Konrad Lang ist schon längst in die Jahre gekommen und sein Leben ist von seinem Freigeist und Erinnerungen geprägt. Doch manchmal geschieht es, dass die Erinnerungen aus der Kindheit stärker ins Bewusstsein rücken, als jene Erinnerungen, die erst kurz zurückliegen. Schöne, wie auch traurige Erlebnisse aus den Kindheitstagen sind somit weit mehr präsent, als die Tätigkeiten, die man noch vor fünf Minuten erledigt hat. Kein Wunder also, dass sich Konrad, der an Demenz erkrankt ist, immer mehr zu seinem besten Freund aus der Kindheit hingezogen fühlt. Statt in irgendeiner Pflegeeinrichtung untergebracht zu werden, nimmt dieser ihn zunächst auf und beschert ihm eine schöne Zeit. Dumm nur, dass die Familienangehörigen allmählich immer beunruhigter über seine Erinnerungen sind, als hätten sie ihm damals etwas Schreckliches angetan. Lediglich Simone, die Frau des Familienerben, fühlt sich zu ihm hingezogen und versucht, seinen Erinnerungen auf den Grund zu gehen, statt sich kalt zu distanzieren. Doch damit kommt sie einem lebensgefährlichen Geheimnis auf die Spur…
Kritik:
Gerard Depardieu hat schon so einige beeindruckende Rollen hinter sich gebracht und galt seinerzeit zu den wichtigsten französischen Charakterdarstellern. Nun jedoch, mit über fünfzig Jahren ist er jedoch allmählich in die Jahre gekommen und zeigt sich mit seiner charakteristischen dicken Nase und einem eher schwachem Haarwuchs. Umso besser also, dass er die Rolle eines demenzkranken Rentners verkörpert, der immer mehr Probleme mit seinem Erinnerungsvermögen bekommt.
Freigeist mit Alzheimer
Doch eines ist typisch für Depardieu: Er verpasst seiner Rolle einen ganz besonderen Touch und widerlegt völlig das Bild eines typischen Demenz-Patienten. Immerhin dürfte das klassische Bild eindeutig sein: Menschen mit Demenz stellen wir uns als grimmige alte Leute in Altenheimen vor, die ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen und stets anstrengend sind. Völlig verwirrt und irritiert können sie selbst die einfachsten Tätigkeiten kaum mehr ausführen und wissen nicht einmal mehr ihren Namen. Gerard Depardieu als Konrad ist da ganz anders: Er ist ein humorvoller Typ mit eigenem Kopf, der sehr schnell Sympathien wecken kann. Mit seiner witzigen und verpeilten Art schafft er es den verwirrten Demenzkranken, der im Supermarkt plötzlich nicht einmal mehr weiß, was er gerade eingepackt hat, hervorragend und äußerst unterhaltsam darzustellen. So können wir ihn schnell ins Herz schließen und sehen Demenzkranke in einem anderen Licht. Dumm nur, dass „Small World“ leider nicht immer den perfekten Spaghat zwischen Humor und Dramatik hinbekommt, denn die schwierige Situation, die es den Demenzkranken wirklich erschwert, ihrem normalen Leben nachzugehen, kommt wenig rüber und wurde bei weitem nicht gut genug ausgebaut. So hat der große Humor stellenweise einen kaschierenden Effekt, der Probleme herunterspielen, oder gar verstecken möchte. Da hätte man wesentlich mehr erwartet, was sicher jene bestätigen können, die Erfahrungen mit demenzkranken Menschen gemacht haben. Für alle anderen mag die Charakterdarstellung dagegen lediglich unterhaltsam sein.
Eine schreckliche Kindheit
Viel mehr gelungen ist jedoch die geschickte Verknüpfung der Krankheit mit den schwierigen Erinnerungen, die in Konrad plötzlich hoch kommen. Er wird bald schon feststellen, dass in seiner Kindheit, als er gerade einmal vier Jahre alt war, schockierende Dinge geschehen sind, die sein Leben nachhaltig verändert haben. Gleichzeitig bringt „Small World“ hier eine interessante Familiensituation mit ein, die an dieser Stelle wiederum für jene Dramatik sorgt, die uns bei den Charakterzeichnungen fehlte. Doch trotz des eher sehr „adretten“ Stils kommt so viel Spannung auf, die uns bis zum Ende mitreißen kann. Da darf man sich also auf ein herausragendes Drama freuen, das zwar nicht gänzlich ohne Schwächen auskommt, aber bei Charakterdarstellung und Story sehr gut punkten kann. Perfekt für Fans des einfühlsameren und qualitativeren Kinos.
Fazit:
Gerard Depardieu verpasst der gelungenen Bestseller-Verfilmung eine sehr sympathische und einfühlsame Note, auch wenn ihm gelegentlich die Dramatik in seiner Rolle fehlt. Doch diese kann der Film mit der gelungenen Story über schwierige Kindheitserinnerungen wieder wett machen. Damit entwickelt sich „Small World“ zu einem einfühlsamen Streifen für Filmliebhaber.