Emilia Perez |
Land/Jahr: F 2024 |
Genre: Thriller / Musical |
Regie: Jacques Audiard |
Darsteller: Zoe Saldana Karla Sofia Gascon Selena Gomez Edgar Ramirez |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 130 Minuten |
Kinostart: 28. November 2024 |
Label: Neue Visionen |
Die mexikanische Anwältin Rita ist mit ihrer Karriere insgesamt unzufrieden. Kaum hatte sie bisher die Möglichkeit, echte Anerkennung zu erfahren – vielleicht auch auf Grund ihres Geschlechts. Ein neuer Mandant kommt ihr daher gerade recht: Ausgerechnet Juan „Manitas“ Del Monte, der Boss eines überaus gefährlichen Drogenkartells beauftragt die Anwältin, nachdem er von zahlreichen Behörden gesucht wird. Sein Gesuch allerdings ist äußerst ungewöhnlich: Manitas möchte nicht etwa vor Gericht verteidigt werden, sondern stattdessen sein Geschlecht wechseln. Rita soll für ihn einen möglichst diskreten Arzt finden, der ihm den jahrelangen Wunsch erfüllt, eine Frau zu werden. Geld spielt dabei keine Rolle. Das Problem dabei: Seine Frau und die beiden Kinder wird er danach nicht mehr sehen können. Und vor allem: Wird er durch eine Geschlechtsumwandlung wirklich zu einem anderen Menschen?
Kritik:
Der neue Hit bei den Golden Globes? Dass ein Film mit Trans-Thematik es zu internationaler Aufmerksamkeit schafft, ist erst einmal nichts besonderes. Im Falle von „Emilia Perez“ aber schon: Bei dem Film handelt es sich um einen Thriller, inszeniert als Musical, der sich der Geschlechtsumwandlung eines mexikanischen Gangsters widmet. Eine wahrlich außergewöhnliche Konstellation.
Ein Thriller wird zum Musical
Eigentlich ist es schon generell außergewöhnlich, ausgerechnet einen Thriller zu einem Musical zu machen. Zumeist handeln Musical-Filme doch von positiven Themen, sind Kitsch oder Dramen. Ein knallharter Gangsterfilm über den Boss eines Drogenkartells mit Gesang zu erzählen, ist dagegen schon wegen seines Settings außergewöhnlich. Regisseur Jacques Audiard wagt diesen mutigen Schritt und der Filmverleih geht den richtigen Weg: Mit dieser Thematik können die Songs auf keinen Fall übersetzt werden. Zumindest die Lieder in „Emilia Perez“ müssen im spanischen Original bleiben, um die Wirkung des mexikanischen Settings entfalten zu können. Und die Performance, die Zoe Saldana, die wir als junge Uhura in den jüngsten „Star Trek“-Filmen kennengelernt haben, hier abliefert, sucht ihresgleichen.
Eine heftige Transformation
Ein bisschen konstruiert mag die Story auf den ersten Blick natürlich erscheinen, wenn ausgerechnet ein überaus haariger und maskulin aussehender mexikanischer Drogenboss sein Geschlecht ändern möchte. Und das nicht etwa, um einfach unterzutauchen und nicht mehr erkannt zu werden, sondern tatsächlich, weil er sich seit seiner Kindheit im falschen Körper fühlt. Umso erstaunlicher erscheint, dass es „Emilia Perez“ gelingt, diese Beweggründe glaubhaft zu machen. Und erst recht die Performance, die Karla Sofia Gascon in dieser Doppelrolle danach abliefert. Als Schauspielerin mit tatsächlichem Trans-Hintergrund hat sie die Transformation bereits hinter sich und stellt sich noch einmal dar: Die Möglichkeiten, das Erscheinungsbild von extrem maskulin zu feminin zu verändern, sind hier beeindruckend dargestellt. Die besonders krasse Transformation in „Emilia Perez“, die zunächst skeptisch macht, entpuppt sich als absolut richtige Entscheidung, um die Möglichkeiten der heutigen Medizin darzulegen.
Ein bisschen Mann bleibt
Spannend ist dabei die überaus realistische Auseinandersetzung mit der eigenen Person: Wie sehr kann eine Geschlechtsumwandlung den Charakter verändern – und was geht nicht? Bleibt der Drogenboss nicht am Ende doch ein Gewalttäter, egal wie weiblich er anschließend auch aussieht? Jene Szenen, in denen die Vergangenheit und der ursprüngliche männliche Charakter der Hauptfigur durchscheint, gehören zu den stärksten Momenten von „Emilia Perez“. Damit ist das Thriller-Musical auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Grenzen der Transformation und geht auch etwas selbstkritisch mit der LGBT-Community ins Gericht – was als durchaus mutig betrachtet werden kann, den Film aber umso intensiver macht. Ohne jedoch der Trans-Community dabei auf die Füße zu treten, denn die Inszenierung bleibt stets sensibel und ohne Vorurteile.
Die Grenzen der Glaubwürdigkeit
Am Ende bleiben jedoch leider kleine Unglaubwürdigkeiten, wenn „Emilia Perez“ es an einigen Stellen dann doch übertreibt. Müssen es unbedingt Fernsehauftritte sein, die nicht zu einem Wiedererkennen der ursprünglichen Person führen, obwohl Millionen Menschen ihre neue Persönlichkeit sehen? Und wie erklärt sich wohl die Tatsache, dass nicht einmal die eigene Familie sie nach der Transformation noch wiedererkennt? Es gibt die ein oder andere unglaubwürdige Übertreibung, bei der „Emilia Perez“ bei seinem eigenen Anspruch aneckt. Das gilt dann auch für Zoe Saldana, die das Hintergrundwissen um Emilias echte Vergangenheit vielleicht ein oder zwei Mal zu häufig ignoriert. Dennoch: Am Ende bleibt der Film wohl einer der besten Trans-Filme aller Zeiten und als Musical-Thriller innovativ noch dazu.
Fazit:
„Emilia Perez“ wagt ein beeindruckendes Experiment: Nicht nur inszeniert der Film einen Thriller als spanisches Musical, sondern macht zudem die krasse Geschlechtsumwandlung eines Drogenbosses zur Frau zum Thema. Dabei brilliert vor allem Karla Sofia Gascon in ihrer spektakulären Transformationsrolle – unterstützt von der großartigen Zoe Saldana.