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    Mit der Faust in die Welt schlagen

    Mit der Faust in die Welt schlagen

    Land/Jahr:
    D 2025
    Genre:
    Drama
    Regie:
    Constanze Klaue
    Darsteller:
    Camille L. Moltzen
    Anja Schneider
    Johannes Scheidweiler
    Sammy Scheuritzel
    Christian Näthe
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Dauer:
    110 Minuten
    Kinostart:
    3. April 2025
    Label:
    Across Nations Filmverleih

    Die jungen Brüder Philipp (12) und Tobias (9) wachsen zu Beginn der 2000er in der ostdeutschen Stadt Bautzen auf. Bisher scheint das Leben für sie dort gut zu verlaufen. Die Familie baut gerade ein neues Eigenheim, das Auto steht ebenfalls vor der Tür und in der kleinen Nachbarschaft versteht man sich gut. Doch die rosigen Zeiten scheinen längst vorbei zu sein, obwohl das noch nicht jeder realisiert: Die Jobs fallen weg, Schulen werden geschlossen und so mancher Mitbürger stürzt in der Alkoholsucht ab. Für die Jugend gibt es in der ostdeutschen Provinz längst keine Zukunft mehr. Wer beruflich etwas erreichen oder gar studieren möchte, muss zwingend aus der Heimat wegziehen. Und während der Osten immer weiter zerfällt, wirkt sich das auch auf das Familienleben aus – und rechtsextreme Strömungen verbreiten sich, während Schulen zugunsten von Flüchtlingsunterkünften geschlossen werden. Werden die beiden Brüder in diesem schwierigen Umfeld ihren Weg finden?

    Kritik:
    Ostdeutschland wird gerne als „Dunkeldeutschland“ verschrien, die Empörung über die Wahlergebnisse der AFD sind groß. Das deutsche Drama von Constanze Klaue möchte den Hintergründen auf den Grund gehen: Aus der Perspektive zweier Kinder, die in einer wirtschaftlich schwachen Region aufwachsen, dessen Heimat keinerlei Zukunft mehr bietet. Eine Sozialstudie – direkt von der Berlinale in die deutschen Kinos.

    Ein authentischer Blick in die Vergangenheit
    Menschen, die in den 90igern in Deutschland aufgewachsen sind, können das Feeling und das Setting des Films gut nachvollziehen. Insbesondere dann, wenn sie aus einer wirtschaftlich und sozial schwachen Region stammen, ganz egal ob im Osten oder im Westen. Ruppige Umgangsformen gehören zum Alltag, der gegenseitige Respekt auch innerhalb der Familie fehlt. Das Schlechtmachen des anderen wird als „Direktheit“ misinterpretiert, ob in Ostdeutschland oder im Ruhrgebiet. Und die drohenden Scheidungen lassen nicht lange auf sich warten. Die große Stärke des Films wird da schnell klar: Constanze Klaue gelingt es, das Gefühl der damaligen Zeit maximal authentisch einzufangen – von der Optik über die Dialoge bis hin zu den schauspielerischen Leistungen aller Darsteller, die realitätsnahe Verhaltensweisen der damaligen Zeit an den Tag legen.

    Extremer Detailgrad
    Das mag in der ersten Hälfte noch ein wenig ziellos erscheinen. Klaue nimmt sich Zeit, die Familie und ihr Zusammenleben detailliert zu schildern. Anfangs wirkt das noch ein wenig, als würde „Mit der Faust in die Welt schlagen“ lediglich ein Familienleben fast schon dokumentarisch festhalten. Darauf muss man sich einlassen können, diese Ausarbeitung, die nicht direkt in ein Drama mit hoher Spannungskurve übergeht, benötigt seine Zeit. Doch auch hier fällt bereits die hohe Authentizität des Films auf, als würden wir einen echten Blick in die Vergangenheit werfen: Der obligatorische VW Passat war das Familienauto schlechthin, das jede Arbeiterfamilie in der Garage stehen hatte. Die braune Kommode vor der grauen Couch mit dem typischen Fliesentisch stand in nahezu jedem zweiten Haushalt. Und die Klassenzimmer mit ihrem dreckigen Tafelschwamm und altmodischen Overhead-Projektoren gehörten auch dazu. Das Setting des Films ist so realitätsnah, dass das Drama schon allein mit seiner Optik triggern kann. Und vor allem schlechte Erinnerungen in allen Zuschauern hervorholt.

    Triggerpotenzial für deutsche Zuschauer
    Egal, welchen toxischen Satz die heute 30-Jährigen einst von ihren Eltern gehört haben, egal welches Fehlverhalten der Erwachsenen man als Kind erleben musste: „Mit der Faust in die Welt schlagen“ zeichnet ein so glaubwürdiges Bild der 90er und frühen 2000er, dass fast schon unter Garantie jeder Zuschauer mindestens eines davon erlebt hat. Das triggert, geht unter die Haut und tut manchmal auch weh, diese Erkenntnis, dass die eigene Mutter oder der eigene Vater sich hier und da wohl genauso verhalten hat. Dieses Szenario in einem derartigen Detailgrad zu drehen, bedarf aber schon enormes Regie-Talent. Zumal die Message hinter dem Film doch eine weitaus größere ist: Denn „Mit der Faust in die Welt schlagen“ möchte den gesellschaftlichen Verfall und seine Auswirkungen ergründen, der Denkweise der heutigen Menschen im Osten und anderen wirtschaftlich schwachen Regionen auf den Grund gehen.

    Ostdeutsche Sozialstudie
    Dem Film von Constanze Klaue gelingt das erfrischend vorurteilsfrei. Etwa dann, wenn Jobverlust, mangelnde Zukunftsperspektiven und gleichzeitige Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften zu Hass und Resignation in der Bevölkerung führen. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ schafft dabei keine Befürwortung und auch keine Rechtfertigung, aber ein vorurteilsfreies Verständnis, das Entwicklungen im tiefsten Detailgrad nachvollziehbar macht und auf ehrliche Weise bei den Figuren bleibt. Das Drama erschafft eine Sozialstudie, die aus Erziehung und familiären Problemen die Menschen erschafft, deren Sichtweise heute tief geprägt ist. Und damit liefert „Mit der Faust in die Welt schlagen“ das wohl beste Drama aller Zeiten, das sich dem Verfall des Ostens widmet. Und letztendlich einen Pflichtfilm für all jene, die verstehen wollen, warum die Wahlergebnisse in Ostdeutschland so sind, wie sie sind.

    Fazit:
    Mit einem unglaublichen Detailgrad und einer enormen Authentizität erschafft „Mit der Faust in die Welt schlagen“ eine Sozialstudie über den Verfall des Ostens, das mit der realitätsnahen Darstellung der damaligen Zeit jeden Zuschauer triggern wird, egal aus welcher Region er oder sie auch stammen mag. Ein beeindruckender Blick in die Vergangenheit.