Kritik:
Die Fangemeinde ist seit vielen Jahren riesig. Bereits seit 1998 begeistert die Reihe, damals noch unter dem Titel „Dark Project“ zahlreiche Spieler und punktete bereits früher mit großen offenen Welten und einer hohen Komplexität. Nun gibt es mit dem vierten Teil, welcher lediglich „Thief“ getauft wurde eine grafisch deutlich hübschere Version, die zumindest teilweise ein bisschen neue Wege gehen möchte. Mehr Adventure, bessere Einsteigerfreundlichkeit – aber auch zurückhaltendere Stealth-Einlagen. Das dürfte womöglich nicht jeden Fan des Franchise zufrieden stellen.
Garrett und seine Freundin
Trotzdem erinnern wir uns bereits in den ersten Momenten an die alten Tage zurück. Wir spielen erneut mit dem legendären Meisterdieb Garrett, der wie immer versteckt wie ein Schatten durch die dunklen Gassen schleicht und versucht, dabei möglichst unentdeckt zu bleiben. Auch an der Gewandung hat sich nichts geändert: In seiner schwarzen Montur und seiner düsteren Kapuze ist er in der Nacht schließlich nicht allzu leicht zu erkennen. Doch dieses Mal ist er nicht ganz so sehr auf sich selbst fixiert, denn ein zusätzlicher, nicht spielbarer Hauptcharakter, steht im Mittelpunkt der Geschichte: Erin. Die bedeutet ihm sehr viel und diverse Erinnerungen, Visionen und Entdeckungen führen uns auf ihre Fährte – der eigentliche Diebstahl wird dabei fast schon nebensächlich. Und da liegt auch das Problem.
Die Jagd nach der Urkraft
In den acht recht langen Kapiteln dieses Spiels konzentrieren wir uns auf einige wesentliche Hauptcharaktere. Neben Erin haben wir vor allem den Baron und seine Komplizen im Visier. Auch der berüchtigte Orion, welcher verspricht, die Bevölkerung mit einer geheimnisvollen Macht von ihrem Elend und den Krankheiten zu befreien, steht im Mittelpunkt. Doch zu Beginn könnten einige Storyabschnitte schwer zu verstehen sein. Auf Grund den recht spärlichen Informationen, die man uns zu Beginn des Spieles mitteilt, erfahren wir erst im späteren Verlauf, um wen es sich bei der allgegenwärtigen Erin tatsächlich handelt und was in der Vergangenheit wohl passiert ist. Storyschnitte um ganze Tage oder gar Jahre sorgen aber zunächst für einen holprigen Start, der zum späteren Verlauf jedoch nachvollziehbarer wird. Bereits die Hauptstory mit ihren acht Kapiteln schafft es dabei, uns ganze vierzehn Stunden zu beschäftigen – ohne auch nur eine einzelne Nebenaufgabe absolviert zu haben.
Der Dieb braucht den Diebstahl nicht
Schade ist dabei allerdings, dass der eigentliche Diebstahl in den Hauptmissionen etwas zu kurz kommt. Wir haben zwar ein zentrales und wichtiges Ziel, das wir ergaunern müssen, doch auf dem Weg könnten wir etliche Gegenstände auch problemlos links liegen lassen. Hier tauchen zwar immer wieder einige mehr oder weniger wertvolle blinkende Gegenstände auf, die uns finanziell bereichern, doch bereits das Abschließen einer Mission bringt genügend Geld, um uns anschließend bei den spärlich vorhandenen Schwarzmarkt-Händlern mit der nötigen Ausrüstung und den Waffen für die nächste Aufgabe auszustatten. So fühlen wir uns nicht immer wie ein Dieb, sondern viel mehr wie ein Spion bei der Observierung seiner Feinde.
Mit Pfeil und Bogen
Die Ausrüstung unterscheidet sich dabei kaum von den älteren Spielen der Reihe. Immerhin ist Garrett einmal mehr mit seinen üblichen Pfeilen und dem Bogen unterwegs, um damit möglichst geschickt und unerkannt vorzugehen. Der Wasserpfeil verschafft uns Dunkelheit und löscht Fackeln und Feuer, der Feuerpfeil macht genau das Gegenteil und kann bei entsprechendem Einsatz viel Schaden anrichten. Darüber hinaus helfen weitere Pfeile bei der unerkannten Bekämpfung unserer Gegner. Meist können wir von der jeweiligen Sorte allerdings nur eine geringfügige Anzahl mitnehmen, sodass wir sparsam sein müssen und den Einsatz der Waffen genauestens überlegen sollten. Denn eines ist Gewiss: Für den Nahkampf gegen Soldaten mit Schwert und Rüstung ist Garrett dank seines Knüppels eher wenig geeignet. Einfach drauf los geht also nicht – und belohnt werden wir dafür auch nicht. „Thief“ ist eben ein waschechtes Stealth Game und das merkt man.
Der intelligente Gegner
Damit das unentdeckte Vorgehen allerdings auch zu einer echten Herausforderung wird, wurden die computergesteuerten Charaktere mit einer einigermaßen brauchbaren Intelligenz ausgestattet. Treten wir einmal ins Licht und der Gegner schaut in unserer Richtung, wird er uns schon bald entdecken und seine Kollegen herbei rufen. Die Folge wären gleich mehrere Gegner auf einmal, gegen die wir allein so schnell keine Chance haben. Auch sucht man noch recht lange nach uns, sobald man uns erst einmal entdeckt hat. Ein bisschen Geduld ist also gefordert, um möglichst die Beruhigung der Gegner abzuwarten. Und mit den Wasserpfeilen haben wir es ebenso nicht gerade einfach: Bekommt jemand mit, dass eine Kerze oder eine Fackel plötzlich nicht mehr brennt, lässt das nächste Streichholz nicht lange auf sich warten. Leicht ist das Spiel daher nicht immer.
Der lineare Brand
Schade ist allerdings, dass die Entwickler wohl auch dem abenteuerlustigen Mainstream gerecht werden wollten und dabei nicht immer nur auf Stealth setzt. Bei den knapp 90 minütigen Kapiteln können wir immer nur einen Teil wirklich frei und versteckt agieren. Anschließend wird es schnell linear und wir müssen uns durch Schlauchlevels an den nächsten Gegnern vorbei huschen. Kommt es dann zum Schluss einmal richtig hart auf hart, könnten wir möglich in einem streng linearen und gescripteten Bereich auf die Flucht gehen. Durch brennende Häuser müssen wir da ebenso schon einmal, wie über eine einstürzende Brücke. Wer da nicht mehr genügend heilende Nahrung dabei hat, könnte hier und da schon einmal frustriert vor dem Bildschirm hocken. Das nervt vor allem die alten Fans der Reihe und die echten Stealth-Veteranen. Auf Flucht statt durchdachtem Vorgehen hat man eben nicht immer Lust.
Diebische Nebenaufgaben
Dafür können wir uns in den Nebenaufgaben, die wir unter anderem von unserem Freund Basso erhalten, ganz den spannenden und abwechslungsreichen Aufgaben widmen. Oft müssen wir dabei Gegenstände oder Gemälde stehlen und schleichen uns dabei ganz klassisch in die Häuser und Wohnungen. Dumm dabei: Viele dieser Aufgaben sind deutlich zu einfach und innerhalb weniger Minuten gelöst. Dass sich in den meisten Wohnungen keine oder nur sehr wenige Menschen aufhalten, bestärkt dieses Problem noch. Obwohl die Straßen nahezu leer sind, wundern wir uns doch immer wieder darüber, dass in den Betten der Wohnungen nur selten jemand schläft. Da hätte die Welt weitaus lebendiger sein können. Immerhin locken uns einige Nebenaufgaben auch in zusammenhängende und umfangreichere Missionen – insbesondere, wenn wir mit der „limitierten Sonderedition“ ausgestattet sind. Eine riesige Bank wartet da nur darauf, von uns leer geräumt zu werden.
Pseudo Open World
Außerhalb der Kapitel können wir uns übrigens recht frei auf der Karte bewegen. Allerdings müssen wir zwischen den Abschnitten hin und wieder den neuen Bereich laden, sodass wir kaum von einer echten Open World-Karte sprechen können. Besonders nervig wird es, wenn wir auch beim Einbrechen in eine Wohnung bereits einen Ladebalken zu sehen bekommen. Noch schlimmer: Innerhalb der Kapitel ist von Open World überhaupt nichts zu sehen, sodass wir uns komplett in einem abgetrennten eigenen Bereich begeben. Die langen Wege innerhalb der Stadt machen es aber auch zwischendurch nicht gerade einfacher, zumal wir uns ständig vor den patroulierenden Wachen verstecken müssen. Möchten wir also nur einmal einen Händler aufsuchen oder zum Ziel einer Nebenmission laufen, müssen wir ständig die Augen nach Gegnern aufhalten. Das nervt auch deshalb, weil so mancher Gegner später erneut an gleicher Stelle auftaucht, obwohl wir ihn bereits getötet haben.
