Kritik:
Square Enix wagt einen völlig neuen Schritt: Statt die immer gleichen stupiden Shotter zu präsentieren, lässt man den Spieler in eine gänzlich neue ungewohnte Rolle eintauchen. Fast komplett ohne Action und Gewalt schlüpfen wir also in die Rolle eines Geistes, der versucht, seine noch lebenden Mitmenschen zu beeinflussen. Mit Detektivgeschichten im Stil von „LA Noire“ und einer durchaus aufwändigeren Geisterstory könnte man also ein spannendes neues Konzept geschaffen haben – das zwar durchaus an der einen oder anderen Schwäche leidet, aber eine willkommene Abwechslung darstellt.
Leben nach dem Tod
Die Einführung ist dabei recht knapp: Kurz nachdem wir aus dem Fenster herabgestürzt sind, dürfen wir beobachten, wie wir vom eigenen maskierten Mörder erschossen werden. Kaum zu fassen, was da geschehen ist, stehen wir plötzlich als grauer und halb-transparenter Geist neben der Leiche und müssen uns in der neuen Welt zurecht finden. Durch Wände und Gegenstände können wir ebenso hindurch laufen, wie durch Menschen, die uns natürlich nicht sehen können. Beklemmend daher die Tatsache, dass wir unsere ehemaligen Kollegen bei der Ermittlung am Tatort beobachten können. Wäre da doch bloß die Möglichkeit, Kontakt mit eben diesen aufzunehmen. Nur einer fällt auf: Der draufgängerische Baxter, der uns auch nach dem Tod nicht wirklich leiden kann. Zum Glück stehen uns aber auch einige andere Geister zur Seite, die ebenfalls in der Zwischenwelt noch etwas zu erledigen haben und mit uns kommunizieren können.
Problem, Ermittlung, Lösung
Der Ablauf der Rätsel ist dabei ganz klassisch und verläuft nach alt-bekanntem Muster, welches wir ähnlich schon aus dem Open World-Detektivspiel „LA Noire“ kennen. Zunächst stehen wir vor einer schwierigen Fragestellung, die etwa lauten kann „Was hat der Mörder hier gesucht und warum war er hier?“. Anschließend müssen wir den Tatort nach möglichen Hinweisen, Indizien und Beweisen absuchen, die auf die Antwort auf diese Frage hindeuten könnte. Manches Mal muss dabei sogar kombiniert werden, da wir Hinweise nur durch Beeinflussung anderer Menschen finden können oder in dem wir durch Besitzergreifung einer anderen Person in dessen Akten schauen. Was dann folgt, sind spannende Zwischensequenzen, die es wirklich in sich haben und hin und wieder einen kleinen Happen der Story aufdecken können. Die Lösung erlangt, geht es entweder zur nächsten Ermittlung oder zum nächsten Ort. Ein Glück, dass uns zwischendurch auch die hübsche und selbstbewusste Joy zur Seite steht, die uns fast als einziger lebender Mensch sehen kann.
Im Kopf eines Menschen
Ganz ohne Möglichkeiten sind wir als Geist dann aber doch nicht. Damit wir unsere Aufgaben auch erledigen können, können wir insbesondere auch ein wenig als Poltergeist umher irren. Elektrische Geräte lassen sich beeinflussen, sodass etwa Automaten verrückt spielen, Drucker mit Papier um sich werfen oder Fernseher sich verselbstständigen. Das ist allerdings nicht ganz so lustig, wie es auf den ersten Blick klingt, denn spielen können wir damit nicht. Witzig wäre es doch gewesen, den Fernseher beeinflussen zu können und damit den Zuschauer ein wenig zu ärgern. Oder etwa Telefonstreiche mit unseren Kollegen zu spielen. Leider ist nichts davon möglich – jede Poltergeist-Aktion dient nur als Ablenkung, damit Joy sich ihren Weg bahnen kann, um uns behilflich zu sein. Dafür haben wir aber andere lustige Möglichkeiten, wie die Besitzergreifung anderer Personen, das Lesen von Gedanken, die Beeinflussung von Menschen oder gar das Teleportieren als Geist. Auf jeden Fall ist das auf entspannende Weise mal etwas anderes, als mit Sturmgewehren um sich zu schießen.
Lineare offene Welt
Auf den ersten Blick handelt es sich hier außerdem um eine offene Welt. Außerhalb der Ermittlungen können wir uns praktisch frei durch die ganze Stadt bewegen und die Umgebung etwas erkunden. So haben wir auch die Möglichkeit, einzelne Nebenaufgaben zu lösen und anderen Geistern dabei behilflich zu sein, ihren meist viel simpleren Todesfall aufzuklären und ihnen so zur letzten Ruhe zu verhelfen. Insgesamt wird die Stadt dabei aber nicht ganz so lebendig, wie wir uns das erhoffen würden, denn der Tagesablauf der Passanten wirkt doch etwas unglaubwürdig. Dass Pärchen mitten in der Nacht kuschelnd auf einer Bank sitzen, mag ja durchaus noch glaubwürdig sein – wenn das allerdings an jeder Straßenecke der Fall ist, kommt doch ein wenig Verwunderung auf. Das Gleiche gilt für Museen, die mitten in der Nacht von erstaunlich vielen Menschen aufgesucht werden. Etwas realistischer hätte man die NPCs schon gestalten können – oder auch einfach mal einen Tag- und Nachtwechsel einbauen können, der aber vermutlich dann der Atmosphäre geschadet hätte.
Flucht vor den Dämonen
Schade ist außerdem, dass der Ablauf der jeweiligen Abschnitte immer wieder gleich verläuft. Erst müssen wir Joy dabei helfen, ein Gebäude zu infiltrieren, anschließend folgt die Beweisaufnahme am jeweiligen Tatort. Danach allerdings – wenn wir aus dem Gebäude wieder heraus wollen – stehen uns einige nervige und frustrierende Hindernisse im Weg. Meist platzieren sich nämlich drei bis vier Dämonen in den Gängen, die wir mittels unentdeckter Stealth-Attacke von hinten ausschalten müssen. Dazu können wir die Rückstände anderer Geister als Versteck nutzen, uns an sie heranschleichen und anschließend mit einem Quicktime-Event erledigen. Nur sehen dürfen die uns dabei nicht. Frustrierend ist das allerdings nicht deshalb, weil die Dämonen etwa schwierig zu besiegen wären, sondern weil wir schlicht keine Lust haben, sie zu bekämpfen. Letztendlich sind sie für den Spielverlauf überflüssig und stören nur den Storyfluss. Angesichts einem Röntgenblick, diverser Ablenkungsmanöver und Verstecke dürfte man dennoch innerhalb von wenigen Minuten stets alle Dämonen erledigt haben.
Melancholie der Nacht
Eine große Stärke des Spiels liegt hingegen in der grandiosen Geschichte, die während der gesamten Spielzeit enorm fesseln kann. Mit nur vereinzelten Storyhappen wird die Handlung nach und nach immer weiter aufgedeckt, doch die wahren Hintergründe bleiben stets offen. Stattdessen führt uns das Spiel gern in die Irre und präsentiert uns potentielle Verdächtige, die vielleicht gar nicht so schuldig sind, wie wir zunächst vermuten. Wobei Schuld in diesem Spiel ein durchaus auslegbares Wort ist. Das tatsächliche Ende wird uns dafür dann umso mehr überraschen und entspricht definitiv nicht den anfänglichen Erwartungen. Letztendlich schafft es „Murdered – Soul Suspect“ uns trotz einer recht kurzen Spielzeit von knapp 7 Stunden durchgehend am Ball zu halten und eine gewisse Dramatik aufzubauen. Stets wollen wir heraus finden, wer womöglich hinter dem maskierten Mörder steckt und freuen uns über jedes noch so kleines Detail, welches die potentiellen Zeugen bekannt geben. Zudem sorgen diverse Storytwists dafür, dass nie Langeweile aufkommt. Wer also vor allem auf eine gute Story viel Wert legt wird an diesem Spiel definitiv enorm Spaß haben.
Ich kann tote Menschen sehen
Auch die Charaktere können sich allesamt sehen lassen und bleiben interessant, was wir natürlich auch den großartigen deutschen Synchronsprechern zu verdanken haben. Selbst die Hauptfigur, die oberflächlich ein wenig von ihrer schwierigen Vergangenheit bekannt gibt, bleibt dabei nicht schwarz-weiß, sondern hat einen gewissen Tiefgang zu bieten. Umso interessanter ist jedoch die hübsche, selbstbewusste und aufgeweckte Begleiterin Joy, die als Medium tote Menschen sehen kann. Die hat natürlich gewohnheitsbedingt keine Angst, dafür aber einen ganz besonderen Blick auf die Welt. Immer auf der Flucht vor der Polizei steht sie uns in diesem Spiel zur Seite und präsentiert sich mit einer selbstbewussten Art, die ihr Charakterstärke und Wiedererkennungswert verschafft. Dagegen verblassen die Nebencharaktere, wie etwa Polizist Baxter, recht schnell.
Gesichter zum Verlieben
Besonders in der Kritik steht bei vielen vor allem die Grafik, die nicht mehr zeitgemäß sein soll. Hier muss man klar zugeben, dass man „Murdered – Soul Suspect“ nicht gerade zu den Referenztiteln zählen kann und daher vor allem Partikeleffekte zunächst oft vermissen lassen. Dennoch kann man die Optik durchaus als zweckmäßig und angebracht bezeichnen, denn das Spiel sieht trotz fehlender High-End-Grafik immer noch schick aus. Dafür erfreuen sich vor allem Besitzer eines schwächeren Rechners an den geringen Hardwareanforderungen, denn das Adventure läuft definitiv auch noch auf Hardware der älteren Generationen. Außerdem braucht man sich vor allem bei den Gesichtsmodellierungen nicht vor so manchem Referenztitel verstecken, denn vor allem das Gesicht von Joy wirkt sehr natürlich und glaubwürdig, sodass wir es vielleicht um eine der hübschesten weiblichen Charaktere der letzten Zeit zu tun haben. Alle, für die Grafik eben nicht alles ist, liegen bei diesem Titel also vollkommen richtig.
Fazit:
Innovation auf dem heimischen Rechner: „Murdered – Soul Suspect“ verzichtet auf brachiale Action und blutige Schießereien und setzt dafür auf Story, eine ungewöhnliche Hauptrolle und spannende Ermittlungen. Dabei kommt man zwar nicht ganz ohne Schwächen aus, erzeugt aber ganz viel Spaß für Fans von „LA Noire“ und ähnlichen Spielen.