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    Der Junge und der Reiher

    Der Junge und der Reiher

    Land/Jahr:
    J 2023
    Genre:
    Anime
    Regie:
    Hayao Miyazaki
    Darsteller:
    -
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Dauer:
    124 Minuten
    Kinostart:
    4. Januar 2024
    Label:
    Wild Bunch

    Für den jungen Mahito stehen momentan wirklich schwierige Zeiten bevor. Er hat nicht nur inzwischen seine geliebte Mutter verloren, sondern findet sich auch noch mitten im Pazifikkrieg wieder. Eine sichere Unterkunft soll er bei seiner neuen Stiefmutter Natsuko finden, die zugleich auch die Schwester der verstorbenen Mutter war. Während sein Vater in der örtlichen Fabrik arbeitet, versucht sich Mahito in der neuen Umgebung zurecht zu finden. Der große Garten mit dem hübschen Reiher hat es ihm dabei besonders angetan. Als dieser allerdings eines Tages plötzlich zu sprechen beginnt, kann er seinen Ohren kaum trauen. Der mysteriöse Vogel behauptet, seine Mutter wäre noch am leben und er sei in der Lage, ihn zu ihr zu führen. Doch der unheimlichen Gestalt vertraut, landet Mahito prompt im Reich der Toten, wo surreale Ereignisse den Alltag prägen und die Physik wie ausgehebelt scheint. Wird Mahito dort wirklich seine verstorbene Mutter vorfinden können?

    Kritik:
    Eigentlich sollte der Anime „Wie der Wind sich hebt“ aus dem Jahre 2013 endgültig der letzte Film des berühmten Studio Ghibli werden. Nun aber kehrt Regisseur Hayao Miyazaki mit 83 Jahren noch einmal zurück: „Der Junge und der Reiher“ ist der neueste und womöglich nun wirklich letzte Streifen aus dem Hause Ghibli.

    Der (wirklich) letzte Film vom Studio Ghibli
    Das berühmte japanische Anime-Studio ist für die wohl bemerkenswertesten und besten Anime-Produktionen des Landes zuständig gewesen. Meisterwerke wie „Das Schloss im Himmel“, „Mein Nachbar Totoro“, „Chihiros Reise ins Zauberland“ oder auch „Prinzessin Mononoke“ stammen aus der Feder von Miyazaki. An seinem Können hat sich auf den ersten Blick wohl nichts geändert. Auch mit 83 Jahren verzichtet der Filmemacher noch immer auf die Anwendung moderner 3D-Animationen und zeichnet seine Werke lieber auch weiterhin per Hand. „Der Junge und der Reiher“ verfügt daher ebenfalls über den typischen, wunderschönen Zeichentrick-Animestil, wie man ihn aus Japan gewohnt ist. Die Umgebung, die Flora und auch die Figuren gehören damit wohl zum Schönsten, was wir in den vergangenen Jahren auf der großen Leinwand zu sehen bekamen und spätestens, wenn der junge Mahito dann die surreale Welt der Toten betritt, kommen die Zuschauer aus dem Genuss kaum mehr heraus.

    In den Fußstapfen von Die letzten Glühwürmchen
    Inhaltlich erinnert „Der Junge und der Reiher“ dabei an einen der wenigen stilistisch ähnlichen Animes, die nicht aus der Feder von Miyazaki stammen. Ähnlich wie auch „Die letzten Glühwürmchen“ aus dem Jahre 1988 widmet sich Miyazakis neuester Film dem heftigen und emotional erdrückenden Thema des Krieges. Der Anime ist daher also kein allzu fröhlicher Film und auch kein typischer Familienfilm, der sich an Kinder richten würde. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Umgang mit der Bedrohung durch den Krieg, Verlustängste und Traumata. Dabei taucht der Zuschauer auch regelmäßig in die traumatische Welt von Mahitos Psyche ein, bekommt bedrohliche Bilder vom Tod im Feuer zu sehen und bekommt emotional überaus starke Szenen geboten. „Der Junge und der Reiher“ ist ein Film, der Zartbesaitete durchaus an einigen Stellen triggern kann.

    Eine surreale Anime-Welt voller Metaphern
    Mitdenken muss der Zuschauer allerdings auch, denn es handelt sich zugleich auch um einen Film, der sehr stark in Metaphern erzählt und allen seinen surrelaen Szenen eine Bedeutung verleiht. Jeder noch so abgefahrene visuelle Moment hat also einen tieferen Sinn und deutet auf die innere Situation im Kopf von Mahito hin. Das kann durchaus ähnlich bunte und komplexe Formen annehmen, wie in der echten Psyche eines Menschen. Das Todesreich, in das Mahito eindringt, ist immerhin bereits selbst eine Metapher auf die Suizidgedanken, die der Junge auf Grund seiner insgesamt belastenden Situation hat – und die der Film durch Selbstverletzung in einer seiner Szenen andeutet. Auch die Darstellung der insgesamt süßen und einfallsreichen Killer-Wellensittiche verkörpert die Angst vor dem Krieg in der realen Welt und stellen eine verniedlichte Metapher auf die Soldaten in der unmittelbaren Umgebung dar – eine Form der Verarbeitung eines kindlichen Kriegstraumas also. „Der Junge und der Reiher“ treibt dies so weit auf die Spitze, dass sogar die Akzeptanz einer neuen Mutter durch die eigene Widergeburt visuell in Szene gesetzt wird.

    Kreativität und Easter Eggs
    Der Anime macht dementsprechend auch gerade deshalb Spaß, weil er so unglaublich unvorhersehbar ist. Nichts in dieser surrealen Welt, die zeitweise sogar an eine japanische Version von „Alice im Wunderland“ erinnert, ist jemals absehbar und „Der Junge und der Reiher“ fesselt sein Publikum mit immer neuen, extrem kreativen Einfällen – die sich auch optisch bestens sehen lassen können. Sogar Anspielungen an die berühmten Adipose aus der britischen Science-Fiction-Serie „Doctor Who“ könnte man in den Anime hineininterpretieren. Dem neuesten und potentiell letzten Werk von Miyazaki gehen die Ideen zu keinem Zeitpunkt aus und die verrücktesten Lebewesen und Gestalten überschlagen sich in „Der Junge und der Reiher“ geradezu im Minutentakt. Fans der Filme vom Studio Ghibli sollten sich diesen Streifen also auf keinen Fall entgehen lassen.

    Fazit:
    Der potentiell allerletzte Film aus dem japanischen Studio Ghibli bleibt seinem gewohnten Stil treu und punktet mit seiner emotionalen Kriegsgeschichte, in der die surreale visuell anspruchsvolle Welt eine stetige Metapher auf die Psyche seiner Hauptfigur darstellt. „Der Junge und der Reiher“ ist nicht nur überaus kreativ und hübsch, sondern zudem extrem intelligent und einfallsreich. Ein weiteres Meisterwerk aus der Feder von Miyazaki also.