in einer so schwierigen Welt, sondern die Protagonisten haben sich längst eingelebt. Und genau da liegt auch das Problem, denn aus der einst ungewissen Serienentwicklung ist eine vorhersehbare Actionserie mit immer gleichem Muster geworden. In fast jeder Staffel wissen wir bereits vorher, dass die Figuren sich einmal mehr ein bisschen durch den Wald bewegen, um dann auch gleich auf ein neues Lager mit neuen Leuten zu treffen, mit denen sie sich wieder die Köpfe einschlagen können. „The Walking Dead“ ist zur Soap geworden, in der die Zombies und die eigentlich ursprüngliche Handlung zu dekorativem Beiwerk verkommen. Es ist ein bisschen wie in den typischen Nachmittags-Soaps, in der wir lediglich damit unterhalten werden, welche Konflikte unter den Menschen wohl als nächstes aufkommen. Das was „Unter uns“ oder „Alles was zählt“ in irgendwelchen Wohnzimmern veranstalten, passiert hier in einem Überlebenden-Lager mit Zombies drumherum. Das sieht ein bisschen ansprechender aus, ist inzwischen inhaltlich aber ähnlich anspruchsvoll.
Da stellt man sich natürlich die Frage, wie es dazu kommen konnte und warum die Qualität von „The Walking Dead“ über die Jahre so stark gesunken ist. Die Antwort könnte leicht gefunden sein: Es liegt an veralteten Vorstellungen und Verträgen der großen Fernsehsender, die noch am linearen Programm festhalten. In der heutigen Zeit möchte ein Publikum schließlich eine zusammenhängende Geschichte, in der wir komplexe Charakterentwicklung geboten bekommen. Das klassische episodische Format gilt nicht mehr als zeitgemäß. Heute erzählen wir Serien genauso, wie man Filme erzählt und nutzt dabei die Vorteile der deutlich längeren Spielzeit einer Staffel. Doch vor einem schrecken die Sender immer noch zurück: Sie wollen kein Ende festlegen. Man probiert erst einmal aus, schaut wie die Quoten sind und entscheidet dann, ob es weiter geht. Für eine Serie mit zusammenhängender Handlung ist das fatal: Man braucht ein festgelegtes Ende und eine Idee davon, in welche Richtung sich die Serie in welchem Zeitraum entwickeln soll. Dreht man in jeder Staffel so, dass man sich eine Fortsetzung offen lässt, entstehen Muster unter denen auch „The Walking Dead“ zu leiden hat. Deswegen ist es wichtig, dass sich Sender und Produktion auf eine festgelegte Anzahl von Staffeln verpflichtend einigen und diese auch bis zum Schluss durchziehen. Das birgt natürlich finanzielle Risiken für die Sender. Aber es würde uns auch vor den zahlreichen Enttäuschungen bewahren, weil eine Serie vorzeitig und unfertig wieder abgesetzt wird. Und es verhindert, dass sich Serien womöglich irgendwann im Kreis drehen könnten.
Vielleicht wäre es also für die Sender an der Zeit, ihr lineares Sendekonzept zu überdenken und ihre Serien auf ein Publikum auszurichten, das heute jederzeit und auf Abruf einschaltet, wann immer sie wollen. Entweder mit eigenen Video on Demand-Plattformen, oder aber durch exklusive Ko-Produktionen mit einem der großen VOD-Anbieter, bei dem man sich dann aber auch die Produktionskosten gerecht aufteilt. Eines steht jedenfalls fest: Wird es erst einmal zur Gewohnheit, Serien vorzeitig einzustampfen oder sie – wie „The Walking Dead“ – vor sich hinplätschern zu lassen, schneiden sich die Sender damit in ihr eigenes Fleisch. Denn irgendwann wird so mancher Zuschauer einer neuen Serie womöglich keine Chance mehr geben, in der Befürchtung, diese würde ja ohnehin wieder genau so enden. Dass es auch anders geht, machen uns Sender wie FX oder ITV längst vor, wenn Serien wie „Fargo“ oder „Broadchurch“ genau wegen diesem festgelegten Ende überhaupt erst so hervorragend funktionieren und ihr Qualitätsniveau über eine gesamte Staffel hinweg hoch halten.