Kritik:
Es vergehen meistens nicht viele Jahre, bis eine neue Version des beliebten Strategiespiel-Klassikers „Civilization“ auf dem heimischen Rechner erscheint. Etwas seltener hingegen ist die nicht weniger beliebte Weltraum-Variante, bei der Spieler einen fremden Platen kolonisieren müssen. Nachdem im Jahre 1999 erstmals „Alpha Centauri“ mit der spannenden Besiedelung eines fremden, bewohnbaren Planeten begeisterte, entführt uns jetzt der direkte Nachfolger „Civilization: Beyond Earth“ erneut in fremde Galaxien, um der Menschheit eine neue Hoffnung zu bescheren. Das Spielprinzip ist natürlich beim Alten geblieben und doch gibt es Neuerungen und Vereinfachungen, die das Spielerelbnisse ein wenig verändern.
Das nie hungernde Volk
Auch in diesem Spiel müssen wir uns wieder um die Entwicklung unserer Gesellschaft kümmern und zunächst eine geeignete Infrastruktur aufbauen. Mit der Landung auf einen ausgewählten Punkt des Planeten starten wir erst mit einer einzelnen kleinen Stadt, die sich mit fortschreitendem Spielverlauf vergrößert und müssen dabei sowohl das Wohl unserer Bevölkerung im Auge behalten, als auch technische, wie geistige Rohstoffe produzieren. Immerhin sind erstere doch recht einfach zu erlangen: Eine echte Schwierigkeit besteht für den erfahrenen „Civilization“-Spieler eigentlich nicht, wenn es darum geht, Nahrung und Produktion sicherzustellen und eine Mindestgesundheit innerhalb der Bevölkerung zu garantieren. Entgegen vielen anderen klassischen 4X-Strategiespielen macht man es dem Spieler oft etwas zu leicht, zeigt aber hinsichtlich einer futuristischen Zivilisation durchaus einen gewissen Realismus. Ein paar Farmen und Plantagen angebaut, schon muss man sich keine Gedanken mehr über die Nahrungsproduktion seines Volkes machen.
Wettlauf der Zivilisationen
Etwas anders sieht es da schon aus, wenn es um die Bereitstellung von Wissenschaft, Energie und Kultur geht. Da liegt schließlich der Fokus des Spiels, der auch einen Wettlauf zwischen den Fraktionen mitbringt. Insgesamt kann man „Civilization: Beyond Earth“ nämlich auf mindestens neun verschiedene Arten gewinnen, für die unter anderem Forschung und Kultur dringend notwendig sind – gewonnen hat aber nur derjenige, der eine der Siegbedingungen als erstes erfüllt. Während auf einer kleinen Map dabei durchaus bereits neun Stunden für ein einziges Spiel vergehen können, ist es zwingend notwendig zu expandieren, wissenschaftliche und kulturelle Errungenschaften zu erreichen und somit den Wettlauf um die Entwicklung seiner Zivilisation zu gewinnen. Und da geht die KI wirklich keine Kompromisse ein: Bereits auf dem zweitniedrigsten Schwierigkeitsgrad kann das Erreichen der endgültigen Siegbedingung schon einmal knapp werden, denn die Forschung liegt im Fokus der anderen Fraktionen.
Der seltene Krieg
Ungewohnt dürfte für „Civilization“-Veteranen allerdings das niedrige Konfliktpotential zwischen den Fraktionen sein. Durch den Wettlauf um die Entwicklungen gerät der militärische Part stark in den Hintergrund, obwohl es bei anderen „Civilization“-Spielen praktisch automatisch zu einem Krieg kam. Erst beim späteren Spielverlauf und dem Bekanntwerden der eigenen Forschungsausrichtung entwickelt sich der Kontakt zu einigen anderen Fraktionen mit anderer Entwicklungsaffinität zunehmend feindlich. Der Krieg steht kurz bevor – ausgerechnet dann, wenn das Erreichen des Ziels doch so nah erscheint. Interessant ist das vor allem deshalb, weil man sich die ersten Stunden eines Spiels problemlos auf Forschung, Entwicklung und Expansion konzentrieren kann – so man denn möchte. Wer vor allem Aufbaustrategie liebt und gerne seine Städte aufbaut, ohne gleich in die nächste Schlacht ziehen zu müssen, wird „Beyond Earth“ lieben. Am Ende gibt es dann schließlich genügend Ressourcen, um die benötigten Einheiten herzustellen. Allerdings könnte das vollständige Missachten der Militärentwicklung auch ein fataler Fehler sein, wenn es irgendwann vielleicht zu spät ist.
