Der Brutalist |
Land/Jahr: USA / GB / Ungarn 2024 |
Genre: Drama |
Regie: Brady Corbet |
Darsteller: Adrien Brody Felicity Jones Guy Pearce Joe Alwyn Raffey Cassidy Stacy Martin Emma Laird |
FSK: ab 16 Jahren |
Dauer: 215 Minuten |
Kinostart: 30. Januar 2025 |
Label: Universal Pictures |
Der jüdische Architekt Lászlo Tóth hat eine schwierige und ungewisse Zukunft vor sich. Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, beschließt er als Überlebender des Holocausts von Budapest in die Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern. Das ferne Amerika gilt als Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem er frei leben und einer geregelten Arbeit nachgehen kann. Das Unterfangen stellt sich aber schon zu Beginn als nicht besonders leicht heraus: Bei seinem Cousin Attila kann er nur vorübergehend bleiben und statt als Architekt neue Gebäude zu entwerfen, arbeitet er zu einem Niedriglohn auf der Baustelle. Nach einer Zeit der Armut und Erniedrigungen scheint eine glorreiche Zukunft greifbar: Er soll die Bibliothek des Millionärs Harrison Lee Van Buren neu gestalten. Doch während er seine brutalistischen Ideen in die Tat umsetzt und bald sogar das Gemeindezentrum des kleinen Ortes errichten soll, stellt auch Tóth noch lange die Frage: In welch verdorbene Gesellschaft ist er ausgewandert? Sind Ausländer in den USA überhaupt erwünscht? Und welche Folgen hat der Kapitalismus auf die Menschen, die für Reichtum womöglich gar über Leichen gehen würden?
Kritik:
Er ist einer der größten Anwärter auf die Oscars in diesem Jahr. Neben „Emilia Perez“ wurde auch „Der Brutalist“ mit Adrien Brody für gleich 10 Oscars nominiert – darunter auch für den besten Film. Auf dieses Machwerk, in seiner Storygewalt so brutal, wie der Titel klingt, muss man sich allerdings wegen einiger Besonderheiten einlassen können.
Storymonster als Gesamtkunstwerk
Die Geschichte über einen jüdischen Einwanderer in den Vereinigten Staaten von Amerika ist eine Wucht in puncto Inhalt und Story. Das wird bereits klar, wenn man einen Blick auf die enorme Laufzeit des Films wirft. Ganze 215 Minuten erwarten das Publikum, das einiges an Sitzfleisch mitbringen muss. Vielleicht handelt es sich um den ersten Film seit Jahrzehnten, der in der Mitte sogar mit einer Pause von 15 Minuten unterbrochen wird, damit die Zuschauer sich noch einmal die Beine vertreten können. Schon in der ersten Hälfte aber beeindruckt „Der Brutalist“ mit seinem Inhalt, auch wenn es, anders als der Titel womöglich vermuten lässt, nicht um Brutalität geht, sondern um den Gebäudestil des Brutalismus. So wuchtig und klobig wie die Gebäude, die Tóth in diesem Film baut, so gewaltig möchte auch der Inhalt daher kommen, der sich parallel zur Entwicklung des Gebäudes nach und nach wie ein Puzzle, wie eine aufwändige Baustelle, zusammensetzt.
Details einer Migrationsgeschichte
Obwohl eine gewisse Kunstfertigkeit im Mittelpunkt steht, gelingt es Regisseur Brady Corbet allerdings, den Film nicht allzu abstrakt werden zu lassen. Die Geschichte um Migration, Kapitalismus, Judenverfolgung und Architektur bleibt schlussendlich stets nah bei seiner Hauptfigur. Es soll trotz der Storygewalt nicht zu komplex werden. Wir dürfen die Erlebnisse von Adrian Brody als Lászlo Tóth aus nächster Nähe in all seinen Details erleben – ob erste Enttäuschungen, die Begegnung des amerikanischen Rassismus oder die Ausbeutung von Migranten als billige Arbeitskräfte. „Der Brutalist“ lässt sich Zeit für die Erzählung der einzelnen Figuren, wie eine Baustelle, die einfach seine Zeit benötigt und lässt den Zuschauer dabei tief in das Innere der Geisteswelt und der Psyche des jüdischen Architekten blicken. Zwiegespalten zwischen Ehrgeiz und Demütigung, zwischen Arbeitswille und Verachtung gegenüber der amerikanischen Dekadenz.
Ein Pranger gegen das dekadente Amerika
Hatte die erste Hälfte dabei schon eine ordentliche Storygewalt bei der Ausarbeitung der Hauptfigur, setzt dann der zweite Akt nochmal bei den Emotionen einiges drauf. Nun hat der Zuschauer den Architekten kennengelernt, kann bei den nachfolgenden Ereignissen, die den Tiefgang des Films auf die Spitze treiben, extrem mitfühlen. „Der Brutalist“ nämlich traut sich einen gewagten Schritt: Er kehrt die Vorurteile des Antisemitismus um. Aus dem Vorwurf, Juden würden sich lediglich bereichern, macht „Der Brutalist“ einen Vorwurf gegen die Amerikaner, die aus Dekadenz, Gier und Kapitalismus jeden Migranten skurpellos ausnehmen – ob Juden oder Farbige, gänzlich egal. Bereits die Menge an Gesellschaftskritik gegenüber dem amerikanischen Lebensstil, von Ausbeutung bis zum Drogenmissbrauch, hat eine so überwältigende Tiefe, dass eine Filmkritik dem Umfang dieses Films eigentlich kaum gerecht werden kann. „Der Brutalist“ ist ein Monument des Anprangens, so störend und unerschütterlich, wie das brutalistische Gebäude im Zentrum des Dramas.
Sound – so brutal, wie der Brutalismus
Zu dem Gesamtkunstwerk, das „Der Brutalist“ zweitelsohne ist, gehören am Ende aber auch Details, wie eine optimale Besetzung und ein erdrückender Sound. Insbesondere letzterer wurde dank Daniel Blumberg auch für einen Oscar für die beste Filmmusik nominiert. Und die kommt so wuchtig, brutal und überwältigend daher, wie das brutalistische Gebäude, das Tóth in diesem Film baut: Ein epochales Orchester, das in den richtigen Szenen durch Mark und Bein geht, die Heftigkeit der Geschichte allein mit seinen Trompeten und Streichinstrumenten nochmal verdoppelt. Adrien Brody als jüdischer Migrant obendrein ein Glückstreffer, ebenso wie Guy Pearce als dekadenter Brad Pitt-Verschnitt die Skrupellosigkeit des Reichtums verkörpert, wie kaum ein anderer. Beide ebenfalls zurecht für einen Oscar nominiert. Ein Meisterwerk und Kunstwerk, das unbedingt ohne Unterbrechung, am besten gar im Kino, genossen werden sollte, denn „Der Brutalist“ ist kein Film für Zwischendurch, aber trotzdem jede Sekunde wert.
Fazit:
Nominiert mit 10 Oscars und einer Länge von fast 3 ½ Stunden ist „Der Brutalist“ ein überwältigendes Gesamtkunstwerk gelungen, das so voller Tiefgang, Gesellschaftskritik und Anspruch steckt, dass eine Filmkritik diesem eigentlich kaum gerecht werden kann. Ein Meisterwerk, das auf die Leinwand gehört und so seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde.