Das Gefängnis in Siegburg ist für seine schrecklichen Geschehnisse bekannt. Einer der Insassen wurde unter schwersten psychischen Belastungen gehängt. Kein Wunder, haben alle anderen längst mit Gruppenzwang zu kämpfen. Sie denken, im Knast gäbe es eine Rangordnung und wenn sie sich nicht den anderen unterwerfen, sind sie selbst das nächste Opfer. So kommt es dann auch unter den Gefängnisinsassen vor, dass sie verrückte Wetten abschließen, wie sonst nur die Teenies bei ihren Mutproben. Als einer von ihnen sich jedoch nicht an die Abmachungen halten will, machen sich die anderen prompt einen Spaß daraus, ihn zu quälen. Alles beginnt damit, dass er nach einer verlorenen Wette, eine gesamte Tube Zahnpaste fressen muss. Doch danach kriegen seine Zellenkameraden nicht mehr genug. Sie zwingen ihn, die abartigsten Dinge zu tun und über sich ergeben zu lassen. Bis sie ihn zum „Selbstmord“ zwingen…
Kritik:
Noch keine vier Jahre ist es her, dass in Siegburg tatsächlich ein 20-jähriger Häftling, der wegen Diebstahls eingebuchtet wurde, auf brutale Weise ermordet wurde. Seine drei Zellenkameraden im Alter von 17, 19 und 20 Jahren, haben ihn Medienberichten zufolge, auf brutalste Weise gequält. Man habe ihn geschlagen, getreten und sogar gezwungen, Urin mit Spucke zu trinken, bis sie ihn anschließend zunächst mit einem Kabel versuchten zu erhängen und ihn dann mit einem Bettlaken ermordeten. Eine Tat, die viel Kritik auslöste und den Strafvollzug anprangerte. Sind Einzelzellen womöglich grundsätzlich besser, als Gemeinschaftszellen? „Siegburg“ hat es sich zur schwierigen Aufgabe gemacht, die damaligen Geschehnisse wiederzugeben und versucht, diese so originalgetreu, wie möglich darzustellen. Uwe Boll wollte die Ereignisse genau so schildern, wie sie damals geschehen sind. Auf den ersten Blick gelingt ihm das auch. Wir sehen vier Häftlinge in ihrer Gefängniszelle, weit und breit keine Sicht von Wärtern. Sie sind allein, völlig auf sich gestellt. Da beginnen sie eine verrückte Wette: Wer das Spiel gewinnt, bekommt zur Belohnung Zigaretten. Wer es dagegen verliert, muss die gesamte Zahnpasta-Tube fressen. Dumm nur, dass ausgerechnet derjenige verliert, der die Wette vorgeschlagen hat – und der weigert sich fortan. Eigentlich ist das eine Szene, die schon zu denken gibt, die auf gewisse Weise unauthentisch wirkt. Das Problem ist dabei vermutlich nicht einmal das belanglose Motiv, welches in der Realität tatsächlich vorgekommen sein könnte, sondern viel mehr der eigentliche Ablauf. Das mag allerdings an den zunächst wenig begeisternden Darsteller liegen. Nicht nur, dass sie eigentlich überhaupt nicht wirken, als würden sie der jeweiligen Altersklasse entsprechen, sie überzeugen auch in ihren Dialogen nicht wirklich. Eigentlich fehlt ihnen zu Beginn die Energie, die normalerweise junge Erwachsene aufbringen, die von ihrem Handeln dermaßen überzeugt sind. Wer einmal prügelnde und mobbende Jugendliche gesehen hat, die ihren Kameraden mit den heftigsten Erniedrigungen fertig machen, weiß, dass das in der Realität oft noch ein wenig anders abläuft. Doch es scheint nach etwa 30 Minuten so, dass die Darsteller erst einmal warm werden mussten. Sobald die Geschehnisse richtig zur Sache gehen, werden diese auch authentischer, bekommen deutlich mehr Energie. Plötzlich wird die Aussichtslosigkeit für das Opfer mehr als nur deutlich, wenn es aus der kleinen abgeschlossenen Zelle plötzlich keinen Ausweg mehr gibt und die Kameraden ihn zu den ekelhaftesten Dingen zwingen. Sei es, dass er seine eigene Kotze, oder Urin mit Spucke trinken muss. Und selbst vor der analen Vergewaltigung mit einem Besenstil machen sie nicht halt. Wenn das Opfer dann auch noch völlig apathisch auf dem Boden liegt und so wirkt, als würde er durch Wände sehen können, sind das Szenen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Aus