Hart in der Verteidigung, dumm im Angriff
Im Kampfeinsatz weckt die KI der computergesteuerten Fraktionen dann allerdings ein wenig gemischte Gefühle. Geht es aber erst einmal darum, dass der Gegner seine Städte beschützt, agiert die KI durchaus recht intelligent und weiß seine Fähigkeiten einzusetzen. Mit starken, verteidigungsfähigen Einheiten und Abwehrmaßnahmen der Städte benötigt man schon einige Einheiten, um die gegnerischen Stationen zu übernehmen. Die Verteidigungsaufstellung, die mitunter einen regelrechten Schutzwall um die Stadt errichtet, scheint darüber hinaus ebenfalls durchdacht: Zum Angriff auf die Stadt müssen die feindlichen Einheiten zunächst einmal erledigt werden, was mit Verlusten verbunden sein kann. Leider geht die KI dann allerdings weniger intelligent vor, wenn es darum geht, dass der Spieler angegriffen werden soll – vor allem dann, wenn sich vor der Stadt ein Planetenwunder (Gebäude, fortgeschrittene Errungenschaft) befindet, welches der Spieler für eine seiner Siegbedingungen benötigt. Anstatt dann die Stadt anzugreifen, bombardiert die KI genau dieses Weltwunder, welches aber leider keinerlei Schaden erleidet und somit unzerstörbar wird. So wird die KI natürlich nicht zu einer echten Bedrohung und kann gemütlich ohne Sorgen ausgeschaltet werden. Ein Patch sollte dies möglichst noch beheben.
Realistische Zukunft: Starker Geheimdienst
Das ist allerdings nicht der einzige Bug, auf den wir beim Test gestoßen sind. Einen weiteren – tatsächlich verheerenden – Bug gibt es beim Geheimdienstsystem, welches uns zur Verfügung steht, sobald wir ein Spionagegebäude gebaut haben. Befinden wir uns nämlich im Krieg mit einer anderen Fraktion, kommt es mitunter vor, dass das Spionagemenü schlicht keinerlei Inhalte mehr anzeigt – es ist dann also nicht mehr möglich, unseren Agenten neue Befehle zu erteilen, obwohl speziell dies im Kriegseinsatz umso interessanter wäre. Prinzipiell kann man diese nämlich einsetzen, um eine Stadt mittels Netzwerk zu infiltrieren, hohe Energiemengen abzuschöpfen, Wissenschaft und Technologie zu stehlen oder gar Aufstände anzuzetteln, wofür jeweils andere Erfahrungs- und Intrigepunkte für die Agenten notwendig sind. Dass man ausgerechnet im Krieg allerdings keine Aufstände anzetteln kann, hat uns doch sehr missfallen – obwohl das Spionagesystem ansonsten gut funktioniert hat und sinnvoll eingesetzt werden kann.
Ausbaufähige Diplomatie
Wie üblich finden wir in „Civilization: Beyond Earth“ aber auch wieder ein Diplomatiesystem, mit dem wir mit anderen Fraktionen in Kontakt stehen können. Geht es etwa darum, Friedens und Kooperationsverträge zu vereinbaren, den Krieg zu erklären oder ein Kriegsbündnis einzugehen, funktioniert das Diplomatiesystem hervorragend. In regelmäßigen Abständen kommen jedoch auch Handelsanfragen und Forderungen durch andere Fraktionen, die uns zu einem Tausch oder Unterstützung mit Ressourcen bitten. Stimmen wir letzterem zu, erhalten wir „offene Gefallen“, die wir in der Theorie dazu einsetzen können, die andere Fraktion zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Offensichtlich hat man das allerdings nicht ganz durchdacht, denn diese Gefallen nutzen in der Praxis nur selten etwas. Genau vier offene Gefallen sind beispielsweise nötig, um eine andere Fraktion zum Kriegsbündnis umzustimmen – da hat man aber schon viele Ressourcen verschenken müssen. Als Druckmittel zur Forderung von Ressourcen oder Infrastruktur lassen sich diese darüber hinaus nicht nutzen, obwohl die Gefallen hier deutlich sinnvoller eingesetzt hätten werden können, vor allem wenn es bei uns mit der Energie einmal knapp wird. Von Bugs, die beispielsweise dafür sorgen, dass ein vom Gegner selbst angebotenes Angebot plötzlich nicht mehr gut genug ist, mal ganz abgesehen.
Forschung – umfangreich und kompliziert
Etwas besser funktioniert allerdings das umfangreiche Forschungssystem, dessen Techtree auf den ersten Blick etwas überfordern könnte. Ausgehend von der Mitte schaut dieses nämlich auf den ersten Blick aus wie eine Brainstorming-Wolke und erscheint für Kenner der „Civilization“-Reihe anfänglich etwas extrem wirr und unübersichtlich. Auf den zweiten Blick funktioniert dieses allerdings gut, da die Zusammenhänge und Technologiestränge schnell ersichtlich werden. Wie man eine bestimmte Technologie erreicht, wird so schnell und einfach klar – ausgehend von einer zentralen Technologie, die die Menschheit bereits von der Erde mitbrachten. Das ist nachvollziehbar und obendrein noch tiefgründig: Neben Knotenpunkten, die uns eine bestimmte „Oberkategorie“ erforschen lassen, können wir anschließend auch nur zusätzliche Verfeinerungen und Verbesserung dieses Forschungsstrangs entwickeln, die uns verschiedene Vorteile bringen. Interessant dabei: Wir können frei wählen, welchen Teil wir über den Knotenpunkt hinaus noch erforschen wollen, ohne dabei eine konkrete Reihenfolge einzuhalten. So kann der Spieler exakt das erforschen, was er tatsächlich braucht und zur Erreichung seines Siegpunktes und seiner Strategie gezielter vorgehen, als in anderen „Civilization“-Spielen. Das umfangreiche Hilfemenü erklärt mit wenigen Klicks außerdem, was uns die Technologien bringen, welche Gebäude wir wofür errichten können und brauchen und vieles mehr. Simpel und vorbildlich.
