The Chain |
Land/Jahr: USA 2019 |
Genre: Thriller |
Regie: David Martín-Porras |
Darsteller: John Patrick Amedori Madeline Zima Jamie Clayton Adrienne Barbeau Ray Wise |
FSK: ab 16 Jahren |
Dauer: 101 Minuten |
Kaufstart: 28. November 2019 |
Label: OFDb Filmworks |
Mike hätte eigentlich nie gedacht, dass er jemals in sein Elternhaus zurückkehren würde. Vor vielen Jahren hat er sich dort nämlich mit seinem Vater zerstritten, dessen fragwürdige Erziehungsmethoden auch nicht vor körperlicher Gewalt Halt machten. Doch da sein Vater längst an einer schweren neurologischen Krankheit leidet und seine Mutter nicht mehr in der Lage ist, ihn allein zu versorgen, steht die unausweichliche Rückkehr gemeinsam mit seiner Frau unmittelbar bevor. Da kommen dann nicht nur schreckliche Erinnerungen wieder hoch, sondern auch die Vererbbarkeit der Krankheit gerät erneut in den Fokus. Denn kaum im Elternhaus eingetroffen, erfährt Mike, dass er selbst von der Krankheit betroffen ist – und sieht den einzigen Ausweg in einer Therapiegruppe, die verspricht, sich gegenseitig das Leben zu nehmen. Dumm nur, dass auch er selbst dafür zunächst zum Mörder werden muss und er auf Grund seiner Krankheit die Realität schon bald nicht mehr von Wahnvorstellungen unterscheiden kann…
Kritik:
Was sollte man machen, wenn das Leben einfach nicht mehr lebenswert ist? Wenn man seinem eigenen Verstand nicht mehr trauen kann und der Körper früher oder später vor sich hin vegetieren wird? Wäre Selbstmord in einem solchen Fall tatsächlich eine Option?
Start voller Klisches
„The Chain“ beginnt wie einer dieser typischen Horrorfilme, aber auch wie ein Familiendrama. Fast beliebig austauschbar ist auf den ersten Blick die Grundkonstellation, auf welcher der Film seine Story aufbaut: Die Rückkehr in das eigene Elternhaus, an dem grausame Erinnerungen hängen und die zugleich mit einer Reise in das Unbekannte verbunden ist. Horrorfilme würden die typische Richtung des Haunted House einschlagen, bei dem ein „dunkles Geheimnis“ auf die Hauptfigur wartet. In einem Familiendrama kämen die alten Konflikte wieder hoch und es würde sicherlich ein wenig um die Versöhnung mit der eigenen Familie kurz vor dem Tod gehen. Ein bisschen schlägt „The Chain“ mehr die Richtung des Dramas ein. Die Auseinandersetzung mit dem Vater und dem eigenen ungewollten Werdegang stehen kurz bevor. Doch eines ist eben doch anders: „The Chain“ will kein Drama sein, sondern ein Thriller. Einer, der von Versöhnung nicht allzu viel hält.
Realität oder Wahnvorstellung?
Und das ist auch gut so, denn genau deshalb schlägt „The Chain“ eine recht ungewohnte Richtung ein, wird mit fortschreitender Laufzeit zunehmend zu einem Psychothriller. Hauptfigur Mike muss sich nämlich mit der geerbten Krankheit auseinandersetzen und darf selbst am eigenen Leib erfahren, welche Folgen die neurologische Erkrankung hat. Muskelschwäche und Zittern sind nur die ersten Symptome, der vollständige Verlust des Verstandes folgt danach unweigerlich. Damit gehört „The Chain“ jedoch zu den wenigen Filmen, die eine krankheitsbedingte geistige Störung aus der Perspektive eines Betroffenen recht nah an der Figur erzählt. Hautnah miterleben können wir, wie sich Hauptcharakter Mike immer weniger auf seinen Verstand verlassen kann und sich Wahnvorstellungen in seinem Kopf breit machen. Wie sich Wörter und Zahlen vor seinen Augen verändern und er nicht einmal mehr den richtigen Knopf im Aufzug drücken kann. Wie er die Identität seiner Mitmenschen vergisst und sogar Personen sieht, die gar nicht existieren. „The Chain“ bedient sich dabei dem klassischen Stilmittel, bei dem Realität und Fiktion zunehmend verschwimmen und baut darauf eine recht hohe Spannung auf.
Irreführung durch Details
Gelungen ist das auch deshalb, weil „The Chain“ dem Zuschauer vor allem durch die Figur des leidenden Vaters von Beginn an vor Augen führt, wohin die Reise gehen könnte. Denn wenn Mike eine Person pflegen muss, die seine eigene Frau nicht mehr wiedererkennt, wird man erahnen können, auf welche Weise uns der Film früher oder später an der Nase herumführen wird. Und wer ganz aufmerksam ist, wird vielleicht sogar mitbekommen, wann Mike seinen Verstand verliert und in welchen Momenten er die Realität vor Augen hat. Geschickt aber setzt „The Chain“ dabei kleine Details ein, dessen Unbemerkheit dazu führen, dass auch wir von dem Streifen in die Irre geführt werden. Der kleine, leicht zu übersehene Hinweis an einer Wand, der offenbaren würde, welcher Teil von Mikes Wahrnehmung seiner Fantasie entspricht, entscheidet darüber, ob der Zuschauer ihm auf die Schliche kommt. Womit „The Chain“ sogar einen gewissen Widersehwert erhält, weil wir im zweiten Durchgang auf eben solche Kleinigkeiten zu achten versuchen.
Das Problem mit der Sterbehilfe
Zugleich spricht der Streifen allerdings auch ein ernsthaftes Thema an, das auch heute noch auch in Deutschland aktuell ist: Die Sterbehilfe. „The Chain“ beschäftigt sich tiefgründig mit der Frage, ab wann die aktive Sterbehilfe eine relevante Option sein darf. Wie weit der Helfende dabei gehen darf, um die Wünsche des Betroffenen zu erfüllen. Und auch damit, wie ein Patient mit Sterbewunsch selbst mit der Situation umgeht, wenn er den Verfall des eigenen Körpers und Verstandes förmlich mit ansehen muss. „The Chain“ wagt sich an die ethisch spannende Frage, ob die Sterbehilfe auch deshalb ein legitimer Wunsch sein kann, weil der Betroffene selbst – beispielsweise bei einer Demenz – aktiv wahrnimmt, dass er sich auf seinen Verstand nicht mehr verlassen kann. Und die wichtigste Frage überhaupt: Was passiert, wenn der Betroffene im geistig nicht mehr zurechnungsfähigen Zustand seinen Wunsch wiederruft, den er im gesunden Zustand noch äußerte? In jedem Fall ist „The Chain“ damit ein Film, der – trotz einer gewissen Einfachheit in seiner Inszenierung, da er sich klassischer Psychothriller-Elemente bedient – zu ethischen Diskussionen einlädt.
Fazit:
Eigentlich ist „The Chain“ oberflächlich gesehen ein recht einfach gestrickter Psychothriller, der sich ganz klassischer Elemente des Genres bedient, in dem er durch Vermischung von Realität und Wahnvorstellungen den Zuschauer in die Irre führt. Unter der Oberfläche allerdings entpuppt sich eine tiefgründige ethische Auseinandersetzung mit der Sterbehilfe aus Sicht eines Betroffenen.
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