Tár |
Land/Jahr: USA 2022 |
Genre: Drama |
Regie: Todd Field |
Darsteller: Cate Blanchett Nina Hoss Noémie Merlant Adam Gopnik Julian Glover Mark Strong |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 158 Minuten |
Kinostart: 2. März 2023 |
Label: Universal Pictures |
Die berühmte Musikerin Lydia Tar gilt als eine der erfolgreichsten Dirigentinnen der Welt. Ihre Art, die Musik zu erleben und zu fühlen, lässt sich mit kaum einem anderen Künstler vergleichen. Zugleich aber zeigt sie auch eine besondere Strenge, vor allem gegenüber ihren Schülern. Ihre Umgangsformen sind intellektuell, aber auch zugleich höchst unkonventionell – was nicht bei all ihren Mitmenschen auf Gegenliebe stößt. Nun steht sie kurz davor, eine Sinfonie zusammenzustellen, die den Höhepunkt ihrer Karriere darstellen soll. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt nach dem Tod einer ihrer früheren Schülerinnen schwere Anschuldigungen gegen die Musikerin erhoben werden. Steht damit die gesamte Zukunft ihrer Karriere auf dem Spiel?
Kritik:
Einem von moderner Popkultur verwöhnten Publikum die klassische Musik näher bringen, scheint in der heutigen Zeit gar keine so leichte Aufgabe zu sein. Der Oscar-Favorit Tar möchte dies allerdings nun ändern, richtet sich dabei aber nicht wirklich an den Mainstream, sondern versucht sich als Filmkunst zu inszenieren. Ein Fehler?
Die Merkwürdigkeiten der Filmkunst
Schon der Beginn des Films könnte das übliche Effekthascherei gewöhnte Publikum jedenfalls abschrecken. Ganz wie zu vergangenen Zeiten beginnt „Tar“ nämlich nicht mit aufregenden actionreichen Szenen, sondern mit dem Abspann gleich zu Beginn des Films. Zehn Minuten mit weißem Text auf schwarzem Hintergrund beginnen, die von eher gemächlicher Musik begleitet werden und bei dem ein oder anderen Besucher des Kinosaals bereits zum Zücken des Smartphones führen. Das ist der Zuschauer von heute jedenfalls nicht mehr gewohnt. Die danach folgende sehr ruhige Inszenierung voll intellektuellem Gerede und einer gewaltigen Portion Anspruch leider auch nicht. Für die Masse wird „Tar“ damit zu einem recht schwierigen Film. Ein zunächst zäher, schwer zugänglicher Streifen, der erst auf den zweiten Blick auf Unterhaltung setzt.
Emotionalität bis ins Extreme
Aus künstlerischer Sicht macht das durchaus seinen Sinn und stellt sich langfristig sogar als vorteilhaft heraus, sofern sich das Publikum auf diese spezielle Machart einlässt. Wie in keinem anderen Film können wir hier nachvollziehen, was im Innern einer Dirigentin vorgeht, wie sie die Musik für sich selbst empfindet. Mit seinem schwierigen und langatmigen Einstieg baut „Tar“ auch eine extreme Bindung zur Hauptfigur auf. Kommt es dann zu den ersten Anschuldigungen und Intrigen, die Cancel Culture zum Hauptthema des Films machen, schlägt das zähe Drama nämlich in Genialität um. Cate Blanchett zeigt sich von einer grandiosen emotionalen Seite, die eine ausgesprochen tiefe Persönlichkeit ihrer Figur offenbart. Unnahbar und zwiegespalten zwischen Professionalität und Mitgerissenheit durch die Intrigen, bei denen bereits die Anschludigung selbst in der heutigen Zeit zur Schuld führt. Plötzlich kommt Hochspannung bei „Tar“ auf und wir sehen vielleicht einen der emotionalsten Filme der vergangenen Jahre.
Cancel Culture – auch in der Inszenierung
Das Problem dabei: „Tar“ schafft es einfach nicht, diese Hochspannung in einen Showdown münden zu lassen, sondern bleibt seinem Filmkunst-Stil treu. Was schlussendlich leider zu einem Publikum führt, das mit weniger glücklichen Gefühlen den Kinosaal verlässt. „Merkwürdiger Film“ hört man da nicht selten aus den Zuschauerreihen, sobald sich der dann echte Abspann über die Leinwand zieht. Viel zu abrupt und offen kommt da das irgendwie unbefriedigende Ende, bei dem es keine Lösung und keinen richtigen Abschluss der Geschichte gibt. Künstlerisch ergibt das Sinn, bleibt immerhin auch die Realität der Cancel Culture oft einer abschließenden Klärung schuldig, nachdem sich der negative Ruf in den Köpfen des Publikums festgesetzt hat. Und genau das möchte „Tar“ mit diesem abrupten Ende ausdrücken. Aber unbefriedigend ist das dennoch. Die Emotionen scheinen erzählt, damit ist für Regisseur Todd Field dann auch der Film offenbar zu Ende. Der Film cancelt sich selbst. Und beim Publikum bleibt das Gefühl zurück, hier einen unfertigen, nicht richtig abgeschlossenen Film erlebt zu haben. Und das nach einem Start, der ohnehin mindestens eine Stunde benötigte, um in Fahrt zu kommen. Der Mainstream-Zuschauer wird sich damit schwer tun, der Liebhaber aber vielleicht ebenfalls. Mutig aber ist das allemal.
Fazit:
Der Oscar-Favorit „Tar“ entpuppt sich als insgesamt schwieriger Film: Nach einem äußerst langatmigen und zähen Start, entwickelt sich das Drama um Cancel Culture zu einem Akt der Hochspannung, der von Cate Blanchett oscarreif gespielt wird – ehe das Ende sich dann erneut als ähnlich unbefriedigend wie genial zugleich enthüllt, da sich der Film kurzerhand selbst cancelt. Das hinterlässt zwiegespaltene Reaktionen beim Publikum.