The Outrun |
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Land/Jahr: GB / D 2024 |
Genre: Drama |
Regie: Nora Fingscheidt |
Darsteller: Saoirse Ronan Paapa Essiedu Stephen Dillane Saskia Reeves |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 118 Minuten |
Kaufstart: 24. April 2025 |
Label: Studiocanal |
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Nach einem Jahrzehnt in London kehrt Rona zurück in ihre Heimat, den schottischen Orkney-Inseln. Während sie die Schönheit der einzigartigen Landschaft wiederentdeckt, in der ihre Eltern noch heute leben, hat ihr die Großstadt offenbar nicht gut getan. In London hat sie längst einen schmerzhaften Absturz in die Alkoholabhängigkeit hinter sich, ihre Beziehung zu ihrem Freund Daynin endete heftig. Auf der Suche nach Kindheitserinnerungen und neuer Orientierung soll die Idylle Schottlands ihr dabei helfen, zu neuem inneren Frieden zu finden und sich auch beruflich neu zu orientieren. Doch das ist leichter gesagt, als getan, denn der Kampf gegen die Sucht wird zu einer täglichen Herausforderung und die Hilfsangebote auf den Orkney-Inseln sind begrenzt.
Kritik:
Alkoholabhängigkeit verbinden wir meist mit sozialen Brennpunkten und heruntergekommenen Gegenden. Dass es auch anders sein kann, schrieb Autorin Amy Liptrot bereits in ihrer Autobiografie „Nachtlichter“. Die Verfilmung widmet sich nun nicht nur einer ganz persönlichen Geschichte, sondern versetzt den Zuschauer auch an Original-Drehorte.
Idylle vs. Elend
Bereits optisch bietet „The Outrun“ also einen außergewöhnlichen Kontrast, den wir so noch in keinem anderen Drama über Alkoholmissbrauch gesehen haben. Der Film kombiniert das Elend der Abhängigkeit schließlich mit den idyllischen Landschaften Schottlands – eine Kombination, die in den Köpfen der Zuschauer nur selten vorschwebt. Damit versucht sich der Film aber an einem ähnlichen Ansatz, wie bereits „Banshees of Inisherin“: Die weite Leere der Landschaften der wenig besiedelten Orkney-Inseln soll ein visuelles Gegenstück zum Chaos im Kopf von Hauptfigur Rona darstellen. Die Ruhe zum Nachdenken, die Ordnung in den Gedanken und im Leben und eine gesellschaftliche Beständigkeit in der rauen Umgebung weckene jene Bedürfnisse und Sehnsüchte, für die Betroffene in der Großstadt womöglich das Auge verlieren könnten. Orkney ist in diesem Film das Gegenteil des „Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ im Großstadt-Dschungel von London.
Der Kampf im Inneren
Gelungen ist dabei vor allem die realitätsnahe und glaubwürdige Charakterdarstellung der Rona, die sicherlich durch die persönlichen Erfahrungen der Autorin begründet sein mag. Überraschenderweise verzichtet „The Outrun“ auf allzu überdramatische Szenen und versucht nicht, aus filmdramaturgischen Gründen künstlisch auf die Tränendrüse zu drücken. Das sorgt dafür, dass das Drama über Alkoholismus insgesamt ohne die typischen Klischees vergleichbarer Genrefilme auskommt. Der Fokus der eigenen Transformation, der die Probleme der Betroffenen vor allem bei sich selbst sieht und mehr eine Fluchtreaktion schildert, als eine dramatische Konfrontation, steht dem Film gut und hat sogar das Potential, ein gewisses Verständnis für Suchtkranke entwickeln zu können. In „The Outrun“ werden Betroffene eher allein gelassen, finden sich in der Einsamkeit wieder, nachdem sich das gesamte Umfeld abwendete und eine neue Gemeinschaft unter Gleichgesinnten offenbart sich bei den Hilfsangeboten. Der innere Konflikt macht die ruhige, mitunter etwas distanzierte Art des Films zu einem Meisterstück.
Werbung für Charity-Projekte
Hin und wieder macht „The Outrun“ allerdings den Eindruck, als wolle der Film unterschwellig auch Werbung für gemeinnützige Projekte machen. Das lässt sich einerseits aus der Darstellung der anonymen Alkoholiker schließen, die ausschließlich als liebenswerte Gemeinschaft dargestellt wird, jedoch zu keinem Zeitpunkt Konflikte unterhalb der Teilnehmer beinhaltet. Andererseits tritt gerade die RSPB Bird & Wildlife Conservation Charity, für die sich Rona im Film bei ihrer beruflichen Neuorientierung verstärkt einsetzt, arg in den Fokus. Das mag zwar den autobiografischen Erfahrungen der Autorin irgendwo entsprechen, wird aber derart – in einigen Szenen fast schon dokumentarisch – inszeniert, dass wir uns beinahe wundern, nicht sogar Spendenaufforderungen während des Films eingeblendet zu bekommen. Durch einen etwas dezenteren Umgang damit, würde „The Outrun“ weniger propagandistisch wirken, zumal die damit in Verbindung stehenden Hobbys der Hauptprotagonistin doch etwas seltsam bis unglaubwürdig anmuten. Ein bisschen mehr Drama statt Wohltat hätte dem Film an dieser Stelle sicher gut getan.
Fazit:
Schottische Idylle trifft Elend der Alkoholabhängigkeit: „The Outrun“ schildert auf überaus realitätsnahe Weise die autobiografischen Erlebnisse von Amy Liptrot. Das kommt einfühlsam und ohne Klischees aus, schwächelt letztendlich aber ein wenig zu sehr an der Einbindung eines Charity-Projekts.
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