Entscheide über deine Politik
Die technologischen Errungenschaften bieten allerdings auch Abwechslung, nicht nur wegen ihrer neuen Möglichkeiten. Mittels Quest-Entscheidungen müssen wir oftmals moralische Fragen beantworten und können individuell einen persönlichen Nutzen aus den Entscheidungen ziehen. Haben wir etwa Alien-Reservate gebaut, weil wir die fremdartigen Kreaturen nicht wahllos ermorden wollen, so können wir uns beispielsweise entscheiden, ob wir diese für das Leben im Haushalt domestizieren, oder ob wir sie als Nutztiere auf den Feldern und Plantagen einsetzen möchten – die erste Entscheidung bringt uns zusätzliche Kulturpunkte, die andere verbessert die Nahrungsverfügbar – was insbesondere nützlich sein kann, wenn einige der Städte auf schlechtem Terrain gebaut wurden. Bei nahezu jeder wichtigen und futuristischen Errungenschaft dürfen wir derartige Entscheidungen treffen. Darüber hinaus gibt es allerdings auch einige wenige echte Quests, für dessen Erfüllung wir Belohnungen erhalten – etwa das erfolgreiche Durchführen von Spionageeinsätzen gegen eine bestimmte Station. Insgesamt hätten wir uns allerdings ein paar richtige Quests mehr gewünscht, um „Beyond Earth“ zu einer größeren und noch abwechslungsreicheren Herausforderung zu machen.
Die zahme Natur
Insbesondere Käufer der Box-Version verfügen häufig auch bereits über den nur knapp drei Euro teuren DLC, der dem Spiel weitere neue Karten hinzufügt, bei der die Landschaft und das Terrain unterschiedliche Voraussetzungen haben. So bietet sich auf jeden Fall ein Wiederspielwert unter verschiedenen Bedingungen, zumal wir auch frei wählen können, ob wir auf einer kleinen, mittleren oder großen Karte spielen wollen, was unterschiedliche Folgen hat. Schade ist allerdings, dass die Natur des fremden Planeten kaum eine Rolle spielt. Ein echtes Klima ist praktisch nicht vorhanden und bietet daher auch keine Veränderungen, Naturkatastrophen suchen wir außerdem ebenso vergebens, wie unerwartete Zufallsereignisse, die plötzlich auftreten und die Bedingungen unseres Spiels ändern können. Hier haben einige andere 4X-Spiele bereits mehr Möglichkeiten geboten und eine höhere Schwierigkeit für erfahrene Spieler bieten können. Dafür können die Artenvielfalt, die zahlreichen Rohstoffe und die alt bekannten Artefakte wieder punkten. Schade nur, dass seltene Rohstoffe wie Xenomasse ausschließlich für den Bau von Einheiten und ähnliches verwendet werden können und nicht richtig in das Wirtschaftssystem einfließen – auch das nimmt eine weitere Herausforderung.
Suchtfaktor trotz Schwächen
Trotz der teilweise vorhandenen kleinen Schwächen ist „Civilization: Beyond Earth“ aber natürlich ein sehr gutes und spaßiges Spiel. Strategiefans werden sich auch dieses Mal sicher häufig dabei erwischen, wie sie mitten in der Nacht am Wochenende noch vor dem heimischen Rechner sitzen und unbedingt noch die nächste Runde spielen wollen. Der Suchtfaktor ist also ganz typisch für die „Civilization“-Spiele einmal mehr gegeben und die gröbsten Bugs wurden bereits mit mehrfachen Patches behoben. Darüber hinaus überzeugt das Spiel vor allem mit einer guten Performance, denn selbst alte Dual Core-Prozessoren und DirectX 10-Grafikkarten dürften bei der flüssigen Darstellung keinerlei Probleme haben. Schade ist nur, dass die grafischen Möglichkeiten nicht ganz ausgereizt werden, denn optisch befindet man sich bestenfalls auf dem Niveau des mittlerweile über drei Jahre alten „Anno 2070“. Die gerne verwendeten Unschärfeeffekte lassen sogar stark an den Ubisoft-Titel erinnern. Für Strategieveteranen ein Muss, doch Neulinge könnten eventuell auch „Civilization V“ noch immer in Erwägung ziehen.
Fazit:
Die Science-Fiction-Variante des Strategiespiel-Klassikers hat seine gröbsten Fehler mittlerweile ausgemerzt und lockt seine Fans mit einem hohen Suchtfaktor und einer enormen Langzeitmotivation vor den Rechner. Trotzdem wäre durchaus das Potential für noch höhere Qualitäten vorhanden gewesen.