Ende der 60er Jahre: Rita und ihre Kolleginnen arbeiten als erfolgreiche und angelernte Näherinnen im englischen Ford-Werk in Dagenham. Dumm nur, dass sie nicht nur in den Sommermonaten wegen der unerträglichen Hitze oft in Unterwäsche arbeiten müssen, sondern prompt auch noch ihr Lohn gekürzt werden soll. Als wäre es nicht bereits schlimm genug, dass die Frauen weit schlechter bezahlt werden, als jene Männer, welche die gleiche Arbeit erledigen, sollen nun auch noch die gelernten Näherinnen auf das Gehaltsniveau einer ungelernten Kraft herabgestuft werden. Da entschließen sich die Arbeiterinnen prompt, sich gegen die schlechte Entlohnung zu wehren und beginnen einen Streik. Doch bisher ahnte niemand, dass dieser Streik sogar nationales Ausmaß annehmen und der Beginn einer Frauenbewegung werden soll…
Kritik:
Die 60er Jahre waren vielseitig und bestanden aus zahlreichen politischen Veränderungen. Nicht nur die Hippies waren ebenso auf der ganzen Welt bekannt, wie die gesamte 68er Bewegung, auch die Frauenemanzipation fand endlich ihren Anfang. Begonnen hat dabei alles bei einem Streik im englischen Ford-Werk von Dagenham. In der Fabrik, in der 187 Näherinnen für die Herstellung der Autositzbezüge verantwortlich waren, wurden die Frauen seinerzeit katastrophal bezahlt und erhielten unter Umständen bestenfalls die Hälfte des Männer-Gehaltes. Bei einer Lohnherabstufung kam so zum ersten Mal in der Geschichte ein Streik der Frauen zustande, der zum Beginn der Lohngleichstellungs-Forderungen auf der gesamten Welt werden sollte. Mit „We want Sex“ widmet sich Regisseur Nigel Cole genau diesen Streikmaßnahmen.
We want Sex (Equal)
Der Titel dieses Films ist dabei in gewisser Weise sogar ein klein wenig irreführend. Schließlich bekommen wir es hier keineswegs mit einer Tennie-Komödie um die ersten sexuellen Erfahrungen zu tun. Eigentlich geht es genaugenommen sogar ganz und gar nicht um Sex, sondern eher um die Emanzipation der Frau. Während die Frauen also in den Arbeitskampf gingen, wurde ein Schnappschuss eines Transparents mit dem Titel “We want Sex” in der Klatschpresse zerrissen – dabei ging es doch eigentlich um die Gleichberechtigung der Frau. Nur ganz unterschwellig geht es letztlich natürlich auch darum, dass die Frauen endlich das Steuer in die Hand nehmen wollen und ebenso Forderungen aufstellen wollen, wie die Männer. Der Slogan „We want Sex“ mag dabei bestenfalls eine Anspielung daran sein, wie die weibliche Bewegung sich querstellt und prompt nicht mehr nur als Sexobjekt angesehen werden will – sie wollen fordern und entscheiden, in allen Lebenslagen.
Das Selbstverständnis der Frau
Dabei geht es in „We want Sex“ um weit mehr, als nur um Politik. Auch allgemeine gesellschaftliche Fragen werden dank hervorragender Charakterzeichnungen angesprochen. Wo sich Männer stolz und ehrenhaft präsentieren, weil sie sich immer vorbildlich gegenüber ihren Frauen verhalten, werden sie von eben diesen auch gleich denunziert, um ihre Rechte endlich nicht mehr als Privileg, sondern als Selbstverständlichkeit anzusehen. Klare Aussage: Gute Behandlung ist keine Leistung, sondern schlicht selbstverständlich. Damit allerdings schafft es „We want Sex“ auch als einer der wenigen Filme um dieses Thema, die Kernaussage der Frauenbewegung klar und verständlich in den Mittelpunkt zu stellen, während sich Genrekollegen meist nur auf emotionaler Ebene mit dem Arbeitskampf beschäftigen. Oder anders gesagt: Dieser Film ist intelligent und versteht etwas von guten Argumenten.
Die Folgen eines Krieges
Dass Sally Hawkins in ihrer Rolle als Rita außerdem brilliert, macht diesen Film natürlich nur umso besser. Sie schafft es, ihre Figur zu einer Identifikationsfigur werden zu lassen, die einerseits stark, andererseits aber auch vielseitig und verletzlich ist. Auch sie soll zweifeln, auch sie soll unter den Folgen eines Arbeitskampfes zu leiden haben, sowohl in persönlicher, als auch in familiärer Hinsicht. Die Folgen eines solchen Wirtschaftskrieges werden letztendlich bei allen Frauen und auf allen Ebenen gezeigt, womit „We want Sex“ allerdings auch tiefgründig wird und nicht oberflächlich bleibt. Dank ihrer perfekten Darstellung einer schüchternen und ängstlichen Frau, die plötzlich zur Anführerin einer nationalen Bewegung aufsteigt, kann Sally Hawkins uns aber auch stets mitreißen. Zudem harmoniert sie perfekt mit den anderen Darstellern und Darstellerinnen, sodass wir an keiner Figur irgendetwas auszusetzen haben. Ganz im Gegenteil, schafft es Danny Mays als Ritas Ehemann sogar mittels Mimik und Körpersprache seine Meinung, Emotionen und Gedanken zum Vorschein zu bringen. Wenn dann auch noch die Gewerkschaftler zu reinsten Heuchlern werden, die mit ihrem perfekten Gesichtsausdruck absolut realistisch auftreten, werden die Charakterrollen letztendlich nur weiter ausgebaut. Zuschauer, welche sich also für einen Film interessieren, der sich mit einer politisch und gesellschaftlich relevanten Story befasst, liegen hier genau richtig.
Fazit:
Sally Hawkins brilliert in ihrer Rolle als Anführerin einer Frauenbewegung und führt uns mitreißend in die Streikmaßnahmen bei Ford im Jahre 1969 ein. Mit tollen Charakterzeichnungen und einer absolut genialen Story um Lohngleichstellungsverhandlungen der englischen Frauen, bekommen wir einen perfekten Einblick in den Beginn der weiblichen Emanzipation. Absolut sehenswert!