Nebel des Grauens
Trotzdem konnte uns „Thief“ über eine lange Zeit richtig gut fesseln, da die Story auf interessante Weise unterhält und enorm viel Atmosphäre aufbaut. Das liegt auch an dem gelungenen Soundtrack und dem großartigen Setting des Spiels. Stets in der düsteren Nacht kommen vor allem die Wolken und der Mondschein herausragend zur Geltung. Durch die grauen und ohnehin schon düsteren Gassen wandern häufig dichte Nebelschwaden, die dem Spiel insgesamt eine sehr gruselige Grundstimmung verpassen, die eigentlich nichts für schwache Nerven sind. Vermischt sich der selbige Nebel dann auch noch mit dem Rauch von Feuer oder den Ausstößen aus den Kaminen entstehen dabei wirklich hübsche Effekte, die der Stadt Stonemarket einen mysteriösen und unheimlichen Touch verleihen. Leichenstapel, ein faschistisches Regime und kranke obdachlose Menschen tun ihr übriges und machen die Stadt zu einem Ort, an dem niemand real leben möchte. Großartig an dieser Stelle.
Der Ort des Wahnsinns
Apropos Grusel: Natürlich stoßen wir im späteren Spielverlauf auch wieder auf einige besonders unheimliche Gegner, die nicht mehr allzu menschlich erscheinen. Mit dem Aussehen und Verhaltens eines Zombies streifen sie völlig planlos und ohne Gehirn durch die engen Schlauchlevels mancher Kapitel und sorgen dafür, dass wir die Fähigkeiten der Urkraft plötzlich nicht mehr einsetzen können. Hier sind besonderes Geschick und starke Nerven gefragt, um ungesehen an den Kreaturen vorbei zu kommen. Denn das müssen wir, schließlich sind wir im Nahkampf nahezu machtlos gegen die Wesen. Einen besonderen atmosphärischen Höhepunkt bietet dann sogar das fünfte Kapitel, wenn wir die Nervenheilanstalt aufsuchen und auf den Ursprung der Kreaturen stoßen. Hier grenzt „Thief“ beinahe an ein klassisches Horror-Adventure. Doch so toll das Kapitel grundsätzlich ist, vermissen wir hier umso mehr den eigentlichen diebischen Part. Dennoch eine gelungene Abwechslung.
Die plastische Dunkelheit
Grafisch kann sich das Spiel ansonsten gut sehen lassen und ist definitiv auf der Höhe der Zeit. Insbesondere der Einsatz von Lichteffekten wird zu einem wesentlichen und elementaren Bestandteil des Spiels und sieht nicht nur optisch sehr gut aus. Doch dank neuer Techniken, wie Tessalation und DirectX 11 wirken die Gebäude und Objekte hierbei besonders plastisch und realistisch. Die seit dem letzten Patch hinzugefügten Features für AMDs neuer Mantle-Technologie verbessern zudem die Performance und holen nochmal die bestmöglichen Ergebnisse aus dem Spiel heraus. Trotzdem: „Thief“ hat insgesamt recht hohe Hardwareanforderungen und ist auf Dual Core-CPUs und DirectX 10-Grafikkarten nur noch mit niedrigen Einstellungen spielbar. Hier kann es hilfreich sein, die im Launcher verfügbare 32-Bit-Option einzuschalten, um die Framerate zu verbessern. Schwache Rechner müssen aber so oder so mit starken Performanceproblemen rechnen, sodass wir entsprechende Hardware unbedingt empfehlen. Ansonsten allerdings glänzt „Thief“ mit wenigen Bugs und einer ausgesprochen guten Stabilität.
Diebe flüstern
Kenner der Reihe dürfte aber schnell auffallen, dass man derartige Qualitäten vor allem bei den Soundeffekten und der Sprachausgabe nicht immer hält. Hier müssen wir leider enttäuscht feststellen, dass man nunmehr auf den ursprünglichen deutschen Synchronsprecher verzichtet hat und dem Dieb Garret nun eine neue Stimme verpasst hat. Die allerdings führt manches Mal zu ernsthaften Problemen, denn deutliche Lautstärkeschwankungen machen es manchmal schwierig, die jeweiligen Figuren tatsächlich zu verstehen. Nicht gut – trotz einschaltbarer Untertitel. Ebenso störend erscheint da, dass die Ortung von Gegnern und die Soundkulisse des Untergrundes nicht immer optimal erscheint, obwohl dies früher ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Spiels war. Hier ist eindeutig Besserungsbedarf angesagt, obwohl wir uns immerhin über Glasscherben und herabfallenden Steinen freuen. Der Spieler muss also trotz allem aufpassen, wohin er beim Schleichen tritt. Dennoch hätte Garrett hier bessere Qualitäten verdient, immerhin handelt es sich um ein Stealth Game. Verschmerzen lassen sich derartige Patzer aber trotzdem.
Fazit:
In stimmungsvoller und düsterer Atmosphäre schleicht Meisterdieb Garrett erneut durch die Nacht auf der Suche nach seinem nächsten Fundstück. Ein Freudenfest für Stealth-Liebhaber mit nervenaufreibender Spannung über viele Stunden.