Radio Heimat |
Land/Jahr: D 2016 |
Genre: Komödie |
Regie: Matthias Kutschmann |
Darsteller: Martin Semmelrogge Peter Lohmeyer Heinz Hoenig Elke Heidenreich Sandra Borgmann Stephan Kampwirth Anja Kruse Milena Tscharntke Maximilian Mundt Hauke Petersen Jan Bülow David Hugo Schmitz Ralf Richter |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 85 Minuten |
Kaufstart: 26. Mai 2017 |
Label: Concorde |
Bochum, 1983: Die vier Freunde Frank, Spüli, Mücke und Pommes können nicht gerade behaupten, dass sie in einer der schönsten Regionen unseres Landes aufgewachsen wären. Statt schöne grüne Felder und klassisch deutscher Kultur finden sie in ihrem Umfeld lediglich Zechen und fragwürdige Mitmenschen mit eher ruppiger Sprache. Die Väter arbeiten meist unter Tage und selbst in der Jugend setzt es sich mittlerweile durch, die Nachmittage – oder gar die Pausen – in der nächstgelegenen Kneipe bei einem kühlen Pils zu verbringen. Das alles ist aber längst nicht ihre größte Sorge, denn mit ihrem Umfeld konnten sich die Freunde längst anfreunden. Denn viel mehr beschäftigt wohl jeden 16-jährigen, wie er am besten die hübschen Mädels der Klasse aufreißt. Und das nämlich klappt bisher eher mit mäßigem Erfolg…
Kritik:
Um Schönheit mitten im Ruhrpott zu finden, braucht es wohl eine besondere Voraussetzung: Man muss aus genau dieser Gegend kommen. Und selbst dann finden die meisten die Gegend aus kaputter Industrie heute doch eher hässlich. Für genau diese Leute hat „Radio Heimat“ nun eine passende Message: „Damals war auch scheiße“.
Damals war auch scheiße
Damals wie heute nämlich wollten die meisten Menschen aus dem Ruhrpott doch einfach nur weg. Es brauchte schon viel Fantasie, um sich seine Gegend schön zu reden und meistens klappte das doch auch nur mit einer gehörigen Portion Lokalpatriotismus. Ein kühles Pils, ruppige Umgangsformen und Fußball gehört da meistens ganz selbstverständlich dazu. Schlecht für all jene, die nichts davon mögen. Für den Rest hingegen ist „Radio Heimat“ wohl irgendwie eine selbstironische Liebeserklärung an den Pott, in dem die heutigen Erwachsenen damals in der Jugend aufgewachsen sind und zwischen Nena und ersten Liebschaften trotzdem ein normales Leben führen konnten, als die Braunkohleindustrie noch intakt war und man im ganzen Dreck doch zumindest von funktionierender Infrastruktur sprechen konnte.
Asozial ist das neue cool
Und eines hat sich doch damals wie heute nicht geändert: Menschen, die etwa aus Süddeutschland anreisen, bekommen bei der egoistischen Ellenbogenmentalität und den geradezu alltäglichen, freundlich gemeinten Beleidigungen auch heute noch einen Kulturschock. Oder anders gesagt: Hat man es einmal geschafft, auch andere Gegenden des Landes zu begutachten, möchte man nach der Rückkehr in den Pott doch am liebsten sofort wieder umkehren. Damit „Radio Heimat“ allerdings ein bisschen lustig erscheint und die Probleme der Brennpunkte nicht erdrückend werden, ist die Darstellung der typischen Ruhrpott-Gesellschaft im typisch deutschen Stil ein wenig überzeichnet. Den hier dargestellten Asozialen im Jogginganzug an der nächsten Pommesbude trifft man nämlich in der Realität so eher selten an – tatsächlich ist es nämlich viel schlimmer. Damit liefert „Radio Heimat“ aber die übliche locker-witzige „Asi ist cool“-Attitüde, wie schon die Holländer mit den New Kids. Und man beginnt dabei vielleicht sogar ein bisschen, seine Heimat ein bisschen gern zu haben, selbst wenn man eigentlich vom Niederrhein stammt, wo es auch nicht viel besser ist.
Die etwas alten Schüler
Da bleibt am Ende doch wohl nur ein wesentliches Problem: Die Hauptdarsteller sind allesamt ein wenig zu alt geraten, um glaubwürdig die 16-jährigen pubertären Schüler darstellen zu können. Das Publikum neigt nämlich schnell dazu, diese eher Mitte 20 zu schätzen – und nach einer kleinen Recherche stelle man dann auch fest, dass es abgesehen von Maximilian Mundt als Mücke auch genau in diese Richtung geht. Optisch ein bisschen zu reif, mag man ihnen das pubertäre Verhalten somit also nicht mehr so richtig abkaufen. Und spätestens wenn es so weit ist, ist auch die anfänglich im Kern stehende Ruhrpott-Story ganz schnell vergessen. Denn eigentlich möchte „Radio Heimat“ doch lieber ein klassisches Coming-of-Age-Drama sein, bei dem die Suche nach der ersten Liebe eindeutig im Mittelpunkt steht. Im Vergleich zum 70er Jahre Streifen „Eis am Stiel“ ist das aber für die heutige Zeit wiederum ungewöhnlich seicht ausgefallen. Wenngleich der Film immerhin zu den besseren deutschen Produktionen gehören dürfte.
Fazit:
Eine Liebeserklärung an den Ruhrpott, mit der es sich genauso verhält, wie mit dem echten Pott: Man muss wahrscheinlich aus der Gegend kommen, um diesen Film, wie auch die Gegend zu lieben. Oder man mag es gerade deshalb nicht.