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    Wochenendrebellen

    Wochenendrebellen

    Land/Jahr:
    D 2023
    Genre:
    Tragikomödie
    Regie:
    Marc Rothemund
    Darsteller:
    Florian David Fitz
    Aylin Tezel
    Cecilio Andresen
    Joachim Król
    FSK:
    ab 6 Jahren
    Dauer:
    109 Minuten
    Kinostart:
    28. September 2023
    Label:
    Leonine

    Der 10-jährige Jason ist Autist und hat daher keine ganz so leichte Kindheit. In der Schule kommt es immer wieder zu Problemen und auch die alltägliche Reizüberflutung macht ihm zunehmend zu schaffen. Als ihm auf Grund seiner Probleme mit Mitschülern angedroht wird, bald womöglich auf eine Förderschule wechseln zu müssen, möchte er seine Probleme endlich in den Griff bekommen. Die Suche nach einem Lieblings-Fußballverein soll ihm dabei helfen, endlich Anschluss in der Schule zu finden. Dumm nur, dass Jason eben genau das machen möchte, was Autisten eben tun: Er muss alle 56 Bundesliga-Vereine vor Ort im Stadion besuchen, um überhaupt beurteilen zu können, welchen Verein er denn nun eigentlich mag. Dafür ist er jedoch auch gezwungen, sich der massiven Reizüberflutung besonders verstärkt auszusetzen. Kein allzu leichtes Unterfangen – nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seinen Vater Mirco, der ihn bei dieser Reise begleitet…

    Kritik:
    Deutsche Filme müssen Dramen sein. Das scheint schon seit vielen Jahren eine Art ungeschriebenes Gesetz zu sein. Und was wäre da näherliegend als ein „pädagogisch wertvoller“ Film über einen autistischen Jungen, der für Akzeptanz für dieses Störungsbild sorgen soll?

    Der visuelle Tunnelblick
    Für den jungen Cecilio Andresen, im echten Leben inzwischen zwölf Jahre alt, aber sicher eine schauspielerische Herausforderung, die dafür sorgen wird, dass wir diesen Jungstar in der Zukunft noch häufiger auf der großen Leinwand sehen werden. Einfühlsam und sensibel versucht er, die Probleme mit dem Autismus, die ein Betroffener selbst kaum unterdrücken kann, dem Publikum näher zu bringen. Der manchmal unterhaltsame, manchmal anstrengende „innere Monk“ des Jungen spielt da eine ebenso große Rolle, wie die auch visuell dargestellte Reizüberflutung durch Geräusche, Berührungen und andere unerwartete Ereignisse. Die Kameraarbeit unterstützt seinen Job dabei recht gut: Immer dann, wenn der junge Jason mit der Situation überfordert ist, zoomt die Kamera etwas an ihn heran, verengt seinen Blick und stellt damit auch optisch dar, wieso ein Autist plötzlich nicht mehr in der Lage ist, das große Ganze im Moment der Überforderung wahrzunehmen. Das ist ein gelungenes Stilmittel, das die Krankheit auf gelungene Weise nachvollziehbar macht.

    Die Inszenierung einer Überforderung
    Auf hohe Authentizität und Glaubwürdigkeit legt „Wochenendrebellen“ sowieso großen Wert. Das gilt auch für die großartige Darstellung von Florian David Fitz und Aylin Tezel in der Rolle der Eltern von Jonas. Realitätsnah und glaubwürdig spielen sie die überforderten Eltern, die versuchen, dem Jungen alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und ihm die Kindheit so angenehm wie möglich zu machen. Ihre Überforderung, wenn Dritte sich bei Wutausbrüchen des Kindes wieder einmal in die Erziehung einmischen, steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Und so manche echte Eltern eines autistischen Kindes werden sich da sicherlich gut hineinversetzen können. „Wochenendrebellen“ geht den richtigen Weg damit, nicht immer den pädagogisch korrekten Weg zu gehen, sondern den realitätsnahen Weg zu bevorzugen. Das Drama traut sich, auch pädagogisch falsche Erziehungsmaßnahmen darzustellen, einfach weil die Eltern eines echten autistischen Kindes wohl in der Realität aus Überforderung ähnlich reagieren würden. Und so gelingt es dem durchaus tiefgründigen Streifen, Verständnis für die Situation zu produzieren.

    Anregung zu Diskussionen
    Tiefgang zeigt sich aber auch immer dadurch, dass das Publikum im Anschluss an einen Film einen gewissen Stoff zum Diskuttieren hat. Vielen Zuschauern wird es nach „Wochenendrebellen“ wahrscheinlich genau so gehen: Sie werden darüber diskuttieren, ob sie wohl die gleichen Erziehungsmethoden anwenden würden und ob die Eltern von Jason in diesem Film wohl richtig gehandelt haben. Wenngleich sich wohl Fragen zum pädagogischen Standard des heutigen Zeitgeistes stellen, so beweist das Drama damit auch Mut zur Kontroverse. Und wagt womöglich den Schritt zu sagen: In der Sozialpädagogik wurde das perfekte Rezept für eine komplette Bandbreite eines Störungsfeldes vielleicht eben auch noch nicht ganz gefunden. Problematisch ist da allenfalls, dass man sich bei der Darstellung des Jungen etwas zu sehr auf „typisch deutsche“ Probleme stürzt: Auf die üblichen deutschen Debatten um Nazis, Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird dann doch etwas mehr eingegangen, als es „Wochenendrebellen“ wirklich gut tut.

    Ein Film für den Fußballfan
    Und vielleicht verpasst der Streifen an manchen Stellen sogar den Absprung, bevor er den Zuschauer mit Dramatik und Problemen erdrückt. Durch die Rahmengeschichte des Fußballs versucht der Streifen zwar die Story humoristisch aufzulockern, endet aber in manchen Momenten dann doch an Punkten, an denen der junge Jason schlicht zu nerven beginnt. Ein bisschen witzig ist die ulkige Geschichte um einen Jungen, der auf einer wahren Begebenheit basiert, um unbedingt jedes Stadion Europas von innen gesehen haben möchte, aber natürlich dennoch. Auch wenn in einigen Momenten doch der Eindruck entsteht, das Drama sei vor allem ein riesiger, von den Förderanstalten finanziell unterstützter Werbefilm für den deutschen Fußball und insbesondere den DFB. Ein bisschen sollte man für diese Sportart also sicherlich übrig haben, um an „Wochenendrebellen“ Spaß zu haben, denn das Publikum wird mit Fußball regelrecht erschlagen. Aber immerhin: Die Fußballfans können nach diesem Film wahrscheinlich nachvollziehen, warum sich die Nicht-Fans in einem Stadion zwischen Gröhlen, Bierdusche und körperlich grober „Fankultur“ absolut nicht wohlfühlen. Das geht schließlich nicht nur Autisten so.

    Fazit:
    Mit einer beeindruckenden schauspielerischen Leistung gelingt es dem jungen Cecilio Andresen das Störungsfeld des Autismus näher zu bringen. Dabei beweist „Wochenendrebellen“ sogar Mut zur Kontroverse und regt eine Diskussion über (richtige) Erziehungsmethoden und Pädagogik an. Insgesamt hätte es dem Streifen aber nicht geschadet, etwas weniger Werbefilm für den deutschen Fußball zu sein.