emotionaler Sicht, gelingen Uwe Boll hier schon besondere Leistungen, die die Täter so zeigen, wie sie sind: Als Monster. Doch daran merkt man auch, dass Boll seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Er wollte – wie man zu Beginn in einem Text lesen kann – kritisieren und hinterfragen. Doch nichts davon schafft er. Seine „Kritik“ besteht lediglich aus der Aussage, dass der Strafvollzug scheiße und die Verbrecher böse sind. Eigentlich ist das schon eine Mindesterwartung, die „Siegburg“ erfüllen sollte. Auf das System des Strafvollzuges wird dabei kaum eingegangen, Lösungsvorschläge hat Boll offensichtlich auch nicht. Hinzu kommt ein noch viel größeres Problem auf Seiten der Charaktere. Boll gelingt es nicht, wirklich zu hinterfragen, oder auf die Motive einzugehen. Lediglich einer der Charaktere, der zwischen dem Guten und den Bösen hin- und hergerissen ist, wird wirklich geschildert. Er verdeutlicht, wie schwierig die Situation für ihn doch war, aus Angst, selbst das nächste Opfer sein zu können. Doch auch immer mit dem schlechten Gewissen, tatenlos zugesehen und sogar mitgeholfen zu haben. Das allein reicht jedoch nicht. Die anderen beiden Charaktere werden dargestellt, als seien sie unmenschliche Monster, dessen Lebensinhalt aus Hass und Gewalt besteht. Hier wird nicht auf den Hintergrund, oder die Motive der Tat eingegangen. Auch bleibt völlig offen, ob vielleicht der Strafvollzug selbst bereits so hohe psychische Belastungen mitbrachte, dass sie zu einer solchen Tat getrieben wurden. Insgesamt ist das also viel zu wenig, denn andere Regisseure hätten aus diesem Thema sicher deutlich mehr herausgeholt. Ein weiteres Problem hat Boll außerdem bei der Inszenierung. Hier wirken nicht nur die Zellen selbst zu detaillos, auch der eigentliche Stil – sofern man dies als solchen bezeichnen kann -, lässt zu wünschen übrig. Handwerklich betrachtet ist „Siegburg“ im Grunde eine einzige Katastrophe geworden. Hier gibt es kaum ansprechende Kamerafahrten und auch die Inszenierung der einzelnen Darsteller kann kaum überzeugen. Die Tatsache, dass Begleitmusik außerdem kaum vorhanden ist, macht es nicht wirklich besser. Natürlich merkt man dabei auch, dass dies eigentlich so gewollt ist, um den Film so natürlich aussehen zu lassen, wie es nur irgendwie ging. Dabei geht Boll sogar so weit, sich am nachgestellten Dokumentarfilm zu versuchen. So blendet er zwischen den Szenen immer wieder einzelne Szenen ein, in denen die Täter, Kommentare zu ihrem Handeln abgeben und erläutern, ob sie die Tat bereuen. Doch für einen Dokumentationsstil wirkt „Siegburg“ schon wieder viel zu unnatürlich, zu künstlich. Hierfür merkt man einfach zu sehr, dass die Szenen gespielt und nachgestellt sind, ganz zu schweigen davon, dass die Kommentierungen ohnehin überflüssig wären. Andererseits bleibt aber eben auch das Problem, dass Boll den Film aussehen lässt, als hätte er einfach nur die Kamera wahllos draufgehalten – das wiederum wäre für einen Film, der nicht im Dokumentationsstil gedreht wurde, einfach zu wenig. Immerhin eines ist Boll dann doch noch gelungen: Die Gewaltszenen und Erniedrigungen. Wenn das Opfer nämlich gequält wird, könnte das kaum glaubwürdiger und authentischer aussehen, als in „Siegburg“. Manche Gewaltszenen sind dabei sogar richtig packend und mitreißend. So gesehen sollte Uwe Boll also in Zukunft wohl lieber beim Horrorgenre bleiben…
Fazit:
Zwar können die Gewaltszenen und Erniedrigungen auf besondere Weise packen und ein unglaubliches Gefühl der Aussichtslosigkeit vermitteln, doch die eigentliche Inszenierung lässt oftmals zu wünschen übrig. Uwe Boll schafft es einfach nicht, dem Film eine gute Stilistik zu verpassen und wird seinen eigenen Ansprüchen, mangels Kritik und Hinterfragung, nicht einmal gerecht.
Get the Flash Player to see this player.