1971: In den südafrikanischen Städten ist die Apartheid längst an ihren Höhepunkt gelangt. Die schwarze und weiße Bevölkerung bekämpfen sich gegenseitig aus rassistischen Motiven, doch einige wenige sind in den Köpfen längst über die vermeintlichen Rassenunterschiede hinweg. Während vor allem eher kleinere Bands diverse Protestsongs schreiben, kommt ein Mann aus Amerika zu großem Ruhm: Sixto Rodriguez. Der relativ unbekannte Künstler mit den herausragenden Songs, der in seinem Heimatland absolut keinerlei Bekanntheit vorzuweisen hat, wird in Südafrika zu einer echten Legende. Hunderttausende Platten kann er verkaufen und selbst durch Raubkopien gelangt er ähnlichen Ruhm, wie einst Bob Dylan oder Elvis Presley. Doch die Regierung, welche die Apartheit schon lange unterstützt, hat ein Problem mit seinen politisch engagierten Protestsongs und lässt seine kritischen Songs auf Schallplatten verkratzen, während die Bevölkerung seine Songs weiterhin feiert. Erst im Jahre 1998 machen sich einige Fans auf die Suche nach jenem Mann, der wirklich hinter dieser mysteriösen Platte steckt und begeben sich auf eine Reise quer über die halbe Welt – bis sie ihn endlich zu mehreren Auftritten nach Südafrika bewegen können…
Kritik:
Es könnte unglaublicher kaum sein: Ein Musiker verkauft hunderttausende von Platten, erreicht mehrfach Gold und weiß absolut gar nichts von seinem Erfolg. Der Rockmusiker Sixto Rodriguez – der zugegeben nicht einmal uns bis zu diesem Film bekannt war – hatte in seinem Heimatland und fast auf dem gesamten Rest des Planeten keinerlei Bekanntheit, wurde jedoch in Südafrika gefeiert, wie kaum ein anderer. Zurecht, denn seine Songs schlugen ein, wie eine Bombe. „Searching for sugar man“ will nun dafür sorgen, dass seine Talente endlich größere Bekanntheit erlangen.
Eine unbekannte Legende
Begleitet von zahlreichen, eindrucksvollen Originalsongs des Künstlers wurde „Searching for Sugar Man“ bei der letzten Oscarverleihung mit einem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet. Tatsächlich konzentriert sich der Film von Malik Bendjelloul auf die Suche nach einem Musiker, der längst als tot gilt und von seinem Ruhm praktisch nichts weiß. Ein Rätsel, über dessen Aufenthaltsort, richtigen Namen und Herkunft kaum etwas bekannt war – bis auf eine Platte samt Cover, die sich in ganz Südafrika verbreitete. Zunächst einmal gelingt es den Filmemachern sehr gut, die Talente des Musikers einzufangen. Im ersten Drittel des Films erfahren wir, der Zuschauer ohne jegliche Kenntnisse, welch herausragenden Songs der Mann geschrieben hat und warum er einen solchen Bekanntheitsgrad erlangen konnte. Wir werden sanft, langsam und doch mitreißend in die Musikgeschichte eingeführt und haben vor allem deshalb einen Reiz an diesem Dokumentarfilm gefunden, weil wir endlich einmal etwas ganz neues entdecken können. Einen Teil der Musikgeschichte, die viel zu lange im Verborgenen geblieben ist. Vorausgesetzt natürlich, man ist neuen Musikarten gegenüber aufgeschlossen, denn nur dann kann „Searching for Sugar Man“ begeistern.
Kampf gegen die Apartheit
Gleichzeitig ist dieser Streifen allerdings auch ein politischer Dokumentarfilm, der geschickt die damalige Situation in der südafrikanischen Apartheit schildert. Wir sehen Krawallen auf der Straße, alte überholte Ideologien und eine Musik, die den Menschen Hoffnung in einer schwierigen Zeit gab. „Searching for Sugar Man“ führt uns in einen Teil der Geschichte ein, in der Musik in der Lage war, ganze Rassenvorurteile und Hass zu überwinden. Musik, der es gelang, die Bevölkerung zu vereinen und zu verbinden – egal, ob schwarz oder weiß, jung oder alt. Denn alle hörten Sixto Rodriguez. Somit ist ein faszinierender Film entstanden, dessen Inhalt fast schon surreal erscheint, in einer Welt, die vom Kapitalismus und Marketing dominiert ist. Denn wer kann sich heute schon vorstellen, dass ein Mann zu solcher Bekanntheit gelangen kann, ohne dass die Major-Labels viel Geld in teures Marketing stecken? Doch das macht den Film und auch diese Musik so natürlich und echt – und beeindruckend.
Bescheidener Ruhm
Nebenbei gelingt es Bendjelloul allerdings auch, die wahre Seite des bis dato als verstorbenen Musikers, aufzudecken. Neben politischen und kulturellen Eigenschaften, geht „Searching for Sugar Man“ auch auf den Mann selbst ein, führt Interviews mit ihm und seinen Kollegen, Freunden und Familienangehörigen – und entdeckt einen bescheidenen Mann, der trotz ihm unbekannten Ruhm, harte körperliche Arbeit macht und auch nach finanziellem Erfolg noch weiterhin machen möchte. Ein Musiker, der wohl kaum authentischer sein könnte und somit ein Film, der einen Star aus einer Perspektive zeigt, die näher am Menschen auch nicht sein könnte. Natürlich ist „Searching for Sugar Man“ damit auch eine Special Interest-Doku, die sich speziell an jene Zuschauer richtet, die sich für Musik im Allgemeinen interessieren. Doch ist man bereit, einmal Songs jenseits des Kommerz-Mainstreams zu hören, wird einem dieser Streifen wohl längere Zeit in Erinnerung bleiben. Ein Blick lohnt sich ebenso, wie einfach einmal in die Songs von Sixto Rodriguez hinein zu hören. Ein spannendes Stück Musikgeschichte – und die Aufdeckung einer unbekannten Legende.
Fazit:
Special Interest-Doku über die Aufdeckung einer Musiklegende, die in Südafrika so populär war, wie andernorts Bob Dylan oder Elvis Presley. Mit starker Nähe zum Musiker, spannenden Erzählungen über die Kultur der Apartheid und einer Faszination für das Unbekannte wird „Searching for Sugar Man“ zu einem Erlebnis für Musikfans – sofern man sich alternativer Musik nicht verschließt.